Weil einzelne Flüchtlinge in Clubs und Schwimmbäder Frauen belästigen, suchen die Betreiber nach einer Lösung. Sie sprechen Flüchtlingen generell ein Zutrittsverbot aus – rechtlich hat dieses aber kaum Bestand.
Von TIMO STEPPAT UND RÜDIGER SOLDT
Vor ein paar Tagen kam ein kleiner Ort in der Nähe von Bonn in die Medien. Der Sozialdezernent der Stadt Bornheim gab bekannt, dass männliche Flüchtlinge vorerst keinen Zugang mehr zum örtlichen Hallenbad bekämen. Als Begründung für die Entscheidung wurden angebliche sexuelle Belästigungen gegen Mitarbeiterinnen und Badegästen angeführt. Um Straftaten handelte es sich nicht.
In einigen Freiburger Clubs soll es seit Monaten Übergriffe durch männliche Flüchtlinge geben. Fremd aussehende Männer sollen Frauen bestohlen oder in den Toiletten-Kabinen sexuell bedrängt haben. In der „Badischen Zeitung“ berichten Türsteher, sie hätten schon seit einigen Monaten die Türpolitik geändert. Manche Läden lassen nur noch eine begrenzte Zahl von Flüchtlingen ein, andere weisen sie ganz ab. Der linksalternativen Club „White Rabbit“ etwa wollte zeitweise gar keine Flüchtlinge mehr einlassen, das ging aus internen Mails hervor, die ein AfD-Mitglied an die Lokalzeitung weitergegeben haben soll. Diskoverbot bedeutet das. Zwar ärgern sich die Betreiber, dass sie für „rechte Hetze“ instrumentalisiert wurden, sie sahen aber keine andere Lösung für das Problem.
Rechtlich hat das „Diskoverbot“ kaum Bestand. Laut dem Antidiskriminierungsgesetz, das 2006 beschlossen wurde, darf es keine Benachteiligung aufgrund von Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung geben. Das bezieht sich in den meisten Fällen auf das Arbeitsleben, wenn etwa eine Frau bei einer ausgeschriebenen Stelle aufgrund ihres Geschlechts übervorteilt wurde. Es betrifft aber auch das Privatleben. Es gibt viele Erfahrungsberichte von Migranten, die schildern, dass sie an der Diskotür generell abgelehnt werden.
Wenn nun von Diskoverboten für Flüchtlinge die Rede ist, könnte die Diskriminierung offiziell werden. Ruft man etwa in Freiburg bei den Clubs an, um zu erfahren, wie ernst das Problem mit kriminellen Flüchtlingen ist, wiegeln die Besitzer schnell ab. „Wir haben alles gesagt“, raunzt einer. Wie verschiedene Medien berichteten, ist der Ärger über kriminelle Flüchtlinge in der Freiburger Partyszene groß. Übergriffe sollen regelmäßig stattfinden, die Zahl der Anzeigen, die gestellt werden, ist dagegen gering. Selten ermittelt die Polizei. Entsprechend gering sind die Kriminalitätszahlen.
Dadurch ist auch nur selten bekannt, ob es sich tatsächlich um Flüchtlinge handelte, die aus Sicht von Clubbetreibern die Täter sind. „Wir beobachten mit Sorge, dass nach den schlimmen Ereignissen von Köln immer häufiger Flüchtlinge insgesamt unter Generalverdacht stehen und das geltende Diskriminierungsverbot umgangen werden soll“, sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, gegenüber FAZ.NET. „Antidiskriminierungsrecht ist kein Schönwettergesetz“, betonte Lüders. Flüchtlinge sind auch berechtigt, gegen die Abweisung an der Diskotür oder der Schwimmbadpforte zu klagen. Wenn sie vor Clubs abgewiesen werden, führen Türsteher häufig nicht die Herkunft als Grund an, sondern Kleidung oder andere Aspekte. Um auf der Basis des Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gegen die fortwährende Abweisung vorzugehen, reichen Indizien als Beweise. Wenn ein Flüchtling abgewiesen wird, ein ähnlich gekleideter Deutscher im gleichen Alter aber eingelassen wird, würde das als Test genügen.
Salomon: „Clubbesitzer müssen klare Regeln aufstellen“
Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) hat auch Zweifel, dass Diskoverbote umsetzbar sind. Gegenüber der F.A.Z. forderte er von den Clubbetreibern, klare Regeln aufzustellen. „Die Clubbesitzer müssen ihren Gästen deutlich sagen, welche Regeln gelten“, sagte Salomon und betonte: „Bei der Meinungsfreiheit, der Religionsfreiheit und der Toleranz können wir keine Rabatte für Flüchtlinge geben. Sexuelle Übergriffe darf sich die Zivilgesellschaft nicht gefallen lassen.“
Die Probleme mit Flüchtlingen etwa in Schwimmbädern treten offenbar an einigen Orten auf. In einer belgischen Stadt versuchte man eine ähnliche Lösung wie in Bornheim zu finden, in einem österreichischen Dorf sollten Flüchtlinge nur mit Begleitung Zutritt zum Schwimmbad bekommen. Im Mittelpunkt stehen fast immer Verständnisprobleme. In München gibt es, um Missverständnisse zu vermeiden, Verhaltensregeln auf Arabisch.
Wenn Flüchtlinge diskriminiert werden, haben sie wie alle Menschen in Deutschland die Möglichkeit, zu klagen. Allerdings ist der Anteil von Menschen, die diesen Weg gehen, generell vergleichsweise gering. Vielen Flüchtlingen ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht bekannt. Das Problem: Sollten Flüchtlinge diskriminiert werden, müssen sie dagegen klagen – die Polizei, das Ordnungsamt oder etwa die Antidiskriminierungsstelle können erst handeln, wenn es sich um eine Klage handelt. In Niedersachsen etwa, wo das Diskriminierungsgesetz zuletzt verschärft wurde, ist inzwischen das Ordnungsamt zuständig. Über den Weg des Gewerberechts können schneller höhere Bußgelder verhängt werden. In den normalen Fällen aber, in denen die Betroffenen erst einen Schiedsmann kontaktieren und später den Klageweg beschreiten, fällt der Schadensersatz vergleichsweise gering aus, um 400 bis 1000 Euro handelt es sich häufig. Das Ermessen liegt beim Richter.
Bislang keine Beschwerden von Flüchtlingen
Der Antidiskriminierungsstelle sind bisher keine Beschwerden von Flüchtlingen bekannt, die abgewiesen wurden. In diesem Jahr sollen Flüchtlingsräte verstärkt über den Gleichbehandlungsgrundsatz informiert werden, heißt es von der Antidiskriminierungsstelle.
Für Clubs und andere Einrichtungen scheint das Zutrittsverbot die einfachste Lösung zu sein. Menschen mit Aufenthaltstiteln generell abzulehnen, ist gegen das Gesetz. Mit Konsequenzen müssen Betreiber allerdings wahrscheinlich nicht rechnen.