Nach gerichtlichem Hin und Her durfte in Heidenau doch demonstriert werden: Es blieb friedlich
Von Christine Keilholz
Heidenau/Dresden. So ruhig war es seit über einer Woche nicht
mehr vor der Heidenauer Flüchtlingsunterkunft. Hinterm Parkplatz genießt
eine syrische Familie die Sonne auf einer Decke. Zwei Mädchen toben im
Gras, ein Junge schleicht ums Polizeiauto. Das einzige, das an diesem
Sonnabend vorm Eingang steht. "Wir erwarten eigentlich nichts", sagt
eine Beamtin, "aber zu rechnen ist mit allem."
Eine halbe Stunde später wird das Bundesverfassungsgericht im fernen
Karlsruhe das Versammlungsverbot kippen, das das Landratsamt Pirna
verhängt hat. Keine Veranstaltungen von Freitag, 14 Uhr, bis
Montagmorgen. Dann entschied das Oberverwaltungsgericht in Bautzen, dass
das Willkommensfest des Bündnisses "Dresden Nazifrei" am
Freitagnachmittag doch stattfinden durfte. Genau zwischen 15 und 20 Uhr.
Schließlich, am Sonnabend zur besten Einkaufszeit, kommt aus Karlsruhe
der finale Urteilsspruch: Das Versammlungsverbot ist aufgehoben. Es
umfasste die ganze Stadt. Aber gemeint war vor allem der Parkplatz vor
dem Baumarkt, der vor einer Woche zur zentralen Arena der Republik
wurde.
Am Montag kam Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Am
Mittwoch kam Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Hilfszusagen an
Flüchtlinge und Kommunen. Am Freitag, zum Willkommensfest, kam
Grünen-Bundeschef Cem Özdemir mit Streuselkuchen. Schöne Bilder gingen
um die Welt - grillende Menschen, tanzende Menschen, Kinder mit neuem
Spielzeug. Ein buntes Fest, aber nicht für alle. Als Sachsens
Innenminister Markus Ulbig (CDU) kam, kippte die Stimmung. Ulbig wurde
vom Hof gejagt.
Als am Freitag vor einer Woche Hunderte Neonazis in Heidenau
ausrasteten, waren knapp 140 Polizisten im Einsatz. Wegen
Personalmangels gab es nur eine Verhaftung. Inzwischen, heißt es aus dem
Dresdner Innenministerium, liefen 30 Ermittlungsverfahren. Dank
diverser Internetvideos von den Randalen.
Personalnot auch an diesem Wochenende: Das Versammlungsverbot für
Heidenau sei nötig gewesen, weil trotz Anfragen an andere Länder nicht
genügend Beamte aufzutreiben waren. So sah das Landratsamt in Pirna
"keine andere Möglichkeit als die Verfügung eines Versammlungsverbots
für das Stadtgebiet Heidenau".
"Dresden Nazifrei" demonstrierte trotzdem, nur eben in Dresden. An die
1000 Leute fanden sich am Samstagnachmittag am Hauptbahnhof ein. Unter
dem Motto "Schutz für Geflüchtete statt Verständnis für Rassisten", ging
es dabei zuvörderst gegen die CDU-SPD-geführte Staatsregierung. "Die
Saat von Pegida geht auf", so eine Sprecherin. "Die unsägliche Kumpanei
mit dem alltäglichen Rassismus wird nur von der Ignoranz der
Landespolitik übertroffen." An der Demo im Anschluss nahmen laut Polizei
etwa 5000 Menschen teil. Es gab Zwischenkundgebungen auf dem
Pirnaischen Platz und dem Carolaplatz.
Danach fuhren etliche Demonstranten weiter nach Heidenau. Die dort vom
Jenaer Jugendpfarrer Lothar König initiierte Spontandemo wurde zu einem
Fest mit über 400 Leuten. Die Gegenseite ließ sich diesmal nicht
blicken. Allerdings fand die Polizei bei zwei Autokontrollen
Pyrotechnik. Die Insassen der Autos rechnet die Polizei "dem Lager der
Asylkritiker" zu. Jetzt ermittelt die Kripo.