Club-Verbote für Flüchtlinge in Freiburg: „Das wäre eine Sippenhaftung“

Erstveröffentlicht: 
26.01.2016

Werden Flüchtlinge pauschal von Diskotheken abgewiesen, können sie auf Schadenersatz klagen, sagt Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle.

 

taz: Frau Lüders, können Club-Betreiber Flüchtlingen generell den Zugang verwehren, nachdem sie schlechte Erfahrungen gemacht haben?

 

Christine Lüders: Nein. Das wäre eine Sippenhaftung. Gegen solche Pauschalierungen will das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gerade schützen. Niemand darf nur wegen seiner Herkunft oder Hautfarbe im Arbeits- oder Geschäftsleben diskriminiert werden. Auch und gerade in der derzeitigen Stimmungslage dürfen Standards nicht aufgeweicht werden. Das Antidiskriminierungsrecht ist kein Schönwetterrecht.

 

Was bewirkt das AGG konkret an der Diskotür?

 

Wenn jemand Indizien benennen kann, dass er wegen seiner ethnischen Herkunft nicht eingelassen wurde, dann ordnet das AGG eine Beweislastumkehr an. Nun muss der Betreiber beweisen, dass es einen anderen Grund für den verweigerten Einlass gab, sonst wird er verurteilt.

 

Was können solche Indizien sein? In der Regel hängt ja niemand ein Schild an die Tür „Flüchtlinge müssen draußen bleiben“.

 

Wenn ein Club – wie der in Freiburg – sagt, Personen, die nur eine Aufenthaltsgenehmigung haben, kommen nicht rein, dann würde das für die Beweislastumkehr genügen. So einen Aufenthaltstitel haben ja nur Menschen aus dem Ausland.

 

Und wenn der Türsteher sagt, „der Club ist voll“?

 

Dann genügt ein Test. Wenn hellhäutige Personen in den angeblich vollen Club eingelassen werden, dunkelhäutige aber nicht, dann ist das ein klares Indiz für eine Diskriminierung.

 

Wann darf ein Flüchtling abgewiesen werden?


Aus den gleichen Gründen wie alle anderen Besucher auch: Wer sich aggressiv verhält, wer betrunken ist, wer nicht angemessen gekleidet ist, kann abgewiesen werden.

 

Kann der Wirt die Diskriminierung damit rechtfertigen, nur er kenne die richtige Publikumsmischung für einen erfolgreichen Club und brauche daher großen Spielraum, wen er einlässt und wen nicht?

 

Nein. Für das Bauchgefühl von Wirten oder Türstehern gibt es keine Ausnahmeregelung. Laut Gesetz dürfen nur Wohnungsgesellschaften bei der Vermietung auf die Herkunft achten, um „sozial stabile Bewohnerstrukturen“ zu schaffen.

 

Kann ein Wirt darauf verweisen, dass Frauen wegbleiben, wenn zu viele Ausländer da sind, weil sie schon unangenehme Erfahrungen gemacht haben?

 

Der Wirt muss natürlich dafür sorgen, dass Frauen in seinem Club nicht belästigt werden. Und wenn es Beschwerden gibt, kann er die betreffende Person rauswerfen und ihr sogar Hausverbot erteilen. Das ist aber eine Reaktion auf ein konkretes Fehlverhalten. Gäste können nicht verlangen, dass andere Gäste vorsorglich diskriminiert werden.

 

Kann ein Club Männer mit dem Argument abweisen, es seien schon zu viele Männer da?

 

Das ist eher möglich als der Verweis auf die ethnische Herkunft. Bei Diskriminierungen wegen des Geschlechts lässt das Gesetz einen sachlichen Grund zu. Das könnte auch der Hinweis auf die richtige Geschlechtermischung im Club sein. Allerdings muss das dann für alle Männer gelten und nicht etwa nur für Nordafrikaner.

 

Was ist die Folge, wenn ein Flüchtling zu Unrecht an der Clubtür abgewiesen wurde?

 

Er kann Schadenersatz verlangen. Die Summen, die die Gerichte hier festlegen, liegen meist zwischen 500 und 1.000 Euro. Außerdem kann das Gericht auf Antrag anordnen, dass der Kläger künftig eingelassen wird.

 

IM INTERVIEW: Christine Lüders leitet seit 2010 die Antidis­kriminierungsstelle (ADS) des Bundes und ist studierte Pädagogin. Die Stelle unterstützt Personen, die Benachteiligungen ­erfahren haben, und ist organisatorisch dem Familienministerium zugeordnet.

 

DAS INTERVIEW FÜHRTE: Christian Rath, Rechtspolitischer Korrespondent