Nach Übergriffen auf junge Frauen in der Silvesternacht ist die Verunsicherung groß. Innenminister Gall will mit einem Sicherheitsplan zeigen, dass die Polizei den Schutz der Bevölkerung gewährleisten kann. Auch Rufe nach schneller Abschiebung werden laut.
Als Konsequenz aus den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht will Innenminister Reinhold Gall (SPD) die Polizeipräsenz erhöhen. Mit mehr Streifen und Videokameras soll das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung gestärkt werden. „Wir dulden keinen Mob in unseren Straßen, der mit sexuellen Gewaltfantasien Frauen bedrängt, sie begrapscht und beklaut“, sagte Gall. Viele Menschen seien verunsichert und hätten Angst. Gall legte am Freitag einen Fünf-Punkte-Plan vor. Zudem gibt es parteiübergreifende Rufe nach einer sofortigen Ahndung der Verbrechen und schnellen Abschiebung ausländischer Täter. Zugleich macht sich die Sorge breit, dass Rechtsextreme Übergriffe zur Stimmungsmache nutzen.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte: „Wir werden keine rechtsfreien Räume dulden, Frauen und Mädchen müssen sich jederzeit, überall und auch nachts frei bewegen können.“ Er sprach sich für eine konsequente Abschiebung von Flüchtlingen aus, wenn diese schwere Straftaten begangen haben oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. „Das entspricht der aktuellen Rechtslage“, sagte Kretschmann.
Innenminister Gall will laut seinem Fünf-Punkte-Programm unter anderem verstärkt mobile Videoüberwachung einsetzen und an Bahnhöfen und im Nahverkehr gemeinsame Streifengänge mit der Bundespolizei veranlassen. Nach langem politischem Hickhack soll das Landespolizeipräsidium auch ein Gesetz zur Einführung von sogenannten Bodycams erarbeiten. Die Schulterkameras für Polizisten waren aus Datenschutz-Gründen bei den Grünen auf Skepsis gestoßen. Zumindest über einen Pilotversuch waren sich Grüne und SPD aber einig geworden. Aus Zeitgründen - die Landtagswahl naht - wurde das Vorhaben aber nicht mehr in Gesetzesform gegossen, wie ein Sprecher der Grünen-Fraktion sagte.
Gall: Debatte könnte Integrationsprozess schaden
In der Silvesternacht hatten sich am Kölner Hauptbahnhof nach Angaben der Polizei aus einer Menge von rund 1000 Männern heraus kleinere Gruppen gelöst, die vor allem Frauen umzingelt, begrapscht und bestohlen haben sollen. Mehrere Verdächtige sind laut Polizei ausländischer Herkunft. Übergriffe gab es auch auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Inzwischen werde 17 Vorfällen nachgegangen, sagte ein Polizeisprecher am Freitag in Stuttgart. Bei rund der Hälfte der Fälle gehe es um sexuelle Belästigung. In der Silvesternacht hatte es eine Festnahme gegeben.
Innenminister Gall befürchtete auch, die Debatte könne dem Integrationsprozess schaden: „Solche Beispiele taugen in der Tat in der Politik insbesondere in den extremistischen und den Randbereichen dazu, Stimmung zu machen.“
Der CDU-Landeschef und Partei-Bundesvize Thomas Strobl sagte: „Die Strafe muss den Taten auf dem Fuße folgen: Deshalb müssen die Strafverfahren unverzüglich durchgeführt werden“. Wer zu Gefängnis ohne Bewährung verurteilt werde, könne kein anerkannter Flüchtling sein und müsse konsequent abgeschoben werden. CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf forderte mehr Polizisten auf den Straßen. „Außerdem müssen wir deren Ausrüstung verbessern. Das fordern wir schon seit Jahren.“
Innenminister sieht organisierte Strukturen
Auch SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid meinte, es müsse die volle Härte des Gesetzes gelten. „Das bedeutet auch, kriminelle Asylbewerber umgehend in ihre Heimat zurückzuschicken.“ Schmid stellte sich hinter die Forderung von SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel. Dieser hatte der „Bild“ gesagt, es gehe nun darum, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuloten, um kriminelle Asylbewerber in ihre Heimat zurückzuschicken.
Gall sieht hinter den Übergriffen und Diebstählen teils auch organisierte Strukturen. „Unter dem Begriff Organisierte Kriminalität werden wir uns dieses Themas sehr intensiv annehmen.“ Der Minister verwies auf einen Vorfall Mitte Dezember in Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen): Dort seien zu einer Techno-Party offensichtlich „Täter marokkanischer Herkunft aus Italien speziell diesbezüglich eingereist“. Es habe mehrere Festnahmen gegeben. „Wir schauen, ob Strukturen dahinter stecken - insbesondere was das Thema Diebstahl angeht und die Masche, die damit verbunden ist.“.
Wie die Staatsanwaltschaft Stuttgart zu den Straftaten bei der Techno-Party erklärte, sitzen drei der Verdächtigen in Untersuchungshaft. Es spreche vieles dafür, dass sie zusammen angereist seien, um Diebstähle zu begehen, sagte der Sprecher der Behörde, Jan Holzner. Allerdings könne man hier nicht von Organisierter Kriminalität sprechen.