Welle der Empörung nach Anschlag auf Sachsens Justizminister Gemkow

Erstveröffentlicht: 
25.11.2015
Sonderermittler jagen Steinewerfer nach Angriff auf Privatwohnung / Schutz für Politiker neu bewertet

VON WINFRIED MAHR UND MATTHIAS PUPPE

 

Leipzig. Der nächtliche Anschlag auf die Wohnung des sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow (CDU) hat gestern eine Welle der Empörung ausgelöst. Unbekannte hatten in der Nacht zuvor gegen 2.15 Uhr mehrere Steine in Gemkows Wohnung in der Leipziger Südvorstadt geworfen. Der 37-jährige Politiker, seine Frau und seine beiden kleinen Kinder, die in den attackierten Räumen von berstenden Scheiben und herumfliegenden Pflastersteinen brutal aus dem Schlaf gerissen wurden, blieben laut Polizei unverletzt. Der Versuch, Räume mit Buttersäure unbewohnbar zu machen, scheiterte an bruchfesten Scheiben.

Neben der Spurensicherung wurde das auf politisch motivierte Straftaten spezialisierte Operative Abwehrzentrum (OAZ) hinzugezogen. Augenzeugen berichten auch von eingesetzten Suchhunden. Details zu den Hintergründen der Tat sind bisher noch unklar.

 

„Das ist ein Angriff auf den Rechtsstaat als Ganzes“, kommentierte Gemkow die Tat. „Der Rechtsstaat wird aber längeren Atem haben als diejenigen, die ihn bekämpfen“, so Gemkow. Der gebürtige Leipziger hat unter anderem in der Messestadt Jura studiert und ein Anwaltsbüro eröffnet. Seit 2014 gehört er als Justizminsiter der Landesregierung von Stanislaw Tillich (CDU) an.

 

Innenminister Markus Ulbig (CDU) verurteilte den Angriff auf die Wohnung seines Kabinettskollegen scharf. Am Rande der gemeinsamen Kabinettssitzung der Regierungen Sachsens und Sachsen-Anhalts in Merseburg sagte Ulbig: „Dass solche Anfeindungen nun selbst bis in den Privatbereich und zu den Familien der Verantwortungsträger vordringen, zeigt die gesunkene Hemmschwelle der Kriminellen. Wir werden all unsere rechtsstaatlichen Möglichkeiten entschlossen ausschöpfen, um diesen Gewaltakt zügig aufzuklären.“

 

Christian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, nannte die Tat „ekelerregend, abstoßend und an krimineller Energie kaum mehr zu überbieten“. Auch die anderen Landtagsabgeordnete äußerten sich geschockt: Für Linke-Fraktionschef Rico Gebhardt verdient der Anschlag nur „Verachtung, Verfolgung und Verurteilung“. Wer Verletzungen von Familienangehörigen politisch Verantwortlicher in Kauf nehme, „ist so durchgeknallt, dass er mit allen rechtsstaatlichen Mitteln schnellstmöglich entschärft werden muss“. SPD-Fraktionschef Dirk Panter nannte den Anschlag „zutiefst menschenverachtend“. Claudia Maicher, Leipziger Landtagsabgeordnete der Grünen, sprach von einem „abscheulichen Einschüchterungsversuch gegen unsere demokratische Gesellschaft insgesamt“.

 

Gemkow und seine Familie standen zum Tatzeitpunkt nicht unter Personenschutz. Darunter fallen nach unbestätigten Informationen bisher nur Ministerpräsident Tillich und Innenminister Ulbig. „Bei bestimmten Anlässen könnten auf Weisung des Innenministeriums jederzeit neue Gefährdungsstufen festgelegt und Schutzmaßnahmen auf andere Personen ausgeweitet werden“, erklärte der Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) Tom Bernhardt.

 

Wer in Sachsen besonderen Schutz genießt und in welchem Umfang, will das Innenministerium nicht offenlegen. „Aktuelle Gefährdungslagen wie jetzt in Leipzig wirken sich durchaus auf die Bewertung des Umfangs von Schutzmaßnahmen aus“, räumte ein Ministeriumssprecher ein. Ob das im Falle Gemkow Bodyguards oder Polizeistreifen sein werden, sei Teil des Sicherheitskonzeptes und unterliege der Geheimhaltung, hieß es. Sicherheitsexperten des LKA empfehlen auch den Einbau von Alarmanlagen, Sicherheitsglas, Riegeln, Rollläden oder anderen mechanischen Barrieren. „Inwieweit Minister oder Privatpersonen diesen Ratschlägen folgen, liegt in deren persönlichem Ermessen“, sagt Behördensprecher Bernhardt.