Urteil VG Karlsruhe zum Einsatz des Verdeckten Ermittlers Simon Bromma in Heidelberg
VG Karlsruhe Urteil vom 26.8.2015, 4 K 2107/11
Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines Polizeibeamten als Verdeckter Ermittler Leitsätze
1. In der Anordnung des Einsatzes eines Verdeckten Ermittlers nach §
22 Abs. 6 PolG ist das "besondere Mittel" zu bezeichnen und die
Zielperson zu benennen oder zumindest zu umschreiben. In einer
Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen Gründe darzulegen, die
den Anordnungsberechtigten zu der Entscheidung bewogen haben.
2.
Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gebietet es, dass
konkret in der Einsatzanordnung der Name des Verdeckten Ermittlers
aufgeführt wird. Im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes
muss der Betroffene wissen, wer von ihm Daten erhoben hat, um das
Geschehen nachvollziehen zu können.
Tenor 1. Es wird festgestellt, dass
der in Heidelberg gegen den Kläger gerichtete Einsatz des Polizeibeamten
xxx als Verdeckter Ermittler mit dem Decknamen xxx in der Zeit von -
mindestens - April 2010 bis zum 12.12.2010 rechtswidrig war. 2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand
| | | Der Kläger wendet sich gegen den Einsatz eines Polizeibeamten als Verdeckter Ermittler. |
| | Im
Dezember 2010 wurde der Verdeckte Ermittler xxx (im Folgenden: VE), der
unter dem Decknamen xxx mit dem Kläger in Kontakt getreten war,
zufällig „enttarnt“. Der Kläger hat am 08.08.2011 Klage erhoben. |
| | Das
Gericht hat die vollständigen, den Einsatz des VE betreffenden Akten
angefordert. Das Innenministerium Baden-Württemberg gab unter dem
13.12.2011 eine erste Sperrerklärung ab, da es Teile der Vorgänge als
geheimhaltungsbedürftig einstufte. Die zu den Akten gehörenden
Schriftstücke wurden deshalb nur in Kopie mit teilweisen Schwärzungen,
gar nicht oder in Form von weißen Austauschblättern vorgelegt. Mit
Beschluss vom 24.04.2012 legte die Kammer den Antrag des Klägers auf
Entscheidung, ob die Verweigerung der vollständigen Aktenvorlage
rechtmäßig ist, dem zuständigen Fachsenat beim Verwaltungsgerichtshof
Baden-Württemberg vor. Mit Beschluss vom 14.01.2013 - 14 S 928/12 -
stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, dass die Verweigerung einzelner
konkret bezeichneter Aktenseiten rechtswidrig war und lehnte den Antrag
im Übrigen ab. Auf die Beschwerde des Klägers stellte das
Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 20.02.2014 - 20 F 3.13 - die
Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Vorlage weiterer im einzelnen
benannter Aktenseiten fest und wies die Beschwerde im Übrigen zurück.
Unter dem 19.01.2015 gab das Innenministerium Baden-Württemberg eine
erneute Sperrerklärung ab. |
| | In
der dem Gericht vom Beklagten übermittelten teilweise geschwärzten
Kopie der Anordnung der Polizeidirektion Heidelberg - Kriminalpolizei
vom 25.02.2010 wurde - gestützt auf § 22 Abs. 6 PolG - der Einsatz eines
Verdeckten Ermittlers für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.05.2010
verfügt zur: |
| | 1. Datenerhebung nach § 22 Abs. 3 Alt 1 PolG |
| | zur
Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person
sowie für bedeutende Sach- und Vermögenswerte vom Verursacher |
| | 2. Datenerhebung nach § 22 Abs. 3 Alt 2 PolG zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung: |
| | Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie |
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sich gegen das
Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen
oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten |
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auf den
Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der
Geld- oder Wertzeichenfälschung oder des Staatsschutzes (§§ 74 a und 120
GVG) begangen werden |
| | zur Erhebung von Daten von in Nr. 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 genannten Personen: |
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• |
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Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen |
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• |
|
Kontakt- oder Begleitpersonen einer der in Nr. 1 genannten Personen |
| | Der
Kläger wurde in der Anordnung als eine der Personen genannt, auf die
sich die Datenerhebung bezieht. Weitere Anordnungen ergingen unter dem
23.06.2010 für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 31.08.2010, unter dem
26.08.2010 für den Zeitraum vom 01.09.2010 bis 30.11.2010 und unter dem
26.11.2010 für den Zeitraum vom 01.12.2010 bis 28.02.2011. Der Einsatz
des VE wurde nach dessen Enttarnung im Dezember 2010 beendet. |
| | Zur
Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor: Er sei Angestellter in
einem Copy-Shop und lebe in Heidelberg. Kennengelernt habe er den VE
Ende Mai 2010 auf dem sogenannten Campus-Camp an der Universität
Heidelberg. Der VE habe möglicherweise an einem Kletterworkshop
teilgenommen, er - der Kläger - sei an einem Workshop zum Thema
Rechtshilfe beteiligt gewesen. Auf den VE sei er wiederholt im
alternativen Café xxx in Heidelberg getroffen, wo es auch mehrfach zu
Gesprächen gekommen sei. Einmal habe ein anderer Besucher ein „lustiges“
Passfoto in seinem Ausweis herumgezeigt. Daraufhin hätten alle
Anwesenden ihre Passfotos untereinander verglichen, so dass der VE
unverfänglich Einsicht in alle Ausweise bekommen habe. Anfang November
2010 sei es zu Protesten gegen das sogenannte Heldengedenken auf dem
Heidelberger Ehrenfriedhof gekommen, woran auch er - der Kläger -
teilgenommen habe. Gegen diese Kundgebung sei für ihn und andere
überraschend ein völlig überzogener Polizeieinsatz erfolgt. Zwei Tage
vorher habe man im Beisein des VE über diese Aktion gesprochen. Es müsse
davon ausgegangen werden, dass dieser falsche Informationen an seine
Dienststelle weitergegeben habe. Am 12.12.2010 sei der VE zufällig
enttarnt worden. Einige Betroffene, darunter auch er - der Kläger -,
hätten ihn zu Rede gestellt. Dabei habe der VE angegeben: Ihm sei der
Kläger als eine Zielperson seines Einsatzes genannt worden. Er hätte
gegen ihn ermitteln sollen, ebenso gegen Kontaktpersonen und das Umfeld.
Zielperson im weiteren Sinn sei die Antifa in Heidelberg, dabei die
Antifaschistische Initiative Heidelberg als gefügte Struktur. Für den
Einsatz sei er geschult worden, unter anderem mit Organigrammen von
„linken“ Gruppen in Heidelberg, so zum Beispiel der Kritischen
Initiative oder des Forums für kritische Theorie und Wissenschaft. Im
Laufe der Zeit habe er dann von allen Leuten, von denen er es gewusst
habe, Namen und Gruppenzugehörigkeiten und Detailinformationen
weitergegeben an das Landeskriminalamt und an zwei Beamte der Abteilung
Staatsschutz bei der Polizeidirektion Heidelberg. |
| | Die
angefochtene Verfügung habe sich durch Zeitablauf erledigt, die Klage
sei aber als sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Er -
der Kläger - habe ein berechtigtes Interesse an der beantragten
Feststellung. Es bestehe Wiederholungsgefahr. Er wolle auch in der
Zukunft beispielsweise sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausüben.
Dabei wolle er „staatlich unbeobachtet“ bleiben. Die Verfügung,
verdeckte Ermittlungen aufzunehmen bzw. der Einsatz des verdeckten
Ermittlers selbst sei rechtswidrig und verletze ihn - den Kläger - in
seinen Rechten. Sie greife erheblich in die Grundrechte auf Achtung der
Menschenwürde, der Willens- und Handlungsfreiheit und der
informationellen Selbstbestimmung, der freien Meinungsäußerung, der
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie die Unverletzlichkeit der
Wohnung ein. |
| | Die
Maßnahme sei offenbar gestützt auf § 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG. Es sei nicht
erkennbar, dass er Störer im Sinne des Polizeirechts sein könnte.
Ebenso wenig sei erkennbar, dass bei ihm tatsächliche Anhaltspunkte
dafür vorgelegen hätten, dass er künftig Straftaten mit erheblicher
Bedeutung begehen könnte oder Kontakt- oder Begleitperson einer Person
sein könnte, die solche Straftaten begehen wollte. Der Beklagte habe
pauschal angegeben, man habe Zielpersonen der
antifaschistischen/anarchistischen Szene in Heidelberg und
Kontaktpersonen im Auge gehabt. Als einziger tatsächlicher Anhaltspunkt
sei ein Zufallsfund von sieben sogenannten Molotow-Cocktails im Rahmen
eines strafprozessualen Vorgangs erwähnt worden, in einem Ort, der etwa
50 km von Heidelberg entfernt liege; diese Begründung sei vorgeschoben.
Aus sich heraus erkläre sie nicht den Einsatz eines VE gegen ihn. Der VE
selbst habe angegeben, er sei eingesetzt gewesen, um politisch linke
Gruppen in Heidelberg zu beobachten, Ziel sei die Antifaschistische
Initiative Heidelberg gewesen. Er habe generell über Personen, die er
kennengelernt habe, sowohl dem LKA als auch der Abteilung Staatsschutz
der Polizeidirektion Heidelberg berichtet und auch „Personenakten“
angelegt. |
| | Die
Einsatzanordnung habe sich, wie anhand der weniger geschwärzten Akte
erkennbar sei, gegen ihn und xxx als Zielpersonen sowie gegen xxx und
xxx als Kontaktpersonen gerichtet. Von ihm - dem Kläger - sei bei der
Polizei bekannt gewesen, dass er bis dahin zweimal zur Anzeige gelangt
gewesen sei, einmal im Juni 2003 wegen eines Vorfalls in Schwäbisch
Hall, in dessen Folge er wegen Widerstands und Diebstahls zu einer
Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden sei. Dieser Vorfall
lasse nicht den Schluss auf die Gefahr der Begehung weiterer erheblicher
Straftaten zu. Das Gleiche gelte für den einzigen weiteren Vorfall, der
aufgelistet sei. Dort sei im Zusammenhang mit einer Flugblattaktion in
einem Hörsaal der Uni Heidelberg Anzeige gegen ihn wegen übler Nachrede
erstattet worden. Auch hier sei nicht nachvollziehbar, wie dieser
Vorfall herhalten könne für eine „schwerkriminelle“ Prognose betreffend
seine Person. |
| | Die
weiteren „Aktionen im Bereich des Antifaschismus“, die aufgelistet
würden, seien zwar teils neueren Datums, in Bezug auf den Zeitpunkt der
Einsatzanordnung erreichten sie aber noch nicht einmal strafrechtliche
Relevanz. Was bleibe, sei - allein aber nicht von ausreichendem Gewicht
für eine Einsatzanordnung - der Vorhalt, dass er auf einer Demonstration
in Sinsheim am 19.09.2009 engeren Kontakt mit der weiteren
Kontaktperson xxx als verantwortlichem Leiter dieser Demonstration
gehabt haben soll. Welcher Natur diese Absprachen gewesen sein sollen
und was mit räumlicher Nähe zueinander ausgedrückt oder vorgeworfen
werden soll, erschließe sich nicht. Erhebliche Straftaten, die
verhindert oder denen vorgebeugt werden müssten, ließen sich daraus
nicht ableiten. Die Polizei selbst ziehe hier auch keine Verbindung zu
dem weiteren Vorgang, der den Vorwurf des unerlaubten Waffenbesitzes
gegenüber der Kontaktperson xxx beinhaltete, weil bei xxx im Keller des
Hauses, in dem dieser gewohnt habe, sieben sogenannte Molotow-Cocktails
gefunden worden seien. Dieser - singuläre - Vorgang sei nicht geeignet,
die Einsatzanordnung zu begründen. Was die Kontaktperson xxx betreffe,
so werde nicht deutlich, warum xxx einerseits als Kontaktperson, er -
der Kläger - andererseits als Zielperson eingestuft werde. Der einzig
schwerer wiegende Vorfall sei der unerlaubte Waffenbesitz, und dieser
werde xxx zugerechnet. Daneben bleibe festzuhalten, dass ein Kontakt von
ihm als Zielperson mit der anderen Zielperson xxx gar nicht belegt
werde. xxx sei in erster Linie im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln
polizeilich in Erscheinung getreten; unabhängig davon sei aber die
Vermutung, dass jemand polizeilich in Erscheinung treten werde, keine
ausreichende Prognose für den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers, wofür
die Begehung schwerer Straftaten in Rede stehen müsse. Was nach allem
übrig bleibe, sei offenbar allein die Tatsache, dass er anlässlich der
erwähnten Demonstration in Sinsheim mit der Kontaktperson xxx und der
weiteren Kontaktperson xxx zusammen gestanden habe, wobei die
Kontaktperson xxx Molotow-Cocktails besessen haben soll, in einer
Wohnung in xxx, weitab von Heidelberg, und dass deshalb der Einsatz
eines verdeckten Ermittlers an der Universität Heidelberg zur
„Aufhellung“ der gesamten „Szene“ gewünscht gewesen sei. Dies reiche für
eine Einsatzanordnung nicht aus. |
| | Ebenso
unzulässig seien die weiteren Verlängerungen der Einsatzanordnung.
Insbesondere seien hier jeweils ganz offensichtlich keinerlei
Erkenntnisse des inzwischen tätigen VE eingeflossen, die über die
bisherigen Erkenntnisse der Polizei hinausgingen. Zudem sei der VE nicht
in den Grenzen der Einsatzanordnung(en) geblieben. Er habe auch, wie er
selbst anlässlich seiner Enttarnung angegeben habe, zu einer Reihe von
Personen „Personenakten“ geführt. |
| | Im
Übrigen sei § 22 Absatz 3 Nr. 2 PolG in Verbindung mit § 20 Absatz 3
Nr. 2 PolG verfassungswidrig. Das Gesetz ermögliche weitreichende
Grundrechtseingriffe gegen Personen, bei denen sogenannte „tatsächliche
Anhaltspunkte“ vorlägen, dass „sie künftig Straftaten begehen“ sowie
gegen deren „Kontakt-“ und „Begleitpersonen“ und ein großes Umfeld an
weiteren Menschen. Die Landesnormen seien bei Übertragung der vom
Bundesverfassungsgericht zur Telekommunikationsüberwachung entwickelten
Grundsätze zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten verfassungswidrig.
Zur Möglichkeit der Gefahrenabwehr habe das Bundesverfassungsgericht
bei intensiven Grundrechtseingriffen festgestellt, dass eine konkrete
Gefahr für besonders hochwertige Rechtsgüter vorliegen müsse. Die Norm
des § 22 Absatz 3 Nr. 2 PolG enthalte keine hinreichenden
Einschränkungen. |
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| | festzustellen,
dass der in Heidelberg gegen ihn gerichtete Einsatz des Polizeibeamten
xxx als Verdeckter Ermittler mit dem Decknamen xxx in der Zeit von -
mindestens - April 2010 bis zum 12.12.2010 rechtswidrig war. |
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| | Zur
Begründung trägt er vor: Die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und die
jeweiligen Verlängerungen seien rechtmäßig und fänden ihre
Rechtsgrundlage in § 22 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG. Im Jahr 2009 sei
bundesweit und auch in Heidelberg ein weiterer Anstieg der Fallzahlen im
Bereich der politisch motivierten Kriminalität festzustellen gewesen,
insbesondere im Bereich der linksmotivierten Straftaten. Für den Bereich
Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis sei durch die Polizeidirektion Heidelberg
der Einsatz Verdeckter Ermittler angeordnet worden; der Einsatz habe
sich ausschließlich gegen Personen der linksextremistischen Szene
gerichtet, die entsprechenden Gruppierungen nahegestanden hätten bzw.
deren Führungspersonal zuzurechnen gewesen wären. Zwei dieser
Gruppierungen seien die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD)
und die Anarchistische Initiative Kraichgau-Odenwald (AIKO). Ein Ziel
der beiden Gruppen sei die Bekämpfung des Faschismus insbesondere in
Heidelberg und Umgebung, da nach Auffassung dieser Gruppen diese
Bekämpfung auf staatlicher Seite nicht energisch genug betrieben werde.
Im Zuge dieser Bekämpfung werde auch die Konfrontation mit rechten
Gruppierungen und einzelnen rechts stehenden Personen gesucht.
Ausgangspunkt für die im Raum Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis verstärkt
festzustellende Rechts-Links-Konfrontation sei eine erste
Auseinandersetzung in Mauer im Juli 2009 gewesen, in deren Folge es zu
weiteren Ereignissen gekommen sei und zwar am: |
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04.07.2009: Ein
Angehöriger der rechten Szene habe für diesen Tag eine Demonstration
mit dem Thema: „Härtere Strafen für Kinderschänder“ in Mauer angemeldet.
Ein starkes bürgerliches Lager habe unter Beteiligung von Personen aus
der linken Szene den Aufzug verhindert. |
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19.09.2009: Bei
dem Veranstalter der Demonstration der linken Szene unter dem Thema
„Rock gegen Rechts, Keine Nazis in Sinsheim und überall“ habe es sich um
ein damaliges Mitglied der AIKO gehandelt. Eine Konfrontation zwischen
Mitgliedern der linken und rechten Szene habe dadurch verhindert werden
können, dass Personen aus dem rechten Bereich, die offensichtlich die
Versammlung hätten stören wollen, durch Polizeibeamte mit Platzverweisen
belegt worden seien. |
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12.03.2010:
Durch einen Rechtsextremisten sei eine rechte Demonstration in Sinsheim
mit dem Thema: „Härtere Strafen für Kinderschänder hier und überall“
angemeldet worden. Es hätten ca. 45 Personen aus dem rechten Spektrum
teilgenommen. |
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22.07.2010:
Eine Person der rechten Szene habe für diesen Tag eine Demonstration in
Sinsheim unter dem Motto „Gegen Linke, kommunistische, anarchistische
Gewalt und Terror in der BRD und im Kraichgau“ angemeldet. Nach einem
Kooperationsgespräch mit der Stadtverwaltung Sinsheim und der
Polizeidirektion Heidelberg sei die Versammlung abgesagt worden. |
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24.07.2010: Für
diesen Tag habe ein Mitglied der AIKO eine Demonstration mit dem Thema
„Kraichgau nazifrei, gegen das Totschweigen von Stadt und Staat“ in
Sinsheim angemeldet. Die Stadtverwaltung Sinsheim habe die Versammlung
verboten und dies mit der Persönlichkeit des Anmelders und
Versammlungsleiters begründet sowie mit der militanten Werbung für diese
Demonstration. U. a. sei auf der Homepage der AIKO der Slogan zu lesen
gewesen: „Lasst uns den Nazis zeigen, dass wir uns nicht einschüchtern
lassen!!! Bildet Banden“; es sei mit einem Flyer geworben worden, auf
dem ein Vermummter abgebildet gewesen sei, der eine Zwille abgeschossen
habe. |
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29.07.2010: Es
sei eine Demonstration der rechten Szene in Sinsheim angemeldet worden.
Die Stadtverwaltung Sinsheim habe ein Versammlungsverbot wegen zu
erwartender erheblicher Störungen der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung erlassen. |
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18.09.2010: In
Sinsheim-Hoffenheim habe eine rechte Demonstration mit
Gegendemonstration des bürgerlichen und linken Lagers stattgefunden.
Aufgrund der hohen Anzahl von Gegendemonstranten seien die Anhänger der
rechten Szene an der Durchführung des Aufzuges gehindert worden. Am
gleichen Tag habe eine durch ein Mitglied der AIKO angemeldete linke
Demonstration in Sinsheim stattgefunden. Aufgrund der Demonstration in
Hoffenheim sei die Teilnehmerzahl in Sinsheim nur gering gewesen. |
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27.11.2010: Für
diesen Tag sei eine Demonstration in Sinsheim-Hoffenheim durch eine
Person der rechten Szene aus dem örtlichen Bereich angemeldet worden
unter dem Motto: „Gegen Repression und Staatswillkür, für wahre
Meinungsfreiheit“. Es sei wiederum zu einer Gegendemonstration des
bürgerlichen Lagers und massiven Protesten und Störaktionen der linken
Szene an der Aufzugsstrecke gekommen. |
| | Zu
der bereits erwähnten, von einem Mitglied der AIKO veranstalteten
Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim sei durch die Antifaschistische
Initiative Heidelberg (AIHD) ein Internetaufruf in militanter Art und
Weise zur Teilnahme an der Demonstration erfolgt: „Rechte Strukturen
aufdecken und angreifen! Konsequent gegen die polizeiliche Politik des
Herunterspielens und Totschweigens! Nazis entgegentreten auf allen
Ebenen, mit allen Mitteln.“ Neben weiteren Anhaltspunkten sei auch
dieser Aufruf Beleg zumindest für eine Zusammenarbeit, wenn nicht sogar
für eine Verflechtung der beiden Gruppierungen. |
| | Am
04.11.2009 sei im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens
wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eine
Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten der „Anarchistischen Initiative
Kraichgau/Odenwald“ (AlKO) in xxx durchgeführt worden. Dabei seien u.a.
sieben gebrauchsfertige Brandsätze (Molotow-Cocktails) sichergestellt
worden. Nach Einlassungen eines damaligen Betroffenen seien diese
Brandsätze zur „Verteidigung gegen Faschisten“ hergestellt worden. Wegen
der besonderen Gefährlichkeit von Molotow-Cocktails habe der
Gesetzgeber alleine schon deren Herstellung unter Strafe gestellt. Mit
Bekanntwerden dieser weiteren Fakten habe die Polizeidirektion
Heidelberg davon ausgehen müssen, dass es in ihrem Dienstbezirk Personen
gebe, die aus politischen Motiven funktionsfähige Brandsätze
herstellten und nach eigener Aussage auch bereit seien, diese gegen
Dritte einzusetzen. Seit dem Auffinden der Brandsätze habe die PD
Heidelberg von einer konkreten, andauernden Gefahrenlage ausgehen
müssen, da mit einem erneuten Herstellen solcher Brandsätze jederzeit zu
rechnen gewesen sei. Weiter sei nach Auffinden der Brandsätze bei der
AIKO die Herstellung der Brandsätze im Kontext zu den oben aufgelisteten
Ereignissen zu sehen gewesen. Es habe damit gerechnet werden müssen,
dass das Herstellen der zufällig aufgefundenen Molotow-Cocktails von den
Verantwortlichen als Vorbereitungshandlung für konkrete, in naher
Zukunft geplante und überwiegend gegen Personen des rechten Spektrums
gerichtete Straftaten von erheblicher Bedeutung gedacht gewesen sei. Ein
weiterer Beleg einer konkret vorhandenen Gewaltbereitschaft sei auch
die Ankündigung der AIHD, mit „allen Mitteln“ rechte Strukturen
angreifen zu wollen. Darüber hinaus habe es Erkenntnisse gegeben, dass
sich eine spätere Zielperson Ende des Jahres 2009 auch
überregional/bundesweit an Aktionen beteiligt gehabt habe. Gegen diese
Person seien sowohl im südbadischen Bereich als auch in Norddeutschland
Strafverfahren eingeleitet worden. |
| | Aufgrund
dieser Erkenntnisse sei es zur Anordnung von Verdeckten Ermittlern
gekommen. Die Maßnahmen hätten sich gegen namentlich benannte Personen
aus dem geschilderten Umfeld gerichtet, darunter auch gegen den Kläger. |
| | Bei
der Anordnung der Maßnahme sei insbesondere berücksichtigt worden, dass
das Herstellen der als extrem gefährlich einzustufenden
Molotow-Cocktails aus „politischen Motiven“ heraus erfolgt sei. Die
Persönlichkeit der Personen, deren Beweggründe und ihre Motivation
hätten nach kriminalistischer Erfahrung unter einem anderen Blickwinkel
prognostiziert werden müssen als beispielsweise die Handlungen eines
(Allgemein-)Kriminellen. Dabei sei gerade die Herstellung und das
gebrauchsfertige Bereithalten der Molotow-Cocktails ein wesentlicher
Fakt für die Prognose einer ansteigenden Eskalationstendenz hin zur
Gewalt gewesen. Es hätte davon ausgegangen werden müssen, dass die
Hemmschwelle zur Gewaltanwendung (mittlerweile) sehr niedrig gewesen sei
und schwerste, bis hin zu tödlich verlaufenden Verletzungen und
erhebliche Sachschäden gegenüber politisch Andersdenkenden, wenn nicht
sogar angestrebt, so doch zumindest billigend in Kauf genommen würden.
Die anordnende Dienststelle habe nach dem zufälligen Auffinden der
Molotow-Cocktails weiter davon ausgehen müssen, dass die bisherigen
polizeilichen Maßnahmen unzureichend und zu wenig effektiv gewesen
seien. Die fortdauernde Gefahr habe sich gerade auch aus einer
defizitären Erkenntnislage ergeben. Angesichts einer anhaltenden
Rechts-Links-Konfrontation im Raum Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis habe
zwingend ein Aufklärungsbedürfnis zur weiteren Erforschung der konkret
vorliegenden Gefahrenlage bestanden. Im Übrigen dürften nach der
ständigen Rechtsprechung gerade beim Schutz besonders hochwertiger
Rechtsgüter wie der körperlichen Unversehrtheit von Menschen die
Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht
überspannt werden. |
| | Es
liege auf der Hand, dass sich links-politisch motivierte Gefahren wegen
einer intensiven szenentypischen Abschottung insbesondere gegenüber den
Ermittlungsbehörden nicht mit einfachen Maßnahmen der Datenerhebung
ergründen ließen. Was sich im Detail zwischen den Führungspersonen der
AIHD und der AIKO abgespielt habe, bliebe der Polizei verborgen. Im
vorliegenden Fall sei nur noch der Einsatz Verdeckter Ermittler Erfolg
versprechend gewesen. Andere, weniger eingriffsintensive Maßnahmen seien
nicht tauglich gewesen. |
| | Der
Einsatz sei in der Einsatzanordnung hinreichend konkretisiert worden.
Es sei im Einzelnen festgelegt worden, welche Personen zu beobachten
seien. Der Kläger sei unter diesen Personen gewesen. Bei Abwägung
zwischen den zu erwartenden Nachteilen für die nur mittelbar Betroffenen
und dem angestrebten Zweck der Maßnahme (Abwehr von konkreten Gefahren
aus der Sphäre der AIHD und der AIKO) sei der Einsatz Verdeckter
Ermittler angemessen gewesen. Bei einem solchen Einsatz sei es
unvermeidlich, dass der Verdeckte Ermittler auch mit Personen in Kontakt
komme, die sich im Umfeld der zu beobachtenden Personen bzw.
Gruppierungen aufhielten. Es liege auf der Hand, dass der Verdeckte
Ermittler in einem solchen Fall seine wahre Identität nicht preisgeben
und diese Kontaktperson über seinen Auftrag informieren könne. Im
Übrigen werde darauf hingewiesen, dass auch der Landesbeauftragte für
den Datenschutz den hier in Frage stehenden Einsatz eines Verdeckten
Ermittlers in Heidelberg überprüft habe. In seinem 30.
Tätigkeitsbericht, der am 12.12.2011 veröffentlicht worden sei, führe er
unter Ziffer 2.7 (S. 108 ff., 111) u.a. aus: |
| | „Einzelheiten
des Falles kann ich wegen der von Seiten des Landeskriminalamts
verfügten Geheimhaltung an dieser Stelle nicht ausbreiten, eines lässt
sich nach einer Kontrolle der in diesem Fall angelegten Akten
festhalten: Die Mängel, die in den 90er Jahren festgestellt wurden,
waren nunmehr aufgrund der generellen Regelungen des Innenministeriums
einerseits und durch eindeutige Anordnungen im konkreten Fall
andererseits behoben. Jedenfalls ergab sich aus den Akten, dass es nicht
um das Ausspähen einer bestimmten politischen Szene - wie in der
Öffentlichkeit vermutet - ging. Das wäre auch eher eine Aufgabe des
Landesamts für Verfassungsschutz gewesen. Vielmehr sollten Daten
bestimmter Personen in ihren gesetzlich präzisierten Rollen erhoben
werden. Jedoch kann die Befugnis des Verdeckten Ermittlers, mit einer
anderen Identität als seiner eigenen in dem Umfeld der betroffenen
Personen zu agieren, den Eindruck nicht vermeiden, dass auch dieses
Umfeld ausgekundschaftet werden soll. Dass ein Verdeckter Ermittler
aufgrund der Einsatz form zwangsläufig eine Vielzahl Kontakte zu anderen
Personen hat, wurde in den gesetzlichen Voraussetzungen durch die
Formulierung in § 22 Absatz 4 PolG berücksichtigt. Es ist verständlich,
dass ein Verdeckter Ermittler alles vermeiden sollte, was zu einer
Enttarnung führen könnte. Allerdings ist das Verbot der Begehung von
Straftaten, das bei dem Einsatz stets beachtet werden muss, auch in der
erwähnten Verwaltungsvorschrift ausdrücklich festgehalten. |
| | Soweit
sich dies anhand der Akten beurteilen ließ, dürften die gesetzlichen
Voraussetzungen sowohl hinsichtlich der Personen als auch hinsichtlich
der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung
erfüllt gewesen sein. Daher konnte ich gegen diese Maßnahme keine
durchgreifenden datenschutzrechtlichen Bedenken geltend machen. Dabei
kann es nicht darauf ankommen, dass Straftaten tatsächlich verhindert
wurden, das würde bei einem gescheiterten Einsatz wie hier sonst
automatisch zur Rechtswidrigkeit des Einsatzes führen.“ |
| | Hierauf erwidert der Kläger: |
| | Der
VE selbst habe, anlässlich seiner Enttarnung zur Rede gestellt,
gegenüber Betroffenen angegeben: „Ich habe Datensätze angelegt“. Hierbei
habe er mindestens auch die Kläger in den Parallelverfahren xxx und xxx
namentlich genannt. Zudem habe er insoweit auch alle Mitglieder der
Kritischen Initiative einbezogen, also auch den Kläger. Die Klägerin des
weiteren Parallelverfahrens xxx sei zudem vom Landeskriminalamt darüber
unterrichtet worden, dass sie Betroffene des Einsatzes des VE gewesen
sei. Ihre Daten seien durch diesen im Rahmen einer nicht angemeldeten
Versammlung erhoben worden. Hieraus werde deutlich, dass nicht nur die
möglicherweise allein in der Einsatzanordnung genannte(n) Zielperson(en)
Ziel des Einsatzes gewesen seien, sondern (spätestens) im Laufe des
Einsatzes weitere Personen zu Zielpersonen geworden seien, jedenfalls
aber von ihnen Daten durch den Verdeckten Ermittler erhoben worden
seien. Dieser habe beispielsweise zudem von ahnungslosen Betroffenen
Mailadressen bekommen und diese auch genutzt. Er habe den Mailverteiler
der Kritischen Initiative erlangt, darin seien Mailadressen weiterer
Kläger enthalten. Es sei klar, dass er diese Daten auf seinem Laptop
oder PC gespeichert habe. Auch damit habe bereits eine unzulässige
polizeiliche Datenerhebung und -speicherung stattgefunden. |
| | Der
Beklagte beziehe sich zunächst auf eine angeblich deutliche Zunahme von
linksmotivierten Straftaten im Jahre 2009, auch in Heidelberg. Dies sei
tatsächlich nicht der Fall. Vorliegend gehe es um den Einsatz eines
Verdeckten Ermittlers in und im Umfeld der Universität Heidelberg. In
der Klageerwiderung versuche der Beklagte, diesen Bezug herzustellen mit
von ihm so genannten Rechts-Links-Konfrontationen im Raum
Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis. Dazu würden zwei Vorgänge im Jahre 2009
und sechs Vorgänge im Jahre 2010 aufgelistet. Das fange an mit einer
geplanten Demonstration der rechten Szene mit NPD-Bezug zum Thema
„Härtere Strafen für Kinderschänder“ in Mauer und höre auf mit einer
Demonstration in Sinsheim-Hoffenheim, angemeldet durch eine Person der
rechten Szene, wobei es wiederum „zu einer Gegendemonstration des
bürgerlichen Lagers und massiven Protesten und Störaktionen der linken
Szene an der Aufzugsstrecke“ gekommen sein soll. Gefahren, denen
polizeilich begegnet werden müsste, seien hier nicht erkennbar. Die
„Störaktionen“ seien nicht näher bezeichnet. Dass es zu „massiven
Protesten“ komme, wenn die Neonazi-Szene marschiere, bewege sich auf dem
Boden der Versammlungsfreiheit. Die anderen gelisteten Vorgänge seien
von ähnlicher Irrelevanz. Kein einziger Vorgang werde für Heidelberg
selbst gelistet. Wie der Beklagte aus dieser Zusammenstellung „Tendenzen
für eine Gewalteskalation“ festgestellt haben wolle, erschließe sich
nicht. Es möge im Internet einen möglicherweise militanten Aufruf der
linken Szene im August 2009 gegeben haben. Durch die nachfolgenden
Ereignisse von September 2009 bis November 2010 habe sich aber diese
angebliche Militanz in keiner Weise realisiert. |
| | Der
Beklagte versuche, den fehlenden Bezug zu Heidelberg durch eine
vermutete Zusammenarbeit der beiden Gruppierungen AlKO
(Antifaschistische Initiative Kraichgau Odenwald) und AIHD
(Antifaschistische Initiative Heidelberg) herzustellen. Der Bezug solle
darin bestehen, dass die AIHD (auch) zu der Demonstration in Sinsheim am
19.09.2009 in angeblich militanter Weise aufgerufen haben soll. Aus
einem solchen Aufruf eine Zusammenarbeit abzuleiten, bedürfe schon
einiger Phantasie. Als erhebliche Straftat werde ein unerlaubter
Waffenbesitz Anfang November 2009 angeführt. Hier werde vom Beklagten
vorgetragen, anlässlich einer Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten der
AIKO seien sieben Brandsätze (Molotow-Cocktails) sichergestellt worden.
Richtig sei allein, dass es gegen eine Person einen Verdacht wegen
Drogenhandels gegeben habe; in diesem Zusammenhang seien deren privaten
Räume in einem Wohnhaus in xxx durchsucht worden, außerdem der Keller,
in dem dann die sieben Flaschen mit Heizöl-Benzin-Gemisch aufgefunden
worden seien. Es möge sein, dass im Internet die betreffende Anschrift
auch als Adresse der AIKO angegeben gewesen sei. Dies sei aber ganz
offensichtlich nur eine pro-forma-Adresse gewesen. Es habe allerdings im
Haus Räume eines Vereins xxx gegeben, die auch durchsucht worden seien.
Der Betroffene habe damals auf Befragen angegeben: „Die
Molotow-Cocktails (seien) zur Verteidigung gegen Nazis hergestellt
worden ... Immerhin ist mein Hund vergiftet worden und es wurden vier
Angriffe gegen uns von Nazis geführt und es wurde versucht, uns zu
überfahren“. Die Demonstration am 19.09.2009 habe auch ein Protest gegen
den Tod des Hundes sein sollen. Der Protest gegen den Tod des Hundes
und andere Ereignisse sei über eine (friedliche) Demonstration
„transportiert“ worden. Die Brandsätze seien durch die Polizei
sichergestellt und unschädlich gemacht worden. Neue Brandsätze seien
weder bei den späteren gelisteten Demonstrationen noch sonstwo
eingesetzt worden. Der Betroffene habe im Strafverfahren auch angegeben,
dass er mittlerweile aus der linken Szene ausgestiegen sei. |
| | Der
VE sei auch in dem Protestcamp in Brüssel eingesetzt worden. Dieser
Vorgang habe vom Thema her und auch sonst mit der nun vom Beklagten
vorgetragenen angeblichen eskalierenden Rechts/Links-Konfrontation im
Rhein-Neckar-Kreis und antifaschistischen Aktionen der AIKO und der
AIHD, die den Einsatz veranlasst haben sollen, überhaupt nichts zu tun.
Zweifelhaft sei auch, ob sich überhaupt eine Ziel- oder Kontaktperson in
Brüssel aufgehalten habe. Mindestens an diesem Vorgang werde deutlich,
dass weit mehr Menschen zu Ziel- oder Kontaktpersonen geworden seien,
als der Beklagte zugestehe. |
| | Wegen
weiterer Einzelheiten wird auf die vom Beklagten übersandten Kopien der
Aktenvorgänge sowie auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze verwiesen. |
|
Entscheidungsgründe
| | | I.
Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO
statthaft. Durch den Einsatz eines VE ist zwischen dem Kläger und dem
beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und
streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42
Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die
Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen
Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der
Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter
i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine wegen vorprozessualer Erledigung
sogenannte "nachgezogene" Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1
Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v.
15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris; VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 - 1 K
439/03 - juris). |
| | Das
berechtigte Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem tiefen Eingriff
in das in Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verankerte allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung als Schutz der
Privatsphäre und in das ebenfalls aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2
Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie
aus dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4
GG). Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen
Beeinträchtigungen jeder Art, auch vor solchen durch schlichtes
Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Vor dem Hintergrund des
verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz
aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen polizeiliche Maßnahmen in Fällen
gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter
Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen
Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch
die angegriffene Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine
Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche
Entscheidung nicht erlangen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1
S 815/13 - juris). Der Kläger war hier nicht als beliebiger Dritter
(zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und
final in die Datenerhebung durch den VE einbezogen. Wie aus der
Einsatzanordnung vom 25.02.2010 (S. 8 oben) sowie aus dem dieser
beigefügten „Personalbogen“ vom 25.02.2010 hervorgeht, war der Kläger
als eine der „Zielpersonen“ des Einsatzes eingestuft. Es wäre mit den
Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer
gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine
gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw.
Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die
(von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu
erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung
oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an (VG
Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 – 1 K 439/03 – juris). Weil die zwischen
den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen
Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt
werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43
Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen
(vgl. BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - juris). |
| | II. Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. |
| | Bei
der Prüfung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des
streitgegenständlichen Verwaltungshandelns, dessen Rechtswidrigkeit
festgestellt werden soll, abzustellen. Maßstab ist daher § 22 PolG in
der vom 22.11.2008 bis zum 28.11.2012 gültig gewesenen Fassung des
Gesetzes vom 18.11.2008 (GBl. S. 390). |
| | Gem.
§ 22 Abs. 3 PolG kann der Polizeivollzugsdienst personenbezogene Daten
von dem nachfolgend genannten Personenkreis u.a. durch den Einsatz
Verdeckter Ermittler (§ 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG) erheben, wenn andernfalls
die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert
würde. Daten können über die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen
erhoben werden, wenn der Einsatz zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand
oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben,
Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach-
und Vermögenswerte (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) erfolgt. Von den in § 20
Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen können Daten zur vorbeugenden
Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erhoben werden (§
22 Abs. 3 Nr. 1 PolG). In § 20 Abs. 5 PolG sind Straftaten mit
erheblicher Bedeutung definiert: Dabei handelt es sich zum einen um
Verbrechen (§ 20 Abs. 5 Nr. 1 PolG), zum anderen um Vergehen, die im
Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden
besonders zu stören (§ 20 Abs. 5 Nr. 2 PolG), soweit sie a) sich gegen
das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen
oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten, b) auf den
Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der
Geld- oder Wertzeichenfälschung oder des Staatsschutzes (§§ 74 a und 120
GVG) begangen werden, c) gewerbs-, gewohnheits-, serien-, bandenmäßig
oder sonst organisiert begangen werden. |
| | Aus
den dem Gericht vorliegenden Kopien der Anordnung vom 25.02.2010 und
deren Verlängerungen geht - auch unter Heranziehung des vom Beklagten
überlassenen Akteninhalts - weder hervor, dass die an die Anordnung des
Einsatzes eines Verdeckten Ermittlers zu stellenden formellen
Voraussetzungen erfüllt waren (1.), noch dass die materiellen
Voraussetzungen für den Einsatz eines VE gegen den Kläger vorlagen (2.).
Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die mit § 22 Abs. 3 Nr. 2,
Abs. 5, § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG geschaffene Rechtsgrundlage für den
Einsatz eines VE verfassungswidrig ist, kommt es daher nicht an (offen
gelassen: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris; vgl.
zu der inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden
Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG: BVerfG Urt. v.
27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - juris). |
| | 1.
Personen, die sich - wie hier der Kläger - der Anwendung besonderer
polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG) ausgesetzt
sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht
auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1
GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit,
dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG) -
Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog.
personenbezogene Daten (zur Definition vgl. § 48 PolG i.V.m. § 3 Abs. 1,
Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG) - erhoben. Eine erhebliche Verstärkung
erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte
Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer
Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt-
und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten -
Ahnungslosigkeit "ereilt". Ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks
vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden,
sind daher von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem
Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG)
beschränkt. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen
bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu
bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln
der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat,
in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum
Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2
BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch
Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; BVerfG, Beschl. v.
20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk
Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in
verfahrensrechtlicher Hinsicht; VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 – 1 K
439/03 – juris). Um die Anordnung - sowohl für die „vor Ort“ handelnden
Beamten wie auch für das später ggf. angerufene Gericht -
nachvollziehbar zu machen, bedarf die Anordnung grundsätzlich der
Schriftform. Außerdem hat sie das „besondere Mittel“ zu bezeichnen und
die Zielperson zu benennen oder zumindest zu umschreiben. In einer
Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen Gründe darzulegen, die
den Anordnungsberechtigten zu der Entscheidung bewogen haben. Außerdem
wird eine Frist für die Dauer des Einsatzes zu bestimmen sein. |
| | Eine
fehlerhafte oder zu unbestimmte Einsatzanordnung führt zu ihrer
Rechtswidrigkeit und damit zur Rechtswidrigkeit des Einsatzes insgesamt,
selbst wenn der Einsatz materiell-rechtlich gerechtfertigt war
(Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8.
Aufl. 2015, § 22 RN 52; VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 -
juris). |
| | a.
Zwar wurde in den vorliegenden Einsatzanordnungen der sog.
„Behördenleitervorbehalt“ gewahrt. Die Einsatzanordnung vom 25.02.2010
und deren Folgeanordnungen wurden durch den Leiter der damaligen
Polizeidirektion Heidelberg als sachbearbeitende Dienststelle erlassen.
Damit wurde dem Erfordernis, dass der Einsatz eines Verdeckten
Ermittlers (§ 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG) einer Anordnung durch einen der in §
22 Abs. 6 Satz 2 PolG genannten Behördenleiter - worunter u.a. der
Leiter einer Polizeidirektion zählt - bedarf, Genüge getan. |
| | b. Allerdings fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit hinsichtlich des eingesetzten Mittels. |
| | Als
besonderes Mittel der Datenerhebung wird in § 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG der
Einsatz von Polizeibeamten unter Geheimhaltung ihrer wahren Identität
(Verdeckter Ermittler) genannt. |
| | Die
dem Gericht vorliegenden Kopien der Einsatzanordnungen lassen
allerdings offen, wie viele Verdeckte Ermittler tätig, ob die
Ermittlungen von - wie vom Gesetz vorgeschrieben - Polizeibeamten
durchgeführt werden sollten und wer konkret als Verdeckter Ermittler
eingesetzt war. |
| | Aus
der Überschrift der Anordnung vom 25.02.2010: „Anordnung eines
VE-Einsatzes nach dem Polizeigesetz“ ergibt sich hierzu nichts.
Desgleichen gilt für die sich daran anschließenden geschwärzten
Passagen. In der Tenorierung wird lediglich ausgeführt: „I. Der Einsatz
des/der VE erfolgt zur 1. Datenerhebung ...“. Auch in den nicht
geschwärzten Passagen unter der Überschrift: |
| | „II.
Zu Gründen, Ziel, Geeignetheit... der Datenerhebung durch den
VE-Einsatz, Anzahl vorgesehener VE sowie zu den Personen (Adressaten der
Maßnahme), über die Daten erhoben werden sollen, ist folgendes
festzuhalten:“ |
| | ist
weder etwas dazu enthalten, ob der/die VE Polizeibeamte sind noch etwas
zu deren Anzahl noch ist die Identität des/der VE bestimmt worden.
Gleiches gilt für die Verlängerungen der Einsatzanordnung. Hierzu hat
der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass der
Name des VE nicht in der Einsatzanordnung aufgeführt worden sei. |
| | Deshalb
lassen sich - ohne dass die Kopien der streitgegenständlichen
Einsatzanordnungen selbst etwas dazu hergäben - erst nachträglich nach
der „Enttarnung“ von xxx im Dezember 2010 Rückschlüsse darauf ziehen,
dass dieser als VE tätig geworden ist. Der Umstand, dass der Beklagte
auf gerichtliche Nachfrage unter dem 21.08.2015 bescheinigt hat, dass
xxx vom 01.09.2009 bis einschließlich 31.03.2014 als
Polizeivollzugsbeamter beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg
verwendet wurde und der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung
erklärt hat, dass Herr xxx als alleiniger VE tätig gewesen sei, ersetzt
nicht das formale Erfordernis, dass das besondere Mittel der
Datenerhebung i.S.d. § 22 Abs. 1 PolG in der Anordnung selbst
hinreichend bezeichnet sein muss. |
| | Allein
die in der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Folgeanordnungen
aufgenommene abstrakte Bezeichnung des Mittels „Verdeckter Ermittler“
ist für eine hinreichende Bestimmung des besonderen Mittels i.S.d. § 22
Abs. 1 Nr. 4 PolG nicht ausreichend. Dies folgt daraus, dass durch den
Einsatz eines VE schwerwiegend in die bereits genannten Grundrechte
eingegriffen wird und daraus, dass - da § 22 Abs. 8 PolG erst die
nachträgliche Unterrichtung des Betroffenen über die Maßnahme vorsieht -
der Betroffene regelmäßig nicht die Gelegenheit hat, vorherigen
Rechtsschutz zu erlangen. In einer derartigen Konstellation gebietet
aber die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, dass konkret in der
Einsatzanordnung der Name des VE aufgeführt wird. Im Interesse der
Gewährung effektiven Rechtsschutzes muss der Betroffene wissen, wer von
ihm Daten erhoben hat, um das Geschehen nachvollziehen zu können. Denn
dies ist Voraussetzung dafür, dass er ggf. ein nachträglich gestelltes
Rechtsschutzgesuch begründen kann. Daher muss in der Einsatzanordnung
die Identität des eingesetzten VE bezeichnet werden. Insoweit braucht
sich der Betroffene nicht darauf verweisen zu lassen, dass die Identität
des VE möglicherweise aus anderweitigen Quellen ermittelbar ist.
Vielmehr muss dies - auch für eine etwaige spätere gerichtliche
Überprüfung - aus der Einsatzanordnung selbst hervorgehen. |
| | 2.
Der Einsatz des VE erweist sich aber auch als materiell rechtswidrig.
Denn der Beklagte hat nicht dargetan, dass die tatbestandlichen
Voraussetzung hierfür vorlagen. |
| | Das
Gericht kann den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen, dass die
Anordnung der Erhebung personenbezogener Daten von einem der in § 22
Abs. 3 PolG genannten Zwecke getragen war. |
| | a.
Nach § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG ist zulässig die Datenerhebung zur Abwehr
einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person, bedeutende
Sach- und Vermögenswerte und zwar von einer der in § 20 Abs. 2 PolG
genannten Personen. Der Beklagte hat hierzu in Punkt I. 1. der
Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen festgelegt,
dass die Datenerhebung vom Verursacher (§ 20 Abs. 2 i.V.m. § 6 PolG)
erfolgt. |
| | Ein
Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr
voraus. Eine solche liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von
Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder
fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein
Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine
konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde
Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter
sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz
besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von
Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines
Schadenseintritts ausreichen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S
815/13 - juris, m.w.N.). |
| | Nach
Maßgabe dessen gehen aus den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen keine
Umstände hervor, welche die Annahme rechtfertigen, dass vom Kläger eine
konkrete Gefahr für eines der in § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG genannten
Rechtsgüter ausgegangen ist. |
| | aa.
In der Begründung der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 selbst - soweit
sie lesbar ist - werden keine hinreichenden Fakten genannt, aus denen
sich eine solche konkrete Gefahr herleiten ließe. Die pauschale
Behauptung des Beklagten, bei dem Kläger handele es sich um eine
Führungsperson der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, lässt eine
solche Gefahrenprognose nicht zu. Dieser Behauptung stellte der Beklagte
auf Seite 4 der Anordnung voraus, dass die Antifaschistische Szene
Heidelberg und Rhein-Neckar-Kreis mehrere Gruppierungen umfasse, in
erster Linie die Antifaschistische Initiative Heidelberg, die AIKO
(Anarchistische Initiative Kraichgau-Odenwald); die weiteren
aufgelisteten Gruppierungen wurden geschwärzt. Als Ziel dieser Gruppen
wurde die Suche nach Konfrontation mit den „Rechten“ genannt und
ausgeführt, dass sich bei der linken Szene Heidelberg eine hohe
Gewaltbereitschaft und ein hohes Gewaltpotenzial feststellen lasse. |
| | Indessen
gehen aus den weiteren ungeschwärzten Ausführungen keine konkreten
Feststellungen zu der behaupteten Gewaltbereitschaft der
Antifaschistischen Initiative Heidelberg hervor. Solche sind auch nicht
mit der Darstellung des Umstands verbunden, dass der Kläger am
„18“.09.2009 (richtig: am 19.09.2009) an einer von xxx angemeldeten
Demonstration in Sinsheim teilgenommen habe (Seite 7 der Anordnung).
Insoweit stellt der Beklagte darauf ab, dass der der AIKO zugerechnete
xxx - in dessen Wohnung bzw. Keller bei einer Hausdurchsuchung am
04.11.2009 sieben Molotow-Cocktails gefunden worden waren - bei dieser
Demonstration beinahe die ganze Zeit mit dem Kläger und einer weiteren
Heidelberger Aktivistin, xxx, zusammengestanden habe. Diesen Umstand
führte der Beklagte als Indiz für die Verzahnung der Anarchistischen
Initiative Kraichgau-Odenwald mit der Antifaschistischen Initiative
Heidelberg an. Indes lassen sich der Anordnung - soweit lesbar - zu
alledem keine konkrete Tatsachenfeststellungen entnehmen, welche darauf
hindeuten könnten, dass vom Kläger eine Gefahr für Leben, Gesundheit und
Freiheit einer Person oder für bedeutende Sach- und Vermögenswerte
ausgingen. Allein der Umstand, dass der Kläger während einer
Demonstration neben einer Person stand, bei der zu einem späteren
Zeitpunkt Molotow-Cocktails gefunden wurden, begründete weder eine
hinreichende Grundlage für die Annahme, der Kläger sei in eine
gewaltbereite Gruppierung eingebunden noch dafür, dass die
Antifaschistische Initiative Heidelberg auf Gewalttätigkeiten hinwirke.
Weitere Tatsachenfeststellungen, die eine konkrete Verbundenheit des
Klägers mit xxx bzw. der AIKO dokumentieren würden, gehen aus den dem
Gericht vom Beklagten überlassenen Unterlagen nicht hervor. Auch
sonstige Hinweise darauf, dass der Kläger in der Vergangenheit ein, die
Annahme einer Wiederholungsgefahr rechtfertigendes, gewalttätiges oder
gewaltveranlassendes Verhalten an den Tag gelegt hätte, hat der Beklagte
in der Anordnung nicht genannt. Soweit er die Bewertung vornahm, dass
bei der Demonstration am 19.09.2009 eine gewalttätige Auseinandersetzung
zwischen Rechts und Links erst durch entsprechende Maßnahmen der
Polizei habe verhindert werden können, wurde nichts dazu ausgeführt,
dass von den linksgerichteten Demonstranten Gewalttätigkeiten gedroht
hätten. Vielmehr sind nach den Darlegungen des Beklagten Platzverweise
an die Rechten ergangen. Auch soweit der Beklagte in der Anordnung als
alljährlich nennenswertes Event der Antifaschistischen Initiative
Heidelberg die Veranstaltung der Walpurgisnacht - als
„Gegenveranstaltung“ zu den Walpurgisnachtfeiern der Burschenschaften -
anführte, wurde nichts zu irgendwelchen Gewalttätigkeiten berichtet. Aus
den nachfolgenden Einsatzanordnungen ergibt sich - soweit lesbar -
hierzu ebenfalls nichts. |
| | bb.
Auch die weiteren, dem Gericht vorliegenden Unterlagen geben für die
Annahme nichts her, vom Kläger gehe eine konkrete Gefahr für die in § 22
Abs. 3 Nr. 1 PolG genannten Rechtsgüter aus. |
| | Nachdem
- wie oben unter Punkt II. 1 dargelegt - in der Begründung der
Einsatzanordnung die wesentlichen tatsächlichen Gründe darzulegen sind,
die den Anordnungsberechtigten zu der Entscheidung bewogen haben, ist
fraglich, ob der weitere Akteninhalt herangezogen werden darf, wenn die
Anordnung selbst nicht mit einer ausreichenden, die materielle
Rechtmäßigkeit belegenden Begründung versehen ist. Dies kann hier aber
offen bleiben, da auch der weitere Vortrag des Beklagten die Annahme
nicht trägt, dass vom Kläger eine Gefahr für Leben, Gesundheit und
Freiheit einer Person oder bedeutende Sach- und Vermögenswerte gegangen
ist. |
| | Aus
den der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Folgeanordnungen
beigefügten „Personalbögen“ des Klägers lässt sich dies nicht herleiten.
Hierin wurde zunächst ein Vorfall vom 21.06.2003 im Rahmen einer
Demonstration gegen die Ausstellung „Verbrechen und Wehrmacht“ in
Schwäbisch Hall aufgelistet und ausgeführt, dass sich der Kläger seiner
Festnahme widersetzt habe, nachdem er aus einer eingeworfenen
Schaufensterscheibe eines Geschäfts Gegenstände entwendet hatte. Aus
diesem weit zurückliegenden und für sich allein stehenden Vorfall, der
nach der Darstellung des Beklagten noch nicht einmal in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen stand, lässt sich indes
nicht die Prognose erstellen, vom Kläger gehe eine Gefahr für Leben,
Gesundheit und Freiheit einer Person oder bedeutende Sach- und
Vermögenswerte aus. Soweit ein Vorfall vom 12.06.2006 beschrieben wurde,
bei dem der Kläger in einem Flyer eine Studentin als Angehörige der
rechten Szene geoutet haben soll, und weitere Aktionen und
Demonstrationen aufgelistet wurden, lassen sich - soweit lesbar - diesen
Ausführungen keine Anhaltspunkte für eine Gewaltbereitschaft des Kläger
entnehmen. |
| | Eine
andere Einschätzung folgt auch nicht aus dem Vortrag des Beklagten im
Klageverfahren. Insoweit wurden vom Beklagten mit der Klageerwiderung
vom 20.02.2012 (Seite 2 f.) weitere Demonstrationen und Aktionen
aufgelistet. Unter anderem wurde eine von der AIKO geplante
Demonstration am 24.07.2010 genannt, die verboten wurde und ausgeführt:
Auf der homepage der AIKO sei militante Werbung gemacht worden mit dem
Slogan: „Lasst uns den Nazis zeigen, dass wir uns nicht einschüchtern
lassen!!! Bildet Banden“, auf dem Flyer sei ein ein Vermummter zu sehen,
der eine Zwille abgeschossen habe. Indes wurden keine substantiierten
Feststellungen dazu getroffen, dass und auf welche Weise intern eine
Verbindung zwischen der AI KO und der Antifaschistischen Initiative
Heidelberg bestehen soll. Auch die Ausführungen zu den weiteren
aufgelisteten Aktionen tragen nicht die Annahme, dass vom Kläger eine
Gefahr für die genannten Rechtsgüter ausginge. |
| | Dies
gilt auch, soweit der Beklagte auf einen Internetaufruf der
Antifaschistischen Initiative Heidelberg im Zusammenhang mit der
Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim abstellte, der den Wortlaut hat:
„Rechte Strukturen aufdecken und angreifen! Konsequent gegen die
polizeiliche Politik des Herunterspielens und Totschweigens! Nazis
entgegentreten auf allen Ebenen, mit allen Mitteln“. Abgesehen davon,
dass der Wortlaut „mit allen Mitteln“ auslegungsfähig ist und daher
nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann, dass damit illegale Mittel
gemeint sind, hat die vom Beklagten vorgenommene Interpretation, dass
zur Gewaltanwendung aufgerufen worden sei, in der Folgezeit keine
Bestätigung erfahren. Konkrete Feststellungen, dass von den linken
Demonstranten Gewalt ausgegangen wäre oder gedroht hätte, hat der
Beklagte nicht getroffen. Vielmehr lässt sich seinen Ausführungen
entnehmen, dass Platzverweise an die Rechten ergangen sind. |
| | Auch
hinsichtlich der weiteren vom Beklagten in der Klageerwiderung
aufgelisteten Demonstrationen wurde nichts von Gewalttätigkeiten
berichtet, geschweige denn, dass Anhaltspunkte dafür genannt wurden, die
dafür sprächen, dass der Kläger auf gewalttätige Auseinandersetzungen
bzw. bedeutende Sachschäden hinwirken würde. |
| | Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hierzu auch nichts weiter vorgetragen und auf die Sperrerklärung verwiesen. |
| | b.
Auch die Voraussetzungen für eine Datenerhebung nach § 22 Abs. 3 Nr. 2
PolG liegen nicht vor. Danach ist die Datenerhebung zulässig zur
vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über
die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen, nämlich über
Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie
künftig Straftaten begehen sowie über Kontakt- und Begleitpersonen
dieser Personen. |
| | Hinsichtlich
des Zwecks der Datenerhebung legte der Beklagte in Punkt 2 seiner
Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und in den Folgeanordnungen die Art der
zu bekämpfenden Straftaten fest. Diese Straftaten sollten zum einen sein
Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den
Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die
Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder
bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten, und zum anderen
Vergehen, soweit sie auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder
Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung oder des
Staatsschutzes (§§ 74 a und 120 GVG) begangen werden. |
| | Die
vom Beklagten hinsichtlich des Klägers getroffenen Feststellungen
tragen jedoch weder die Annahme, dass es sich bei diesem um eine Person
handelt, bei der tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig
Straftaten der genannten Art begehen wird (aa.), noch die Annahme, dass
er Kontakt- oder Begleitperson einer solchen Person ist (bb.). |
| | aa.
Aus den Begründungen der Einsatzanordnungen geht hervor, dass der
Beklagte den Kläger als Zielperson und nicht lediglich als Kontakt- oder
Begleitperson eingestuft hat. |
| | Allerdings
lassen sich den ungeschwärzten Passagen der vorliegenden Akten keine
tatsächlichen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Kläger in der
genannten Art straffällig würde. |
| | Tatsächliche
Anhaltspunkte liegen dann vor, wenn zumindest bestimmte Indizien
gegeben sind, aus denen nach polizeilicher Erfahrung auf das künftig
mögliche Vorliegen eines Sachverhalts geschlossen werden kann, dass die
Person Straftaten begehen wird. Bloße Vermutungen reichen nicht aus
(Stephan/Deger, Polizeigesetz für Bad.-Württ., 7. Aufl. 2014, § 20 RN
24). Weitergehend wird in der Literatur sogar gefordert, dass Tatsachen
vorliegen müssen, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Person
künftig Straftaten begeht (Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz
für Bad.-Württ., 8. Aufl. 2015, § 20 RN 45). |
| | Eine nach Maßgabe dessen zumindest zu fordernde Indizienlage lässt sich den dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen. |
| | Der
Beklagte stützte seine Einsatzanordnung dem Grunde nach auf die
Behauptung, Ziel der von ihm genannten linken Gruppierungen der
Antifaschistischen Initiative Heidelberg und der AIKO sei die Suche nach
Konfrontation mit den „Rechten“, und stellte insgesamt eine hohe
Gewaltbereitschaft und ein hohes Gewaltpotenzial bei der linken Szene in
Heidelberg fest. Der Beklagte nannte allerdings keine greifbaren
Anhaltspunkte, die darauf hinweisen würden, dass von der
Antifaschistischen Initiative Heidelberg, namentlich vom Kläger als eine
deren Führungspersonen eine auf die genannten Straftaten hinausführende
Gewaltbereitschaft ausginge. Soweit der Beklagte auf die von ihm
aufgelisteten Demonstrationen abstellte, wurde - wie bereits oben
ausgeführt - nichts zu einer von den linken Gruppierungen ausgehenden
Gewaltbereitschaft oder gar zu ihr zurechenbaren Straftaten ausgeführt.
Dies gilt - wie voranstehend ebenfalls erörtert - insbesondere für die
immer wieder vom Beklagten angeführte Demonstration am 19.09.2009 in
Sinsheim. Den vom Beklagten hierzu gemachten Erläuterungen - soweit sie
ungeschwärzt sind - lassen sich konkrete Feststellungen zu einem von den
linken Demonstranten ausgehenden Gewaltpotential nicht entnehmen;
vielmehr ergingen Platzverweise an die rechten Demonstranten. |
| | Ein
tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger Straftaten begehen
wird, stellt auch nicht der Fund von Molotow-Cocktails bei xxx dar. Das
Herstellen und der Besitz von Molotow-Cocktails ist zwar eine Straftat
nach § 52 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2a WaffG in Verbindung mit Anlage 2
Abschnitt 1 Nr. 1.3.4. Indes lassen sich den vorliegenden Akten
keinerlei tragfähige Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Kläger in
irgendeiner Weise in diese Straftat involviert war. Alleine der Umstand,
dass der Kläger während der Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim mit
xxx zusammengestanden hatte, bietet keinen tragfähigen Hinweis darauf,
dass der Kläger künftig auf waffenrechtlichem Gebiet straffällig werden
könnte. |
| | Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hierzu auch nicht weiter vorgetragen und auf die Sperrerklärung verwiesen. |
| | bb.
Die Einsatzanordnung lässt sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass
eine Datenerhebung über den Kläger als Kontakt-/ oder Begleitperson (§
22 Abs. 3 Nr. 2 PolG) eines potentiellen Straftäters in Betracht käme. |
| | Problematisch
ist bereits, ob diese Rechtsgrundlage hier überhaupt bei der
materiellen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einsatzanordnung zugrunde
gelegt werden darf. Denn der Kläger wurde - der Begründung der
Einsatzanordnung zufolge - als Zielperson und nicht lediglich als
Kontakt- oder Begleitperson eingestuft. Indes sind - wie oben unter
Punkt II. 1 ausgeführt -, um den formellen Anforderungen zu genügen, in
der Begründung der Einsatzanordnung die wesentlichen Gründe darzulegen,
die den Anordnungsberechtigten zu der Entscheidung bewogen haben. Da
nach der Begründung der Einsatzanordnung die Datenerhebung gerade nicht
vom Kläger als Kontakt- oder Begleitperson erfolgen sollte, erscheint es
daher problematisch, die Einsatzanordnung „umzudeuten“, ohne dass dies
zu deren formellen Rechtswidrigkeit führen würde. |
| | Diese
Frage kann jedoch offen bleiben, da hinreichende Feststellungen des
Beklagten fehlen, welche die Einstufung des Klägers als Kontakt- oder
Begleitperson eines potentiellen Straftäters rechtfertigen würden. |
| | Als
alleiniger Anknüpfungspunkt käme xxx in Betracht, bei welchem die
Molotow-Cocktails gefunden worden sind. Dieser ist aber seinerseits
lediglich als Kontaktperson (s. S. 8 der Einsatzanordnung vom
25.02.2010) eingestuft worden. |
| | Das
Polizeigesetz definiert nicht, was unter dem Begriff Kontakt- und
Begleitperson künftiger Straftäter i. S. d. § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG zu
verstehen ist. Im Unterschied hierzu enthielt § 2 Nr. 11 Nds SOG in der
bis zum 31.12.2007 gültigen Fassung eine Legaldefinition des Begriffs
Kontakt- und Begleitperson (zum Wortlaut s. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 -
1 BvR 668/07 - juris RN 48). Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht
im vorgenannten Urteil ihn für nicht hinreichend bestimmt angesehen
(BVerfG - aaO - RN 132 ff.). Mit Blick hierauf kann dieses Begriffspaar
allenfalls verfassungskonform und damit restriktiv ausgelegt werden.
Eine Kontaktperson kann demnach nur eine Person sein, die zu dem
künftigen Straftäter persönliche oder geschäftliche Beziehungen
unterhält. Flüchtige Beziehungen reichen nicht aus. Eine Begleitperson
muss mit dem künftigen Straftäter wiederholt zusammengetroffen oder
wenigstens einmal eine Zeit lang zusammen gewesen sein. Die Verbindung
muss eine gewisse Intensität aufweisen (Stephan/Deger, aaO, § 20 RN 25). |
| | Nach
Maßgabe dessen lässt sich den Feststellungen des Beklagten nichts
Hinreichendes dazu entnehmen, dass der Kläger Kontakt- oder
Begleitperson von xxx war. Allein der Umstand, dass der Kläger bei einer
Demonstration mit xxx zusammengestanden hat, kann nach den obigen
Ausführungen nicht ausreichen. Aus den vorliegenden Akten lässt sich
nicht entnehmen, dass es darüber hinaus zu einem weitergehenden
intensiven Kontakt zwischen dem Kläger und xxx gekommen war. Der
Beklagte hat auf die diesbezügliche Erörterung in der mündlichen
Verhandlung auch nicht weiter vorgetragen. |
| | Die
Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer sieht davon
ab, das Urteil insoweit für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167
Abs. 2 VwGO). Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch
die Kammer sind nicht erfüllt.
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| |
| | Der Streitwert wird gemäß §§ 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000 festgesetzt. |
| | Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen. |
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