Das Spiel mit der Angst

Erstveröffentlicht: 
04.02.2016

Am 24. Januar demonstrierten bundesweit vornehmlich Russlanddeutsche auf Grund einer angeblichen Vergewaltigung gegen „Kriminalität von männlichen Asylbewerber“. Vertreter der extremen Rechten traten nicht nur als Versammlungsteilnehmer auf. Ein Beispiel.

 

Am 24. Januar wurden bundesweit Versammlungen „wegen der gegenwärtigen Kriminalität von männlichen Asylbewerber“ abgehalten. Auslöser war, wie der Verfassungsschutz mitteilt, die angebliche über russische Medien verbreitete Vergewaltigung eines jungen Mädchens. Der Aufruf wurde erst wenige Tage zuvor in deutsch und russisch unter anderem von „Der Russen Treff“ auf Facebook verbreitet.

 

Wie bereits die Falschmeldung von der Vergewaltigung verbreitete sich der Aufruf rasend schnell, sodass tausende vornehmlich Russlanddeutsche folgten. Etwa 1.300 in Villingen-Schwenningen, wo wenige Tage darauf ein Anschlag mittels einer Handgranate versucht wurde. In Ellwangen haben sich bis zu 800 Personen unangemeldet versammelt und zogen unter NPD-Beteiligung vor die dortige Landeserstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete. Im Vorfeld wurden potentielle Teilnehmende mit dem Gerücht „die Antifa“ hätte „eine riesige Gegendemo angekündigt“ aufgefordert, statt in Ellwangen in Kempten im Allgäu zu demonstrieren. Angesichts der trotzdem massiven Beteiligung in Ellwangen spekulieren antifaschistische Kreise, ob die Mobilisierung nach Kempten ein Ablenkungsmanöver war.

 

In Kempten begleiteten tatsächlich einige Antifaschisten die entsprechende Kundgebung, der sie rassistische Agitation vorwarfen, mit einem Banner „Gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus“. Von einem Balkon des Rathauses herab konnten die über 300 Versammlungsteilnehmenden Redebeiträge auf deutsch und russisch vernehmen. Man wolle „Gruppen bilden zur Verteidigung der Bürger von Kempten.“ Zwar betonten die Veranstalter, es gebe keine Rechten innerhalb der Versammlung, an deren Anmeldung ein Politiker der Republikaner beteiligt war. Allerdings positionierten sich gleich mehrere von ihnen eindeutig mit bei extrem rechten beliebten Modemarken wie „Thor Steinar“ oder „Ansgar Aryan“. Bereits im Vorfeld zeigten Recherchen, dass unter denen die „Der Russen Treff“ mögen auch neonazistische Seiten beliebt sind: Etwa 300 bekunden auf Facebook gleichzeitig ihre Sympathie für die Neonazipartei „Der III. Weg“, über 50 jeweils für das örtliche Neonazi-Label „Oldschool Records“ und die nächstgelegenen Kreisverbände der NPD Memmingen und Neu-Ulm.

 

Zudem hing vom Balkon des Kemptener Rathauses zeitweise nicht nur eine Deutschlandfahne. Auch eine der „Deutsch-Russische Bruderschaft“ wurde während der Kundgebung verwendet. Diese Gruppe zeigt auf Facebook offen, wo sie steht: „wir fahren alle großen Schlachtfelder des 2 Weltkrieges ab und bringen Muttererde aus Deutschland für [die] deutschen Soldaten“. Ein anderer Beitrag nimmt positiven Bezug zum Nationalsozialismus: Eine korpulente Person mit Regenbogen-Fahne wird als „Über 70 Jahre Degeneration“ einem Hitlerjungen gegenübergestellt. Einige Teilnehmende der Gegendemonstration fanden sich daran erinnert, dass am 9. März 1933 vom Balkon des Rathauses die Machtübergabe an Hitler proklamiert wurde.

 

Die Lokalpresse titelte: „Friedlich gegen Gewalt“ und portraitiert eine Frau, die Angst habe, weil „dunkelhäutige Männer sie anstarren“. Die Gegendemonstranten und ihre Kritik werden dabei von der „Allgäuer Zeitung“ komplett unterschlagen. Eine andere Lokalzeitung berichtet von störenden Gegendemonstranten und erkennt eine Demonstration gegen Gewalt an Frauen, besonders aber der Gewalt, „die von Flüchtlingen an einheimischen Frauen“ verübt werde.