Bündnis gegen Fremdenfeindlichkeit - „Leipzig nimmt Platz“ zieht Bilanz – und übt Kritik

Erstveröffentlicht: 
07.01.2016

Das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ zieht nach einem Jahr Legida Bilanz. Neben viel Lob für den breiten gesellschaftlichen Gegenprotest wird auch immer wieder Kritik an Behörden und Polizei laut.

 

Leipzig. „Die Leipziger Erklärung gilt weiter – und wir wollen sie mit neuem Leben füllen“, stellte Irena Rudolph-Kokot vom Netzwerk „Leipzig nimmt Platz“ gleich zu Beginn Pressekonferenz am Donnerstagabend im Werk 2 klar. Man wolle sich weiter mit vielfältigem Protest gegen fremdenfeindliche Aufmärsche in der Messestadt wenden.

 

Teils scharfe Kritik an Behörden und Polizei


Auch und gerade weil sich in den vergangenen Monaten die Teilnehmerzahlen bei den Protesten phasenweise deutlich reduziert haben, sekundierte Saskia Brandt, Vertreterin der Initiative „Legida? Läuft nicht“. Das Phänomen schrieb Brandt neben einer teilweisen Gewöhnung an die wöchentlichen Aufmärsche von Legida auch dem Handeln von Stadt und Polizei zu. So hätten die kommunalen Behörden im Vorjahr durch repressive Auflagen und Routenverlegungen den Protest stellenweise massiv behindert. Zudem habe die Polizei oft unverhältnismäßig reagiert und etwa ohne Anlass Personenkontrollen durchgeführt oder Protestler gar nicht erst zu Kundgebungen vorgelassen.

 

„Der Gegenprotest wird oftmals unverhältnismäßig kriminalisiert“, so Brandt. Es seien sogar Familien abgefilmt worden. Von einem „teilweise unverhältnismäßigen Gewalteinsatz“ ganz zu schweigen. “Das reicht von beschimpfen und bedrohen über schubsen und anschreien bis zu abdrängen und unnötigem Gewalteinsatz.“ Es habe zahlreiche Anzeigen, insbesondere gegen nichtaktivistische, friedliche Teilnehmer gegeben. 

 

Auffällig viele Verfahren


Diesen Beobachtungen bestätigte auch Jürgen Kasek. „Es entsteht teilweise der Eindruck, dass der Protest eigentlich nicht erwünscht ist – ein Widerspruch zu den Aussagen von Polizeipräsident Merbitz.“ Der Rechtsanwalt stellte aber zugleich klar: „Diese Kritik richtet sich nicht pauschal an alle Beamten.“ Trotzdem sei auffällig, dass es auf Seiten der Gegendemonstranten geschätzt mehrere hundert Verfahren wegen Verstößen gegen das Versammlungsrecht gebe – von denen der Großteil allerdings in sich zusammengefallen sei.

 

Weitere Kritik übte Kasek am sächsischen Verfassungsschutz. Der sei in Bezug auf rechtsextreme Umtriebe im Legida-Umfeld „mit Blindheit geschlagen.“ Die Behörde wolle nicht erkennen, dass bei Legida eben auch Rechtsextreme mitliefen. Dabei sei allein die erneut angekündigte Teilnahme der offen rechtsextremen Brigade Halle an den Protesten am kommenden Montag Beweis genug für diese Einschätzung.

 

Mangel an Diskurs


„Sachsen hat ein Problem“, konstatierte die Linken-Politikerin Juliane Nagel. Das von der Landeszentrale für politische Bildung ausgemachte Demokratiedefizit werde immer deutlicher. Es mangele im Freistaat an einer demokratischen Diskurs-Kultur. Außerdem fühlten sich viele Gida-Sympathisanten von der Politik der Landesregierung in ihrer Haltung bestärkt. Diese habe der Bewegung durch ihr Vorgehen, gerade zu Beginn der Proteste, eher noch Rückenwind gegeben. „Ein harter Kern hat sich inzwischen gegen Demokratie und Medien immunisiert und vom Diskurs abgekoppelt“, so Nagels Fazit.

 

Die Politikerin lobte ausdrücklich den breiten gesellschaftlichen Protest in Leipzig, der zudem viel Unterstützung aus der Lokalpolitik erfahre. „Die Stadtspitze zeigt hier klare Kante – anders als etwa in Dresden.“ Trotzdem sei es damit noch nicht getan: „Es muss eine sachsenweite Protestbewegung geben und wir brauchen einen politischen Paradigmenwechsel.“

 

Das Bündnis will sich am kommenden Montag unter dem Motto „Bass statt Hass“ ab 17 Uhr auf dem Augustusplatz zusammenfinden. Anschließend soll ein Demonstrationszug über den nördlichen Innenstadtring zum Richard-Wagner-Platz führen. Zudem hat Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jungs (SPD) für Montag zu einer Lichterkette rund um den Innenstadtring aufgerufen.

Von bfi