ETA-Verdächtiger nach Frankreich ausgeliefert: Rückkehr zur Haft nach Freiburg denkbar

Der Sonntag: ETA-Verdächtiger nach Frankreich ausgeliefert – Rückkehr zur Haft nach Freiburg denkbar
Erstveröffentlicht: 
22.11.2015

Am Samstag vor einer Woche hatten Freunde und Sympathisanten von Tomás Elgorriaga Kunze noch in der Freiburger Innenstadt demonstriert, diesen Montag aber wurde der im November vergangenen Jahres verhaftete 52-Jährige am Grenzübergang in Kehl an die französischen Behörden übergeben, angeblich soll er nach Paris gebracht worden sein. Von französischer Seite liegen vier Haftbefehle gegen Kunze vor. Nach wie vor wird ihm vorgeworfen, ein hochrangiges Mitglied der baskischen Terror-Organisation ETA gewesen zu sein. Kunze hatte zuletzt mehr als zehn Jahre in Freiburg unter falschem Namen gelebt und an der Universität gearbeitet (Der Sonntag berichtete).


Am Ende hatte sich das Auslieferungsverfahren, das maximal ein paar Wochen dauern soll, dann fast ein Jahr hingezogen. „Die Unterlagen, die aus Frankreich kamen, ließen zunächst kaum eine Entscheidung zu“, sagt Christian Guthmann, Sprecher des Oberlandesgerichts Karlsruhe, das über die Rechtmäßigkeit der Auslieferung zu entscheiden hatte. Also musste nachgefordert, die neu erhaltenen Dokumente schließlich wieder ins Deutsche übersetzt werden. Auch über den Antrag des 52-jährigen, eigentlich die deutsche Staatsangehörigkeit zu haben, musste entschieden werden. In diesem Fall negativ: Er gilt weiter als Spanier.

 

„Eine Auslieferung nach Spanien ist eigentlich ausgeschlossen.“
Christian Guthmann, Sprecher OLG Karlsruhe

 

Angerechnet hat das Karlsruher Gericht allerdings die in Deutschland erworbenen sozialen Bindungen von Elgorriaga Kunze, der in Freiburg unter dem Namen José Gabriel Jiménez lebte – nach Beendigung aller Strafverfahren in Frankreich, so die formulierte Bedingung, muss er seine Strafe in Deutschland verbüßen dürfen. In solchen Fällen, erklärt ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe, wähle man meist eine Vollzugsanstalt nahe des Wohnortes des Verfolgten; dass Elgorriaga Kunze die Haft in Freiburg verbüßen könne, sei also gut möglich.
 
Aus Sicht der Freunde aus Elgorriago Kunzes Umfeld ein Fortschritt: Viele von ihnen halten die Aussagen Kunzes für glaubhaft, 1998 in Spanien als ETA-Verdächtigter verhaftet und dann tagelang gefoltert worden zu sein – eine Praxis, derer Spanien tatsächlich nicht selten bezichtigt worden ist. Die in Karlsruhe festgelegte Möglichkeit, einen Haftort in der Heimat zu wählen, ließe dann aber nicht mehr zu, dass Auslieferungsanträge anderer Länder an Frankreich zum Zuge kämen. „Eine Auslieferung nach Spanien ist eigentlich ausgeschlossen“, sagt Christian Guthmann vom OLG.

Inhaltlich haben die Deutschen die französischen Anschuldigungen nicht geprüft – welche Rolle Tomás Elgorriaga Kunze bei der ETA wirklich spielte, bleibt aus deutscher Sicht weiter offen. JENS KITZLER