In Neumünster müssen 2000 Flüchtlinge in einer alten Kaserne ausharren. Es fehlt an Platz und Kleidern.
Die Erstaufnahme des Landes für Flüchtlinge in Neumünster ist ein alter Kasernenblock, umgeben von einem Zaun. Etwa 50 Menschen sitzen auf dem Rasen vor dem Eingang, Männer, Frauen, Kinder. Ihre dürftige Habe tragen sie in Taschen und Tüten bei sich. Ein Bus wartet auf sie.
„Sie bringen uns in ein anderes Camp“, sagt Omid (40), ein Universitätsdozent aus dem kurdischen Teil Syriens, der hervorragend Englisch spricht. „Wohin, das weiß ich nicht.“ Seit einem Monat ist er schon in der Erstaufnahme und harrt der Dinge, die da kommen mögen. Untergebracht ist er in einem Zelt. Er schlafe nachts kaum, sagt er. „Es ist mir zu gefährlich. Jede Nacht gibt es hier Streit und Schlägereien zwischen den unterschiedlichen Volksgruppen.“ Er ist nicht gerne an diesem Ort, aber etwas Besseres als die hoffnungslos überfüllte Kaserne hat Deutschland ihm bisher nicht zu bieten.
Wer in einem der trostlosen Container oder einem Zelt schläft, hat noch Glück. „Die Zimmer sind völlig überfüllt“, sorgt sich Ursula Rücker aus Malente, die Flüchtlinge ehrenamtlich betreut. An sich für vier Personen ausgelegte Räume seien teils mit Dutzenden belegt. Selbst auf den Korridoren stehen Betten. Menschen liegen darin, ihre Tasche neben sich. In den letzten Tagen und Nächten, so Rücker, hätten viele auf der Wiese gecampt, um sich endlich in der Erstaufnahme registrieren zu lassen. Viele hätten nicht einmal eine Decke gehabt. „Wer weggeht, sei es auch nur, um eine Flasche Wasser zu holen, muss sich wieder ganz hinten anstellen.“
Abdul (24) aus Syrien lebt seit zehn Tagen auf dem Korridor, gleich neben der Tür zum Waschraum, die meist offen ist. Er wolle sich nicht beklagen, sagt er, aber frische Kleidung hätte er schon gerne. „Ich trage seit zehn Tagen dieselben Sachen, weil wir hier nichts bekommen.“ Susanne Berndt, die von der Kieler Staatskanzlei abgeordnete Pressesprecherin der Einrichtung, kommt an dieser Stelle hinzu und unterbindet das Gespräch. Abdul wagt es nicht, mehr zu sagen. Die LN werden des Geländes verwiesen. Nur auf Anmeldung gestatte das Landesamt einen — von der Pressesprecherin begleiteten — Besuch der Flüchtlings-Kaserne.
Per E-Mail gibt Susanne Berndt später Auskunft: Ihr sei nicht bekannt, dass Flüchtlinge nächtelang vor dem Eingang ausgeharrt hätten. „Jedem Flüchtling wird Einlass gewährt. Es kann höchstens sein, dass es Verzögerungen an der Wache gab, weil die Mitarbeiter des Wachdienstes nicht schnell genug ausreichend Decken bereitstellen konnten.“ Von Schlägereien auf dem Gelände oder überbelegten Zimmern wisse sie nichts und Kleiderspenden gebe es an sich viele. „Allerdings fehlen in Neumünster ausreichend große Räumlichkeiten für geeignete Lagermöglichkeiten.“ Es ist indes kein Geheimnis, dass die Kapazität der Erstaufnahmestelle in Neumünster längst überschritten ist. Aktuell sind dort mehr als 2000 Flüchtlinge untergebracht, stündlich kommen neue an. Täglich treffen landesweit zwischen 180 und 250 Neuzugänge ein.
Auch die Zweigstelle in Boostedt, ebenfalls eine alte Kaserne und für 500 Personen ausgelegt, ist immer wieder übervoll. Ende August wurde ein Containerdorf für 800 Menschen in Rendsburg errichtet, derzeit soll es mit 425 Flüchtlingen belegt sein. Die Verteilung der Flüchtlinge auf die Städte und Gemeinden verläuft offenbar schleppend. Gestern, so Berndt, konnten 150 Flüchtlinge in eine Einrichtung in Kiel gebracht werden. Darunter einige derjenigen, die zehn Tage in Neumünster auf dem Korridor ausharren mussten. Heute sollen weitere Transporte nach Seeth, Boostedt und Rendsburg fahren.
Stefan Schenk, Gründer der Lübecker Flüchtlingshilfe, spricht von „unhaltbaren Zuständen“. „Wir brauchen dringend eine größere Erstaufnahme. Und zwar in Lübeck — immerhin ist das die zweitgrößte Stadt Schleswig-Holsteins.“