Auf der Walli werden mit Blick auf die kalte Jahreszeit dringend neue Räume für die Flüchtlinge benötigt. Die angrenzenden Gebäude sollen auch ohne Erlaubnis genutzt werden. Die Stadt übt scharfe Kritik am Vorgehen.
Seit über einem Monat herrscht Ausnahmezustand auf der Walli. Über 7100 Geflüchtete, die in Schweden Asyl beantragen wollen, wurden hier bisher mit warmem Essen und Kleidung versorgt. Täglich kommen 200 bis 400 weitere Menschen dazu. Meist nur für wenige Stunden, solange bis Fährtickets organisiert werden können.
„Die Leute kommen in Badelatschen an und sind durchgefroren“, sagt Britta Kloss von der Alternative gegenüber der MuK. Seit Wochen ist der normale Café- und Konzertbetrieb der Walli eingestellt, um Aufenthaltsplätze zu schaffen. Jetzt muss er wieder aufgenommen werden – eine finanzielle Frage. „Aufgrund der Kälte und der Notwendigkeit, den kulturellen Betrieb auf der Alternative wiederaufzunehmen, ist das Zentrum dringend auf eine räumliche Erweiterung angewiesen“, erklärt Joe Hartung vom Treibsandkollektiv. Die Gebäude des angrenzenden Grünflächenamtes sollen helfen. „Freiwillige und Lübecker Handwerker machen eines davon derzeit nutzbar“, erklärt Britta Kloss. Über den Bezug der anderen Bauten verhandle man seit Wochen. Man sei auf die Häuser des Grünflächenamtes angewiesen, heißt es von Seiten der Walli. „Wir haben viele Frauen und kleine Kinder auf dem Gelände. Die Stadt kann doch nicht von uns erwarten, dass wir sie draußen frieren lassen, obwohl sich die fast ungenutzten Gebäude nebenan optimal eignen würden“, so Kloss. Einzelne Stellen der Stadt hätten sich zwar bemüht, doch eine Perspektive für die Unterbringung der Geflüchteten sei nicht geboten worden.
„Wir waren jetzt lange genug kooperativ, haben Vorschläge gemacht und unsere Unterstützung angeboten“, sagt Jana Schneider vom Flüchtlingsforum. Das Flüchtlingsforum fordert eine sofortige Bereitstellung der Gebäude, um eine menschenwürdige Unterbringung der Geflüchteten zu ermöglichen. Die ehrenamtlichen Helfer auf der Walli würden keine Alternative mehr sehen. Am Sonnabend wollen sie den Betrieb in den beiden benachbarten Gebäuden sonst auch ohne Erlaubnis aufnehmen.
Eine angekündigte Hausbesetzung, für die Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) kein Verständnis hat: „Wir werden eine Hausbesetzung behandeln, wie wir Hausbesetzungen behandeln“, lautet seine Antwort dazu. Die Stadt habe sich in den letzten Woche kooperativ gezeigt und Teile des Gebäudes zur temporären Nutzung zur Verfügung gestellt. „In der Zwischenzeit mussten wir feststellen, dass man in das Gebäude eigenmächtig Fenster eingesetzt hatte.
Das gegenwärtige Verhalten der Walli ist eine Bestrafung für die Kooperationsbereitschaft der Stadt“, so Saxe. Auch Sozialsenator Sven Schindler sagte gestern Abend auf LN-Anfrage: „Ich weiß von der Notsituation seit Mittwochabend.“ Seit gestern bemühe er sich, andere Gebäude auf der Wallhalbinsel zu finden. Einen möglichen Standort gebe es eventuell, noch habe er allerdings keine Antwort der betreffenden Behörden erhalten. „Ich hatte gehofft, mindestens 24 Stunden Zeit zu haben. Die sind bisher noch nicht vergangen.“
Katjana Zunft von der Linken Lübeck ist empört über das verhalten der Stadt. Sie sagt: "Die Linke unterstützt die Forderungen de Flüchtlingsforums. Wir sind empört, dass die Stadt die Walli nicht unterstützt. Das grenzt an unterlassener Hilfeleistung. Es ist nicht in Ordnung, dass die Stadt das Problem so ignoriert, denn es geht sie genauso etwas an. Ein Mensch und drei Rasenmäher, die in den Gebäuden untergebracht sind, stehen in keinem Verhältnis zu hunderten Frauen und Kindern, die vor geschlossenen Toren frieren müssen. Wir werden handeln und Niemanden im Regen stehen lassen."