Am 25.10 wollten die „Hooligans gegen Salafisten“ den Jahrestag ihrer Ausschreitungen in Köln feiern. Doch die Party endete in einem einzigen Desaster und für einige Hooligans gar im Krankenwagen. Rund 750 Hooligans waren nach Köln gekommen und trafen auf vehementen Protest von über 20.000 Menschen.
Gewaltfreie Hooligans?
Der Anmelder der HoGeSa-Demonstrationen Dominik Roeseler wird angesichts dessen, dass der Kuchen zum Einjährigen mit antifaschistischem Kerzenwachs überzogen war, nicht davon gekostet haben. Nur ca. 750 Nazis, Rechtspopulist*innen und Rassist*innen schafften es am Sonntag zur Jahresfeier nach Köln zu. Vorher lieferte sich der Kölner Polizeipräsident Albers einen Rechtsstreit mit Roeseler, der selbstverständlich von Björn Clemens vertreten wurde. Letztendlich entschieden die Gerichte zu Gunsten der Polizei und es blieb bei einer stationären Kundgebung am Barmer Platz, ein einsamer Acker am Deutzer Bahnhof.
Acht Tage zuvor ereignete sich ein grausames Attentat auf Henriette Reker, die Oberbürgermeisterin von Köln. Sie wurde von Frank Steffen, einem über Jahrzehnte aktiven Neonazi mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Die Tat reihte sich ein in etliche Anschläge in den vergangenen zwei Jahren gegen Geflüchtete, Asylbewerber-Unterkünfte, und Andersdenkende. Genau zwei Tage danach wurden in Leipzig Antifaschist_innen ebenfalls mit einem Messer und anderen Schlagwaffen attackiert. Mit „Pegida hat in Köln mitgestochen“ war ein eher passender Titel gefunden, auch wenn der Kommentar bei Weitem nicht die herrschenden Verhältnisse, die agitierenden Neonazis und/oder die geistigen Brandstifter*innen betrachtet.
Auch die „Hooligans gegen Salafisten“ haben einen Teil zur „neuen“ Salonfähigkeit von rassistischen und rechten Anschlägen beigetragen. Die Wiederholung der Demonstration vom 26. Oktober 2014 sollte unter dem Motto „Köln 2.0 – gewaltfrei und friedlich gegen islamischen Extremismus“ stattfinden. Dass es dabei um eine Geburtstagsfeier von HoGeSa ging wurde stets klar und deutlich artikuliert und beworben. Es sollte ein erlebnisorientierter Flashback werden, die weitere Vernetzung und Radikalisierung von (deutschen) Hooligans bedeuten. Wie oft die Frage gestellt wurde, wie ein Label, dass das Wort „Hooligan“ beinhaltet meint „friedlichen“ Protest auf die Straße zu bringen, ist nicht zählbar. Die Frage wurde ohnehin weiterhin mit Gewalt beantwortet. Dazu ließen Dominik Roeseler und Andreas „Kalle Gabrowski“ Kraul alles auffahren was derzeit Trend in der rechten Szene ist. Als Redner_innen waren Tatjana Festerling (Oberbürgermeister-Kandidatin und PEgIdA-Organisator_in in Dresden), Edwin Wagensveld (Rechtspopulist), Manuela Eschert (bekannte von DügIdA), Dominik Roeseler selbst und Curd Schumacher aus Brühl (Rassist, Verschwörungstheoretiker). Da die Veranstaltung der neuerdings gewaltfreien und friedlichen Hooligans auf den Acker verlegt wurde, wurde zum „Konzert“ von Villain051, noch „Kategorie C – hungrige Wölfe“ in Form von Frontmann Hannes Ostendorf eingeladen. Die „Gesichter der Bewegung“ erhofften sich eine ähnlich Teilnehmer_innen-Zahl wie im Jahr zuvor, einen Neustart, trotz der bestehenden Konflikte zwischen den Organisatoren von „Köln 2.0“ und den organisierten Strukturen von „Gemeinsam Stark Deutschland“, „Berserker Deutschland“ und „HoGeSa“.
Hoch gepokert und viel verloren
Die gehegten Hoffnungen wurden am Sonntag im Keim erstickt. Die ersten Rassist_innen befanden sich schon gegen 10.30 Uhr auf dem Barmer Platz, obwohl der offizielle Start um 14 Uhr war. Die meisten Nazis reisten mit dem Zug an, einige auch mit dem Auto. Die Kölner Polizei war verhältnismäßig gut vorbereitet, Durchsuchungszelte standen zur Verfügung, viele der Nazis wurden zur Kundgebung begleitet oder wieder nach Hause geschickt. Gegen 13 Uhr traf Dominik Roeseler mit dem Organisationsteam ein, dabei war u. A. Mario Leisering, der ebenfalls bei der HoGeSa-Demo in Essen involviert war und sich seit dem mutmaßlichen Mordversuch von HoGeSa-Nazis an einem Antifaschisten in Wuppertal weitestgehend zurück gezogen hatte. Kurze Zeit später traf Andreas Kraul, Moderator der Veranstaltung, ein. Alle mussten sich einer Kontrolle in den Durchsuchungszelten unterziehen. Dominik Roeseler gab einigen Fernseh-Sendern kurz vor der Ankunft von Kategorie C – Frontmann Hannes Ostendorf, ein Interview. Je kritischer die Nachfragen wurden, desto aggressiver antwortete er. Dabei behauptete er dass die Angriffe auf Migrant*innen, auf das chinesische Restaurant und Polizist*innen vom Verfassungsschutz gelenkt worden seien. Dass er damit auf den verstorbenen V-Mann Roland Sokol anspielte, der maßgeblich an der Gründung von HoGeSa beteiligt war, war allzu offensichtlich. Ebenfalls behauptete er, dass Frank Steffen, Messerstecher von Köln, ein V-Mann sei und dass das Attentat auf Henriette Reker im Zusammenhang mit dem Verfassungsschutz stehe.
Zu diesem Zeitpunkt waren ca. 300 Hooligans auf dem Kundgebungsplatz. Der Aufbau der Veranstaltung zog sich hin, während nach und nach aus verschiedenen Richtungen bekannte Neonazis wie Lukas Bals (Die Rechte, Dortmund), die Gruppe um die „Berserker Pforzheim“, einige Düsseldorfer Nazi-Hools, darunter Sebastian L. (Bushwhackers), „88 Mirko“ (Fortuna Terror) und andere mäßig organisierte HoGeSa-Nazis, die sich DügIdA zugehörig fühlen. Hannes Ostendorf war dabei der prominenteste Nazi weit und breit und nutzte dies gleich mal um den Merchandise-Verkauf anzukurbeln. Lange auf sich warten ließ Melanie Dittmer und ihr Organisationsteam rund um DügIdA, bestehend aus Manuela Eschert (Infidels Deutschland), Rene M. (Identitäre Aktion Aachen), Dominik L. und dem Versammlungsleiter der DügIdA: Frank „Borgi“ Borgmann (aktive Patrioten und Infidels Deutschland). Diese bemühten sich zügig darum die Ordner*innen zu organisieren. Die Auflagen der Polizei erschwerten die Prozedur und die Suche nach geeigneten, also nicht alkoholisierten und vorbestraften, Ordner*innen erheblich. Bis die geforderten 50 Ordner*innen gestellt waren, vergingen 1 ½ Stunden. Für Dominik Roeseler ein Skandal und pure Schikane. Als es dann los gehen konnte, waren ca. 750 Rassist_innen auf dem Barmer Platz. Das Klientel war braun gemischt von organisierten Kameradschaftsnazi, Parteifunktionär_innen und Mitgliedern über Rechtspopulist_innen bis hin zu vermeintlich „besorgten Bürger*innen“.
Das Spektakel ähnelte eher einem Festival oder dem Stadionbesuch beim Chemnitzer FC, Energie Cottbus oder x-beliebigen anderen Vereinen mit rechtsradikaler Fanszene. Feucht fröhlich stimmten alle brav in die „Antifa Hurensöhne“-Gesänge ein, Andreas „Kalle Gabrowski“ Kraul aka „Ihr wisst ich bin nicht der große Redner“-Vorsänger heizte fleißig ein und kündigte den ersten Redebeitrag von Edwin Wagensveld alias „Ed Utrecht“ an, ein durch PEGIDA Auftritte bekannt gewordener Rechtspopulist und nach eigenen Angaben Vater von drei Kindern. Alleine die Beschreibung seiner Person löste Beifall aus. Inhaltlich gab der „patriotische Niederländer“ das zum besten, was wir nun seit 1 ½ Jahren mindestens einmal die Woche hören. Antimuslimischer Rassismus, Antisemitismus, Lügenpresse, Volksverräter… eben die „Standard-Rede“, die so ziemlich jede*r Rechtspopulist*in auf Lager hat. Danach begab sich unter großem Beifall Kategorie C auf die Bühne, ohne Schlagzeug wie der Bremer Neonazi und Hooligan Ostendorf feststellte. Wie schon vor ihm Andreas Kraul, behauptete er, es sähe von der Bühne fast aus wie im letzten Jahr. Es gab die üblichen „Hits“, alle zückten die Mobiltelefone und der Eindruck den der Sänger von Kategorie C hinterließ war von Gleichgültigkeit geprägt. Schon während der Mitte des „Konzerts“ verließen die ersten Nazis die Kundgebung in 5er Gruppen. Das Desaster hätte kaum größer sein können: keine Antifaschist*innen weit und breit, kein Erlebnis, keine Gewalt gegen Migrant_innen und alles was als nicht-deutsch von der stumpfen rassistischen Masse wahrgenommen wird. Je langatmiger der Abend, desto mehr näherte sich die Versammlung der Auflösung. Maria (Manchmal auch Manuela) Eschert hielt einen weiteren Redebeitrag. Von Tatjana Festerling war keine Spur zu sehen, es gab auch keine Absage. Curd Schumacher, ein rassistischer Video-Blogger, der auch als Überraschungsgast aus NRW bei der Demonstration der „Offensive für Deutschland“ Ende September sprach, sagte krankheitsbedingt, wie sollte es anders sein, per Videobotschaft ab. Der Rapper „Villain051“ spielte ein kurzes Konzert, ganz ohne instrumentale Begleitung. Das Wort „schrecklich“, wäre noch eine nette Umschreibung seiner Darbietung. Als er nach einer Zugabe fragte, antwortete das Publikum mit einem gemurmelten Nein.
Das versprochene Programm war zu 50 % ins Wasser gefallen, etliche Rassist_innen wurden an der Anreise gehindert oder auf dem Weg zur Kundgebung entweder von der Polizei oder von Antifaschist*innen aufgehalten. Auf einem einsamen Acker, der bestens für ein „Match“ zwischen „echten“ Hooligan-Gruppen geeignet wäre, versammelten sich max. 750 Nazi-Hools weit weg von der Kölner Innenstadt. Der Ärger bei den Organisator*innen und Teilnehmer*innen ist groß, sie betreiben Schadensbegrenzung, versuchen sich als friedliche Demonstrant*innen an die Öffentlichkeit zu verkaufen und stehen nun vor einem Trümmerhaufen. Die Unterstützung aus den organisierten Hooligangruppen war nicht ansatzweise so groß wie im vergangenen Jahr. Es versammelten sich jene, die sich ein Jahr lang radikalisiert haben um eine erhebliche und empfindliche Niederlage im politischen Kampf zu erleben.
Im Nachgang lässt sich auf allen Social Media Kanälen eine gewisse Ernüchterung unter den rechten Hooligans feststellen. Viele sind von der Veranstaltung selber gefrustet und einige von der An- oder Abreise. Sie berichten von Überfallen und Angriffen auf sich und ihre Begleiter*innen. Unter anderem wurde wohl Esther Seitz Opfer eines Angriffes.
Die Proteste
Mehrere zehntausend Menschen gingen am Sonntag gegen HoGeSa auf die Straße. Bereits die Anfahrt der Neonazis wurde Stunden vorher durch Blockaden der Bahngleise – und dadurch bedingte temporäre Einstellung des Zugverkehrs – erheblich erschwert. Zeitgleich beteiligten sich 15.000 bis 20.000 Menschen an einer breiten Bündnisdemo vom Heumarkt zum Deutzer Bahnhof. Dort fand den ganzen Tag eine gemeinsame Kundgebung der aufrufenden Bündnisse Köln Gegen Rechts, Köln Stellt Sich Quer und Birlikte statt, an der mehrere zehntausend Menschen teilnahmen. Die Bündnisproteste waren in ihrer Gruppenkonstellation, ihren Protestformen und politischen Zielrichtungen sehr heterogen. In ihrem Zusammenspiel sorgten die Bündnisse aus Parteien und Verbänden, als auch von autonomen Antifaschist*innen dafür, dass der Tag für die Neonazis im kompletten Desaster endete. Dieses Zusammenspiel ist in Köln im Gegensatz zu anderen Städten bereits seit Jahren recht erfolgreich, so wurde Anfang des Jahres der lokale PEGIDA Ableger erfolgreich blockiert. Beim letztjährigen HoGeSa Aufmarsch funktionierte dies allerdings überhaupt nicht. Breite Bündnisse bedürfen scheinbar immer eines gewissen Vorlaufs oder zentrale stark massenmedial diskutierte Ereignisse, damit sie erfolgreich Massenproteste mobilisieren können.
Auf der Bündnis-Kundgebung zeigten sich die unterschiedlichen politischen Standpunkte: Redner*innen kritisierten einerseits den Rassismus als gesellschaftliches und institutionell- staatliches System und dankten Antifa- Gruppen für ihre kontinuierliche Arbeit, andererseits wurde die Parole Viva Colonia ausgegeben, ganz als ob Rassismus lediglich ein Randphänomen „extremistischer“ Rechter sei und Köln eine durch und durch weltoffene Stadt. Letztlich führten jedoch genau diese Heterogenität und die Entschlossenheit vieler tausend Demonstrant*innen dazu, dass die Neonazis kaum zu ihrer Kundgebung durchkamen und nur mit äußerster Mühe sich überhaupt in der Stadt bewegen konnten.
„Antifa heißt Angriff“
Kleingruppen von Neonazis gerieten bei ihren Anreiseversuchen immer wieder in Blockaden und erlitten dabei teils schwere Verletzungen. Im Vorfeld kündigten viele von ihnen in sozialen Netzwerken schon einen „heißen Tag“ an und freuten sich auf Auseinandersetzungen mit Antifas. Diese waren im Verlauf des Tages für sie jedoch alles andere als erfreulich. So versuchten rund 50 aus Düsseldorf angereiste Neonazis in eine Blockade zu laufen und Demonstrant*innen zu attackieren. Diese reagierten entschlossen, zwei Nazis mussten ambulant versorgt werden. Antifagruppen konnten sich dank der Masse an Protestierenden relativ frei im Stadtgebiet bewegen, was bei anderen Naziaufmärschen meist auf Grund einer Übermacht an Polizist*innen kaum möglich ist. Die Bewegungsfreiheit ermöglichte ihnen am Sonntag zahllose Kleingruppen von Neonazis frühzeitig nach Hause zu schicken.
Massenblockade verhindert Zugang zur Kundgebung
Bei den Masseblockaden und der Kundgebung mit zahlreichen Konzerten konnte mit geringen persönlichem Risiko teilgenommen werden, sodass diese zahlenmäßig stark waren und damit den Handlungsspielraum von Nazis und auch der Polizei erheblich einschränkten. Auch hier wurden vielfach emanzipatorische Forderungen gestellt den Kampf gegen Neonazis mit antirassistischen, feministischen und antikapitalistischen Kämpfen zu verbinden. Während der Blockadeaktionen kam es zu mindestens einem Angriff der Polizei auf die Protestierenden mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken. Videoauswertungen zu dem Vorfall zeigen einen koordinierten Einsatz der Polizist*innen, die wahllos auf die Menschen in der Blockade einschlugen, ohne dabei erkennbar ein konkretes Ziel zu verfolgen. Die Antwort der Menge war die Parole „Ihr seid nur gut bezahlte Hooligans!“ und eine unmittelbare Raumrücknahme trotz Wasserwerfereinsatzes.
Den Tagesabschluss bildete eine große antifaschistische Demonstration mit mehreren Tausend Menschen vom Ottoplatz zum Hauptbahnhof. Das am Tag konsequent umgesetzte Motto „Antifa bleibt Handarbeit“ wurde hier nochmals als Fronttransparent zur Schau getragen. Der Demonstration merke man zu Beginn noch eine gewisse Müdigkeit an. Alle beteiligten schienen sehr erschöpft von dem doch recht langen Tag. Nach Erreichen der anderen Rhein-Seite wurde es vom Heumarkt an dann nochmal laut. Unter anderem auch, weil die Demonstration eine kleine Gruppe von Neonazis entdeckte. Es blieb in diesem Fall jedoch bei Parolen.
Die konsequente Zusammenarbeit der pluralistischen Bündnisse und das größtenteils solidarische Verhalten der Protestierenden führten letztlich zum Desaster von HoGeSa. Ein Comeback der letztjährigen Ereignisse wurde erfolgreich verhindert. Für die antifaschistischen Gruppen geht der tägliche Kampf gegen Neonazis und andere Rassist*innen jedoch weiter.