200 000 Flüchtlinge – Seehofer sucht die Obergrenze

Erstveröffentlicht: 
04.01.2016

In seiner eindrucksvollen Märklin-Eisenbahnlandschaft im Ingolstädter Eigenheimkeller hat sich Horst Seehofer zwei Späße gegönnt. Seine eigenen politischen Stationen in München, Bonn und Berlin sind in Form auffälliger Gebäude dargestellt. Und Angela Merkel dirigiert als Mini-Kanzlerin im Playmobil-Format die seehofersche Spielwelt neben den Gleisen. Seit 2012 steht Merkel in Seehofers digitalisierter und dampfender Eisenbahnwelt. So ist es überliefert. Auch politisch betätigt sich der 66-Jährige seit diesem Wochenende wieder einmal als Anheizer. Und zwar in der Flüchtlingsdebatte.

 

Bis zu 200 000 Flüchtlinge pro Jahr seien für Deutschland „verkraftbar“, sagte der CSU-­Vorsitzende nun, zwei Tage vor der Traditionsklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten in Wildbad Kreuth – und versucht damit, die „Obergrenze“ für Flüchtlinge in Deutschland zu definieren. „Alles, was darüber hinaus geht, halte ich für zu viel.“

 

Angela Merkel und die meisten anderen großkoalitionären Mitstreiter lehnen derartige Obergrenzen ab. Auch SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann reagiert gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, dem diese Zeitung angehört, so, wie es sich Seehofer wohl gewünscht hat: Merkel müsse in der Flüchtlingsfrage die Koa­litionslinie auch gegenüber Seehofer durchsetzen, sagt er. „Richtig ist, dass wir die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge in 2016 deutlich reduzieren müssen. Das ständige Gerede über nationale Obergrenzen hilft dabei ­keinen Schritt weiter.“ Entscheidend sei, sagt Oppermann, dass jetzt gehandelt statt geredet werde. Die Lage der Flüchtlinge in den Krisenregionen müsse verbessert, die EU-Außengrenzen müssten gesichert und Flüchtlingskontingente vereinbart werden. „Das ist die Linie der Koa­lition, die Merkel jetzt auch in den eigenen Reihen und gegen Horst Seehofer durchsetzen muss.“

 

Derart wichtig genommen zu werden ist für Seehofer eine Freude. Eigentlich glaubt er womöglich noch immer, er könne es besser als alle anderen, auch besser als die Riege der Parteifreunde, die sich für seine Amtsnachfolge spätestens 2018 bereithalten. Das gilt allen voran für den poltrigen Markus Söder. Gerade zu Söder hat Seehofer kürzlich gesagt, die Nachfolge werde womöglich „anders geregelt, als manche glauben“.

 

Vielleicht sieht er sich selbst doch noch mal ganz vorn: Als Vizekanzler an Merkels Seite in Berlin, für den Fall, dass die Union 2017 die absolute Bundestagsmehrheit erzielt. Angesprochen auf diese Variante lächelt Seehofer zufrieden und zweideutig.