Primark versetzt seine Kunden mit Billigpreisen oft in einen regelrechten Kaufrausch und gilt für manche als böse Fratze des Kapitalismus. Der Deutschland-Chef des irischen Textildiscounters, Wolfgang Krogmann, will im FR-Interview einiges richtigstellen.
Wer in Deutschland oder anderen Ländern eine Filiale von Primark sucht, muss nur in die Richtung gehen, aus der junge Leute mit riesigen braunen Papiertüten kommen. Der irische Textildiscounter versetzt seine Kunden mit Billigpreisen oft in einen regelrechten Kaufrausch. Das Unternehmen polarisiert stark. Es gilt wahlweise als cool oder als Inbegriff der bösen Fratze des Kapitalismus. Nordeuropa-Chef Wolfgang Krogmann will einiges richtigstellen.
Herr Krogmann, wir kommen gerade aus einer Primark-Filiale: Ein T-Shirt für 2,50 Euro, eine Jeans für 7,00 Euro, eine Winterjacke für 18,00 Euro. Wie können Sie diese günstigen Preise anbieten?
Wir schlagen weniger auf den Preis drauf als unsere Mitbewerber. Das können wir uns leisten, weil wir große Stückzahlen verkaufen und auf Zwischenhändler verzichten. Außerdem sind unsere Verwaltungsstrukturen extrem flach und effizient. Und wir verzichten auf Werbung außer bei der Neueröffnung von Stores. Das wird schon seit der Gründung des Unternehmens vor 47 Jahren so gehandhabt.
Große
Stückzahlen verkauft Ihre Konkurrenz auch. Es liegt der Verdacht nahe,
sie drücken beim Einkauf der Kleidung in Bangladesch oder Indien so
stark die Preise, dass darunter die Arbeitsbedingungen für die
Textilarbeiter leiden.
Sicherlich verhandeln unsere
Einkäufer gute Preise. Das machen die Kollegen der Konkurrenz aber auch.
Beim Einkauf haben wir also ähnliche Kosten. Zumal die Mitbewerber in
denselben Ländern und zum Großteil in denselben Fabriken produzieren wie
wir auch. Die Arbeiter und Näherinnen in Fernost erhalten die gleichen
Löhne – ob sie für eine Nobelmarke produzieren oder für einen
Fashion-Anbieter mit niedrigen Verkaufspreisen wie Primark.
Das beantwortet noch nicht die Frage nach den Produktionsbedingungen.
Wir
haben selbst einen strengen Verhaltenskodex, der für alle Lieferanten
verpflichtend ist. Er legt unter anderem fest, dass die Standards der
Internationalen Arbeitsorganisation ILO eingehalten werden müssen. Dazu
zählen beispielsweise das Verbot von Kinderarbeit, eine maximale
Arbeitszeit pro Woche und die Bezahlung nach Tarif- beziehungsweise
gesetzlichen Mindestlöhnen.
Das hört sich gut an. Aber wie kontrollieren Sie das?
Jedes
Unternehmen, was uns beliefern möchte, wird von uns zunächst
umfangreich geprüft. Das kann bis zu sechs Monate dauern. In der
Folgezeit schicken wir angemeldet und unangemeldet Kontrolleure in die
zugelassenen Firmen. Sie untersuchen, ob der Kodex tatsächlich
eingehalten wird. Allein 2014 sind unsere Experten 2412 Mal in Fabriken
gewesen. Seit dem schweren Unfall im Rana-Plaza-Komplex gehört in
Bangladesch auch die Gebäudesicherheit zum Prüfprogramm.
Was passiert, wenn Sie einen Verstoß feststellen?
Dann
geben wir unserem Lieferanten Zeit, den Mangel abzustellen. Wenn das in
der gegebenen Frist nicht passiert, dann kündigen wir dem Lieferanten.
Das
Problem ist häufig, dass der unmittelbare Lieferant zwar vielleicht
eine vorbildliche Fabrikation vorweisen kann, Teile der Produktion aber
regelmäßig an Subunternehmen vergeben werden, in denen katastrophale
Arbeitsbedingungen herrschen. Wie verhindern Sie das?
Die
Aufträge von Primark gehen nur an zugelassene Subunternehmen. Unsere
Prüfer vor Ort kontrollieren genau, ob der Lieferant technisch und
personell in der Lage ist, unsere Aufträge tatsächlich auch selbst
auszuführen. Wir lassen uns zudem die gesamte Produktionsplanung zeigen
um auszuschließen, dass die Produzenten uns austricksen. Das wird dann
regelmäßig nachgeprüft. Aber ich möchte an dieser Stelle einmal ganz
klar sagen: Gerade, weil wir in Entwicklungsländern produzieren, können
Fehler passieren. Unsere Aufgabe ist es, diese Fehler zu finden und
abzustellen. Wir arbeiten ausdrücklich nur mit den großen Firmen der
besten Kategorie A zusammen, die gute Arbeitsbedingungen gewährleisten.
C- und D-Fabriken können für Primark nicht produzieren.
Selbst dann, wenn Mindestlöhne gezahlt
werden, reichen sie häufig nicht zum Überleben. In Bangladesch beträgt
er lediglich um die 50 Euro pro Monat.
Das ist
allerdings der Anfangslohn für einen ungelernten Arbeiter. Qualifizierte
Beschäftigte bekommen mehr. Ohnehin können sie das Lohnniveau natürlich
nicht mit dem in Europa vergleichen. Als ich zuletzt dort war, habe ich
selbst recherchiert: Was kostet das tägliche Leben? Was kostet ein Kilo
Reis? Dabei bin ich zu dem Schluss gekommen, dass der Wert des dortigen
Mindestlohnes gemessen an den Lebenshaltungskosten durchaus mit dem des
deutschen Mindestlohnes vergleichbar ist.
Sie versichern also Ihren Kunden, dass sie bei Primark mit einem ruhigen Gewissen ein T-Shirt für 2,50 Euro kaufen können?
Eindeutig ja. Sie können vorbehaltlos zugreifen.
Und
es macht für die Arbeits- und Lebensbedingungen einer Näherin in
Bangladesch, Indien oder China keinen Unterschied, ob ein Kunde ein
T-Shirt bei Ihnen oder zum Beispiel bei Peek& Cloppenburg für 30
Euro kauft?
Genau so ist das.
Wenn
alles in bester Ordnung ist, warum tritt Primark dann nicht dem
deutschen Textilbündnis von Entwicklungsminister Gerd Müller bei?
Die
Anforderungen dieses Bündnisses erfüllen wir heute schon. Wir sind auch
in ständigem Kontakt mit dem Ministerium. Primark ist aber
international aufgestellt, da wollen wir mehrere nationale Bündnisse
vermeiden. Auch Kanzlerin Merkel hat auf dem G7-Gipfel im vergangenen
Sommer betont, dass ein international abgestimmtes Vorgehen nötig sei.
Dann gelten für alle Beteiligten die gleichen Spielregeln. Wir sind seit
2011 in die höchste Kategorie „Leader“ im Rahmen der internationalen
Ethical Trade Initiative – das ist ein Zusammenschluss von
Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Herstellern – gewählt
worden. Zu diesen fünf Prozent der führenden Unternehmen wird nur
gerechnet, wer nachhaltig und engagiert dazu beiträgt, die sozialen und
ökologischen Standards zu verbessern und dies nachweist. Das tun wir
seit Jahrzehnten.
Ein Vorwurf an Sie
lautet: Durch die billigen Preise machen Sie Textilien zu einem
Wegwerfartikel. Einmal getragen, dann ab in den Mülleimer.
Ich
bin Vater von drei Kindern. Wenn die ihre Sachen von Primark nach zwei
Mal tragen wegwerfen würden, dann gäbe es aber richtig Ärger. Auch wenn
unsere Produkte preiswert sind, so steckt in ihnen doch die Arbeit von
Menschen. Damit muss respektvoll umgegangen werden. Hier geht es um
Werte, die die Eltern ihren Kindern beibringen sollten. Es kann nicht
sein, dass ein günstiger Preis als Rechtfertigung dafür dient, schneller
und gedankenloser zu konsumieren.
Sie sehen sich also hier nicht in einer Verantwortung?
Nein.
Der Vorwurf stimmt auch sachlich nicht. Analysen zeigen, dass viele
unserer Kunden bei Besuchen in unseren Filialen nur wenige
Kleidungsstücke kaufen. Sicher, wir haben auch die Kunden, die schwer
bepackt aus der Filiale kommen. Das ist aber nicht die Regel.
Neben
den niedrigen Preisen kommt Ihnen zugute, dass Primark – im Unterschied
zu Textil-Discountern wie Kik – als cooler Laden gilt.
Wir
haben das nicht gezielt gesteuert. Man kann natürlich versuchen, ein
solches Image durch umfangreiche Werbekampagnen aufzubauen, wie zum
Beispiel andere Markenfirmen das seit Jahrzehnten tun. Wir machen das
aber wie gesagt nicht. Wir haben nur unsere Läden und die Produkte, und
es sind die Kunden, die die Geschichten vom Einkauf bei Primark
weitererzählen und unsere Mode präsentieren, im Freundeskreis oder auch
in den sozialen Netzwerken wie Facebook, Pinterest oder Twitter.
Und darauf verlassen Sie sich?
Natürlich
nicht allein. Unsere Einkäufer beobachten Märkte und Wettbewerber
genau. Taktgeber sind auch die Musik- und die Filmbranche und das
Internet. Und wir nehmen die Anregungen unserer Kunden ernst, mit denen
wir uns austauschen. Wir können sehr schnell auf neue Trends reagieren,
weil wir keine Kollektionen im klassischen Sinn anbieten. Jeden Tag
kommen neue Produkte herein, die die Wünsche der Kunden widerspiegeln.
Dabei scheint es für Primark keine Wachstumsgrenzen zu geben.
Richtig
ist, dass wir in den vergangenen Jahren in Deutschland schnell
expandiert sind. Nach dem Start in Bremen 2009 hat Primark hierzulande
weitere 18 Filialen eröffnet. Im April eröffnet in Leipzig der 20.
Primark. Mannheim, Hamburg und Bonn werden folgen.
Warum betreiben Sie keinen Online-Handel?
Bei
unserer Kostenstruktur rechnet sich das nicht. Das bedeutet aber nicht,
dass wir im Internet nicht präsent wären. Wir zeigen mehr als zwei
Drittel der Angebote auch online. Nur kaufen kann man sie dort nicht,
dazu muss man in unsere Läden gehen. Sehr zum Wohlgefallen von
Kommunalpolitikern übrigens.
Das müssen Sie erklären.
Unsere
Filialen liegen in den Innenstädten und den wichtigsten
Einkaufsgegenden. Davon profitieren benachbarte Geschäfte und damit auch
die Kommunen. Wenn wir Interesse an einer neuen Niederlassung bekunden,
werden wir von den Stadtoberen in der Regel mit offenen Armen
empfangen.
Interview: Timot Szent-Ivanyi und Stefan Sauer