Landkreis: Polizeilicher Notstand / Ulbig bei Flüchtlingsfest beschimpft
Von Jürgen Kochinke
Dresden. Das Versammlungsverbot im sächsischen Heidenau bleibt
nach einer Eil-Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes in Bautzen
teilweise bestehen. Alle vom Bündnis "Dresden Nazifrei" für den
gestrigen Freitag geplanten Veranstaltungen durften aber stattfinden,
entschieden die Richter gestern Abend. Damit gaben sie teilweise einer
Beschwerde des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gegen einen
anderslautenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden statt. Die
Dresdner Richter hatten zuvor in erster Instanz das vom Landratsamt
verhängte generelle Demonstrationsverbot für rechtswidrig erklärt und
aufgehoben. Unabhängig davon blickt die 16000-Einwohner-Stadt mit
Spannung auf die kommenden Tage, es werden neue Krawalle befürchtet.
Gestern mobilisierte das Bündnis "Dresden Nazifrei" für das
Flüchtlingsfest neben der Unterkunft. An dem Fest nahmen nach
Polizeiangaben rund 700 Menschen teil.
Parallel dazu riefen rechte Gegner der Asylunterkunft zu Protesten auf.
Angesichts dieser Lage und der geringen Anzahl verfügbarer
Polizeikräfte hatte das Landratsamt das Verbot ausgesprochen. Das sorgte
für große Empörung. Der Bundesvize der Gewerkschaft der Polizei (GdP),
Jörg Radek, sprach von einem "Kniefall vor dem Mob". SPD-Bundes- chef
Sigmar Gabriel äußerte Unverständnis, Sachsens Vize-Ministerpräsident
Martin Dulig (SPD) forderte die Rücknahme des Versammlungsverbots. "Ich
gehe davon aus, dass das Innenministerium - auch mit Hilfe des Bundes -
genügend Polizei organisieren kann", sagte er. Die sächsische DGB-Chefin
Iris Kloppich forderte Konsequenzen für Innenminister Markus Ulbig
(CDU). "Für diese neuer- liche Bankrotterklärung ist der Innenminister
verantwortlich und sollte eigentlich selbst die Konsequenzen seiner
verfehlten Politik ziehen."
Ulbig selbst erklärte, das Willkommensfest könne wie geplant
stattfinden. Wegen massiver Beschimpfungen reiste er aber kurz nach
seiner Ankunft auf dem Flüchtlingsfest wieder ab. Ulbig war gerade
angekommen, als sich ein Pulk von rund 30 zumeist linken Demonstranten
um ihn bildete und "Hau ab" skandierte. Auch einige Flüchtlinge
kritisierten den Minister. Er könne die Kritik nur teilweise verstehen,
sagte Ulbig. Auf dem Weg zurück zu seinem Wagen wurde Ulbig von den
Demonstranten verfolgt. Seine Sicherheitsleute konnten sie nur mit Mühe
zurückhalten.
Seit Tagen sorgen rassistische und gewalttätige Ausfälle in Heidenau für
Schlagzeilen. Vor einer Woche wurden bei Tumulten 31 Polizisten
verletzt. Am Mittwoch wurde Kanzlerin Merkel bei ihrem Besuch von
Asylgegnern ausgebuht und beschimpft.