Andrea, eine Aktivistin vom »Revolutionären Aufbau Schweiz«, hat der Zeitung junge Welt ein Interview zu ihren Aufenthalten in Rojava gegeben. Sie hat in Rojava Interviews mit Kommandant*innen sowie Internationalist*innen militärpolitischer Einheiten geführt. Am 9. Februar 2016 findet um 19 Uhr in Berlin im Bandito Rosso in der Lottumstraße 10a eine Veranstaltung mit der Genossin statt.
»Defensive der revolutionären Linken durchbrechen«
Aus den Entwicklungen in Rojava lernen – Rückschlüsse nach Aufenthalten im kurdischen Teil Syriens. Ein Gespräch mit Andrea Schmidt
Sie waren im vergangenen Jahr zweimal in Rojava. Was haben Sie dort getan?
Wir haben uns in der Schlacht um Kobani engagiert, und zwar als Organisation, die den revolutionären Prozess hier ins Zentrum stellt. Wir wollten besser verstehen, was sich dort entwickelt. Beide Male traf ich Kommandantinnen und Kommandanten der Volksverteidigungseinheiten YPG/YPJ sowie Internationalistinnen und Internationalisten, die sich dem militärischen Kampf angeschlossen hatten.
Welche Bedeutung hat der Kampf in Rojava über die Region hinaus, also auch für uns?
Der internationalistische Charakter dieses Kampfes zeigt uns, dass es eben genau uns alle angeht. Es geht natürlich darum, die dortige Auseinandersetzung grundsätzlich zu analysieren und zu versuchen, Lehren daraus zu ziehen. Vor allem stellt sich ja die Frage, ob die dortigen Entwicklungen nicht auch Ansätze hier vor Ort bieten, mit denen wir die aktuelle Defensive der revolutionären Linken durchbrechen können.
Wie wird das taktische Bündnis mit den USA von der Bewegung in Rojava eingeschätzt?
Soweit ich das beurteilen kann, ist es tatsächlich ein taktisches und kein strategisches Verhältnis. Es geht nicht nur um den Krieg gegen das Reaktionäre, sondern auch um eine Verteidigung der Errungenschaften von Rojava. Die Waffenungleichheit ist enorm groß, und gleichzeitig geht es um alles oder nichts. Ich hatte den Eindruck, dass es eine militärische und eine politische Schiene gibt. Dem militärischen Kampf um Rojava wird ein ebenso harter politischer folgen. Auch da wird es darum gehen, diese Revolution zu verteidigen. Der Kampf wird weitergehen, einfach mit anderen Mitteln. Das ist, glaube ich, dort allen klar.
Mit dem revolutionären Internationalen Freiheitsbataillon und den vor allem aus ehemaligen Militärangehörigen westlicher Armeen bestehenden Löwen von Rojava gibt es mindestens zwei kämpfende Strukturen mit internationaler Beteiligung an der Seite der YPG/YPJ. Welche Rolle spielen diese Kampfverbände?
Grundsätzlich existieren neben den regulären kurdischen YPG und YPJ in jedem Fall weitere Bataillone, denen sich vor allem türkische, griechische, französische, englische und deutsche Revolutionäre angeschlossen haben. Die reale, operative Rolle in den Kämpfen lässt sich so aber nicht ohne weiteres in ein paar Sätzen darstellen. In jedem Fall setzen die vielen freiwilligen Internationalistinnen und Internationalisten ein deutliches politisches Zeichen der Solidarität und des gemeinsamen Widerstandes mit enormer Tragweite – vor allem natürlich auch für die dortige Bevölkerung. Aber auch einfach für die anderen Kämpferinnen und Kämpfer der YPG/YPJ oder für die vielen Aktivistinnen und Aktivisten, die in den Räten und Selbstverwaltungsstrukturen aktiv sind.
Was hat Sie während Ihres Aufenthalts in Rojava am meisten beeindruckt?
Der sich permanent und überall gegenüberstehende krasse Gegensatz zwischen reaktionärer Destruktion und fortschrittlichem Aufbauprozess.
Wie können wir hier in Europa Ihrer Einschätzung nach am besten den Prozess unterstützen?
Es gibt sicherlich viele Möglichkeiten – die beste Art ist zu lernen, um die Linke hierzulande aus der Defensive zu holen. Darüber möchte ich hier ins Gespräch kommen. In diesem Sinne soll auch die Veranstaltung am kommenden Dienstag in Berlin helfen, solche Perspektiven aufzuzeigen.
Andrea Schmidt ist Aktivistin im Revolutionären Aufbau Schweiz (RAS) und war einige Zeit als Internationalistin im kurdischen Teil Syriens (Rojava) unterwegs