Ex-Funktionär des Zentralrats der Juden führt Verfassungsschutz

Stephan Kramer
Erstveröffentlicht: 
20.11.2015

Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz steht wegen des NSU-Skandals in der Kritik. Stephan Kramer, Ex-Generalsekretär des Zentralrats der deutschen Juden, soll den Laden übernehmen.

 

Auf den muss man erst einmal kommen. "Sachen gibt es...", twitterte die linke Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, als die Personalie in Erfurt durchsickerte. Und wohlwollend fügte sie an: "Auch wenn ich den Laden weiter auflösen will, bin ich gespannt." Der Laden ist das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, eine Behörde, die in den vergangenen Jahren meist durch Skandale und Versagen aufgefallen ist, am unrühmlichsten im Fall der Neonazimörderbande NSU, die sich in und um Jena gebildet hatte. Nun hat sich Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) einen Neuen ausgeguckt: Stephan Kramer, der einstige Generalsekretär des Zentralrats der deutschen Juden, soll den Laden übernehmen und auf Vordermann bringen.

Seit mehr als drei Jahren gab es gar keinen Präsidenten mehr, Anfang des Jahres wurde das Amt ins Innenministerium eingegliedert. Der letzte Präsident, Thomas Sippel, war vom damaligen Innenminister Jörg Geibert (CDU) im Juli 2012 in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Der Thüringer Landtag hatte kein Vertrauen mehr in den Mann. Und nun soll ein deutscher Jude demnächst zuständig für die Aufräumarbeiten in einer von der NSU verursachten Trümmerlandschaft sein. Typisch Ramelow.

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Kramer war Anfang 2014 als Generalsekretär des Zentralrats ausgeschieden. Der 1968 in Siegen in Nordrhein-Westfalen geborenen Jurist und Volkswirt hatte das Amt mehr als zehn Jahre inne gehabt. Als Erwachsener war er zum Judentum konvertiert. In seiner Generalsekretärszeit fiel Kramer als Mitglied des Vereins für deutliche Aussprache auf, wie es gerne heißt, wenn jemand Klartext redet und keine Konfrontation scheut.

Ob Neonazis oder Salafisten, Kramer hat mehrfach mitgeteilt, wie wenig er von den einen wie den anderen hält. Der neue Mann gilt nicht nur als scharfzüngig, sondern auch als scharfsinnig. In Erfurt fragt man sich deshalb in Regierungskreisen, auf wen die größere Herausforderung wartet: auf den neuen Chef oder die ramponierte Behörde, die lange Jahre mit Helmut Roewer eine Art Sonnenkönig zum Präsidenten hatte, der Rotweinrunden im Büro abhielt, mit dem Fahrrad zu Demos fuhr, dort selbst fotografierte, der oft barfuß herumlief oder auch als Weltkrieg-Eins-General Erich Ludendorff verkleidet auffiel. Ein langjähriger Geheimdienstmitarbeiter meinte, man könne ihn gar nicht für voll nehmen.

Innere Sicherheit ist in Thüringen also ein politisches Minenfeld und ewige Baustelle: Der amtierende Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) ist der zehnte seit 1990. Der AfD-Fraktion im Erfurter Landtag gefällt der neue Geheimdienstchef überhaupt nicht. "Herr Kramer ist in der Vergangenheit immer wieder als Scharfmacher aufgefallen, der sich durch eine erkennbare Intoleranz gegenüber abweichenden politischen Meinungen hervorgetan hat", kritisierte ihn der Abgeordnete Stefan Möller in der Zeitung Junge Freiheit. Außerdem sei erkennbar, "dass er in Bezug auf die AfD seine Affekte nicht im Griff hat".