Landshut/Bornheim. Verzweiflungstat, Protest oder Provokation? Ein niederbayerischer Landrat hatte am Donnerstag 31 anerkannte Flüchtlinge zum Bundeskanzleramt nach Berlin geschickt, weil er selbst in seinem Kreis angeblich keinen Platz mehr für sie hat. Einen Tag später sind die meisten von ihnen wieder auf dem Rückweg – und sie äußern sich tief enttäuscht. „Wir sind ein Spielball zwischen Bayern und Berlin. Wir werden eingesetzt, um die Flüchtlingspolitik zu ändern, oder?“, fragt einer der Männer am Freitagmorgen in einem Fernsehinterview. Ein anderer Fall eines merkwürdigen Umgangs mit Flüchtlingen hat sich in Bornheim bei Bonn ereignet: Dort dürfen Flüchtlinge kein Schwimmbad mehr besuchen.
Große bundesweite Aufmerksamkeit erfährt zunächst die Flüchtlingstour von Landshut nach Berlin – und zurück. Tatsächlich war der Reisegruppe nach ihrer Ankunft in Berlin ein eher kühler Empfang bereitet worden. Die zuständige Berliner Senatsverwaltung bot an, die Männer fürs Erste in einer Notunterkunft unterzubringen – einer „Not-Not-Not-Unterkunft“, wie es der Landshuter Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) nennt. Dreier hatte die Reise organisiert. Sowohl er als auch die Flüchtlinge zeigten sich inzwischen verstimmt. Nach einer Nacht in einer Pension machten sich die Männer am Freitag wieder auf den Weg zurück nach Landshut – mehr als 500 Kilometer. Nur zwei von ihnen blieben: Einer will in Berlin Fuß fassen, ein anderer in Bremen.
Für die Aktion erntet der Landrat viel Kritik. „Das Instrumentalisieren von Asylsuchenden für eigene PR-Zwecke ist unverfroren und unverantwortlich“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger. Es sei ein höchst unsolidarischer Akt, Menschen, für die man zuständig sei, einfach einer anderen Kommune zu überstellen. Der Landrat weist dies am Freitag zurück. „Mit Flüchtlingen mache ich keine PR. Ich habe die Männer vorher gefragt. Alle haben sich auf Berlin gefreut. Ein Mann hat gesagt, er wolle sein Zahnmedizinstudium in der Hauptstadt fortsetzen“, erklärte Dreier. Es sei eine Verzweiflungsaktion gewesen, weil die Wohnraumkapazitäten für anerkannte Flüchtlinge in seinem Landkreis erschöpft seien. „Wenn ich rechtlich konsequent handeln würde, wären die Flüchtlinge nun obdachlos. Das lasse ich aber nicht zu.“
Die Syrer seien verärgert über Berlin, betont Dreier. „Sie haben nach ihrer Flucht erwartet, dass wir uns um sie kümmern und ihnen Wohnraum zur Verfügung stellen. Das war in Berlin aber nicht möglich.“ Die Berliner Pension, in der die Flüchtlinge die Nacht verbrachten, hat Dreier nach eigenen Angaben selbst organisiert und wird auch die Kosten von gut 1300 Euro selbst zahlen. Auch die Kosten für seine Fahrt mit dem Dienstwagen in die Hauptstadt werde er übernehmen. „Der öffentlichen Hand werden keine Kosten entstehen“, verspricht der Landrat – und versucht so, die Kritik an seinem Verhalten abzufedern. Außerdem müssten die Syrer nun im Kreis Landshut in Einfamilienhäusern leben – mit bis zu 35 Menschen in einer Wohnung. Das sei eine Notsituation.
Es gibt noch einen Fall, der Zweifel weckt. Geht man mit den Flüchtlingen derzeit noch würdevoll um? Die nordrhein-westfälische Stadt Bornheim bei Bonn sperrt ihr Hallenbad für männliche Flüchtlinge. Die Stadt habe ihnen den Zugang verboten, weil sich immer mehr Besucherinnen und Angestellte über sexuelle Belästigungen durch Männer aus einer nahen Asylbewerberunterkunft beschwerten, sagte Sozialdezernent Markus Schnapka am Freitag.
Das Verbot sei bei den Bewohnern der Unterkunft auf Verständnis gestoßen. „Sobald wir von den Sozialdiensten die Mitteilung bekommen, dass die Botschaft angekommen ist, beenden wir diese Maßnahme wieder“, sagte Schnapka in nüchternem Beamtendeutsch und bestätigte damit Medienberichte. Am späten Nachmittag kündigte die Verwaltung dann an, das Verbot in der kommenden Woche wieder aufheben zu wollen. Die Stadt Rheinberg am Niederrhein hatte am Donnerstag ihren Karnevalsumzug abgesagt. Dabei spiele auch die Nähe des Zugs zu einer Flüchtlingsunterkunft eine Rolle, räumte ein Vertreter der Stadt ein. Die Verunsicherung ist groß.