[Jena] Bericht zur Störaktion gegen die Einweihungsfeier des Gefahrenabwehrzentrums am 11. Dezember 2015

Es fehlen die Gefangenen!

Am 11. Dezember 2015, vor knapp einem Monat, wurde das neue „Gefahrenabwehrzentrum“ Jena mit großem Tamtam und bei Anwesenheit des thüringischen Innenministers eingeweiht. In Solidarität mit den Gefangenen und gegen die Repression haben ca. 20 Menschen diese Feier gestört. Sie warfen Konfetti, kleine Spruchzettel und Flugblätter (siehe weiter unten) und riefen Slogans wie „Zwangsarbeit im Knast hat in Deutschland Tradition / Solidarität der Gefangenenunion!“, „Gegens Kapital und staatliche Herrschaft / Solidarität der Gefangenengewerkschaft!“, „Wir sind nicht alle / es fehlen die Gefangenen!“ und andere. Im Nachgang hat die lokale Presse die Intervention in ihrer Berichterstattung entweder vollkommen vertuscht oder mit ein-zwei Zeilen abgespeist.

Als sich die Gruppe von „Chaot_innen“ verzog, wurden sie von einem Sicherheitsmann und später einer Bullenwanne verfolgt. Als einige von ihnen das Universitätshauptgebäude (UHG) betreten wollten, gab die Wanne Gas, hätte fast Leute umgefahren und sprang ein fuchsteufelswilder Bulle raus und versuchte, Leute festzunehmen. Einige Personalien wurden festgestellt (Vorwurf „Gefangenenbefreiung“) und es gab schon Vorladungen (Vorwurf „Hausfriedensbruch“).

 

Wir freuen uns über die Dreistigkeit dieser 20 Menschen, in die Höhle des Löwen zu gehen und die selbstherrliche Feier von Bullen, Bundeswehr, Ordnungsamt, Ausländerbehörde, Landesregierung und all den anderen Schweinen zu stören. Das wird wohl der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen „Gefahrenabwehrzentrum“ und all den widerständigen, unangepassten und rebellischen Menschen der Stadt Jena gewesen sein. Wir dokumentieren im Folgenden das Flugblatt der Aktion.

 

 

Kampf der Repression, Freiheit für alle Gefangenen!

 

Mindestens 23 Millionen Euro habt ihr in diesem „Gefahrenabwehrzentrum“ versenkt, um zivile und soziale Behörden mit Sicherheits- und Repressionsorganen zusammenzulegen. Nicht nur Feuerwehr und Rettungsdienst sind hier eingezogen, sondern eben auch Ordnungsamt, Bundeswehr und Polizei samt Arrestzellen, die alle der gewaltsamen Durchsetzung und Aufrechterhaltung der kapitalistischen Herrschaft und der Verwaltung und Kontrolle ihrer desaströsen sozialen Folgen dienen. Zweck des Gefahrenabwehrzentrums ist es, Organe der sozialen Kontrolle und Repression zusammenzuführen, besser zu koordinieren und so effektiver arbeiten zu lassen, sowie die repressive Seite staatlicher Herrschaft zu verschleiern und unangreifbarer zu machen. Indem ihr sie mit zivilen Organen und Aufgaben vermengt, wollt ihr sie normalisieren und der Kritik entziehen. Letztlich macht ihr den Protest gegen Bundeswehr, Polizei und Ordnungsamt unsichtbar und mundtot, wenn wir vor der „Feuerwehr“ und dem „Rettungsdienst“ stehen.

 

Repressionsapparate feiern sich hier selbst, während aus all jenen eine gesellschaftliche Gefahr gemacht wird, die von der Normalität des_der braven Staatsbürger_in abweichen, der_die nicht mit den Erfordernissen der kapitalistischen Hochglanzwelt der Science City klarkommt – seien es Sprayer_innen, Dieb_innen, Schwarzfahrer_innen, Menschen mit alternativen Lebensentwürfen oder andere sozial unerwünschte und unangepasste Menschen. Besonders widerlich ist die Unterbringung der „Ausländerbehörde“ im „Gefahrenabwehrzentrum“. Damit werden all jene, die nicht der Norm der deutschen Biokartoffel entsprechen, pauschal zur Gefahr abgestempelt.

 

Wir lehnen diese Ordnung ab, die Menschen ausgrenzt und - zukünftig ausgehend von diesem „Gefahrenabwehrzentrum“ - mit Repression überzieht. Zu ihr gehört, dass Menschengruppen zum Verstummen gebracht werden und zu Passivität und Ohnmacht gezwungen werden - nötigenfalls durch das Verschwindenlassen und Wegsperren in den Betonkästen des gefängnis-industriellen Komplexes der BRD. Dort werden die besonders renitenten Ausgeschlossenen und Unangepassten, die in der Normalität dieser Gesellschaft als „gemeingefährliche Kriminelle“ gehandelt werden, durch die weitgehende Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit, Kommunikationsmöglichkeiten und Selbstbestimmung nicht nur räumlich von der Gesellschaft getrennt, sondern auch aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein entfernt. So können sie noch effektiver kontrolliert und ausgebeutet zu können, als dies mit dem Rest der Bevölkerung ohnehin schon geschieht.

 

Während es hier Häppchen gibt, kriegen die Gefangenen kein anständiges Essen. Stattdessen leisten sie Zwangsarbeit, aber freilich ohne Mindestlohn. Hier feiern Verbeamtete mit Aussicht auf fette Pensionen, im Knast gibt es nicht mal Rentenanspruch. Mit den Teilen, die die Gefangenen für die deutsche Autoindustrie fertigen, tourt ihr durchs Land, während ihr Leben sich auf wenige Quadratmeter beschränkt. Während ihr die Möbel und den Bürobedarf, den sie produzieren, nutzt, um die Gesellschaft und ihre Widerstände zu verwalten, ersticken sie im Korsett, das ihnen die Gefängnisbürokratie anlegt. Während ihr von Menschenwürde und Resozialisierung sprecht, lernen die Gefangenen die Wahrheit über diese Gesellschaft kennen, nämlich, dass diese für Menschen wie sie nur Verachtung, Ausbeutung, Drangsalierung und Ignoranz bereithält.

 

Doch im Knast formiert sich Widerstand! Seit 2014 gibt es die Gefangenengewerkschaft GG/BO, in der sich Häftlinge aus der ganzen BRD und Österreich auf der Basis gegenseitiger Solidarität und klassenkämpferischer Forderungen organisieren. Am 1. Dezember 2015 haben zahlreiche Gefangene der JVA Butzbach einen Hungerstreik und Bummelstreik in den Knastbetrieben angefangen. Nach Gesprächen mit Abgeordneten des Hessischen Landtags haben sie ihn heute beendet. Auf die erstarkende Gefangenenbewegung reagiert ihr mit Ignoranz und Repression, wir mit Solidarität und Öffentlichkeit! Euer selbstherrliches Feiern kotzt uns an und deswegen halten wir euch die Widerlichkeit dieser Ordnung vor Augen und stören das Spektakel!

 

Gegen eine geknastete Gesellschaft!

 

Solidarität der Gefangenenbewegung!

 

Zwangsarbeit im Knast hat in Deutschland Tradition,

Solidarität der Gefangenenunion!