Krawalle in Leipzig – fast 200 Ermittlungsverfahren noch offen

Erstveröffentlicht: 
20.09.2015

Nach massiven Ausschreitungen von Linksautonomen Anfang des Jahres in Leipzig ist noch keines der fast 200 Ermittlungsverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs abgeschlossen. Besonders die Auswertung beschlagnahmter Handys gestaltet sich für die Ermittler in einigen Fällen schwierig.

 

Leipzig. Acht Monate nach den schweren Krawallen von Linksautonomen in Leipzig dauern sämtliche Ermittlungsverfahren noch an. Dies geht aus einer Antwort des sächsischen Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Linke) hervor. Am 15. Januar hatte eine unangemeldete Demo der linken Szene zu einem Gewaltexzess geführt. Chaoten zerstörten allein am Amtsgericht in der Bernhard-Göring-Straße 40 Scheiben, nahmen Polizeifahrzeuge mit Pflastersteinen unter Beschuss. In 198 Fällen wurden Verfahren gegen bekannte Verdächtige und ein Verfahren gegen Unbekannt eingeleitet. Tatvorwurf jeweils: Landfriedensbruch in besonders schwerem Fall.

 

Im Zuge dessen kassierte die Polizei auch allerhand Ausrüstung von Demoteilnehmern ein, darunter neben 13 Vermummungsgegenständen unter anderem 150 Handys, sechs Sim-Karten, vier analoge Filme, vier SD-Karten, drei iPods und zwei Micro-SD-Karten. Der bundesweit bekannte Blog Netzpolitik.org nannte die Aktion „eine der größte Massen-Beschlagnahmungen von Kommunikationsgeräten bei politischen Versammlungen“.

 

Mittlerweile sei ein großer Teil der eingezogenen Gegenstände wieder an die Besitzer herausgegeben worden, so das Ministerium. Zum Stichtag 21. August befanden sich demnach noch 38 Mobiltelefone und ein iPod in behördlicher Verwahrung. Die Geräte seien „trotz schriftlicher Benachrichtigung nicht abgeholt worden“. Bei weiteren acht Handys sei die Zustellung der Benachrichtigung erfolglos geblieben. Zu vier Telefonen, zwei Sim-Karten und den analogen Filmen werde die Rückgabe derzeit geprüft. Die beschlagnahmten Utensilien zur Vermummung rückt die Polizei hingegen vorläufig nicht heraus, da sie als Beweismittel benötigt werden.

 

Weitere acht Handys befinden sich den Angaben zufolge noch in Auswertung. Ohnehin haben sich die Ermittler am Auslesen von einigen der beschlagnahmten Geräten die Zähne ausgebissen. In 30 Fällen sei dies gar nicht möglich gewesen, teilte das Ministerium jetzt mit. Und das, obwohl die sächsischen Polizeidienststellen neben freien Programmen auch über kostspielige Analysesoftware verfügen. So sind etwa für den „UFED Physical Analyser“ nach Informationen des Innenministeriums Lizenzkosten von mehr als 162 000 Euro fällig. „In 42 Fällen wurde mit den Besitzern zur Zugangserlangung Rücksprache geführt, 13 Personen gaben die Zugangsdaten freiwillig heraus.“

 

Für Juliane Nagel bleibt nach der massenhaften Beschlagnahmung festzustellen: „Handys und Laptops haben bei politischen Aktionen nichts zu suchen“, schreibt die Abgeordnete. „In der jüngeren Vergangenheit ist immer öfter zu beobachten, dass die Polizei Mobiltelefone als Beweismittel einkassiert oder einkassieren will.“

 

Anlass für die Ausschreitungen am 15. Januar war der gewaltsame Tod des 20-jährigen Asylbewerbers Khaled I. in Dresden. „Rache für Khaled!“, hatten Linksradikale danach getönt, „Rassisten und Staat angreifen!“ Mittlerweile hat der 27-jährige Eritreer Hassan S. vor Gericht gestanden, seinen Landsmann im Zuge eines Streits ums Wäschewaschen erstochen zu haben.