Der zweite Tag des Prozesses war geprägt durch Unterbrechungen in denen sich das Gericht zurückzog um über Anträge der Verteidigung zu beraten – und die voran stehenden Entscheidungen des Richters dann zu wiederholen. Der (derzeitige) Vorsitzende Halbach wirkte dabei zunehmend verunsichert. Zum Ende des etwa 2-stündigen Prozesstages wurde zudem klar, dass die Zusammensetzung des Gerichts nicht korrekt ist.
Doch der Reihe nach:
Zu Beginn steht die Frage im Raum, ob gewährleistet ist dass „die Öffentlichkeit“ rechtzeitig in den Saal kommt. Die Frage war schon am ersten Tag aufgekommen, da durch die Einlasskontrollen eine erhebliche Verzögerung verursacht wurde.
Richter Halbach äußerte hierzu: „wer nicht rechtzeitig kommt muss damit rechnen erst später rein zu kommen.“ Auf den Einlass werde er später noch einmal eingehen.
Bezüglich der neun Befangenheitsanträge aus und vor dem ersten Prozesstag ordnet er an, dass weiter verhandelt wird.
Die Verteidigung beanstandet dies. Voraussetzung für ein Weiterverhandeln wäre, dass eine Verzögerung verhindert werden soll, diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Im Übrigen sei damit, dass im vergangenen Prozesstag der Verteidigung das Wort abgeschnitten wurde der Verteidigung die Möglichkeit genommen worden sich zu äußern.
Die Kammer zieht sich zurück um über die Beanstandung zu entscheiden. Richter Halbach gibt danach bekannt, dass weiter verhandelt wird, die Entscheidung weiter zu verhandeln sei zulässig.
Ein Verteidiger stellt nochmals einen ausführlich begründeten Befangenheitsantrag. In diesem werden die Unregelmäßigkeiten und Beschneidungen der Verteidigerrechte des ersten Prozesstages noch einmal aufgeführt (siehe Bericht vom ersten Prozesstag). Wesentlicher Punkt hierbei ist, dass der Richter in keinem Fall die Anklage hätte verlesen dürfen. Dies sei nötig auf Grund des Beschleunigungsgebots und um unnötigen Verzögerungen zu vermeiden. Denn mit einem neuen Richter beginnt das Verfahren von vorn. Die Verteidigung stellt klar, dass die Kammer abgelehnt sei und sich somit im Schwebezustand befände. Daher sei anzuhalten zumal es keinen unaufschiebbaren Grund gäbe die Frage der Befangenheit nicht sofort zu klären.
Mit Blick auf den ersten Prozesstag ergänzt die Verteidigung, dass
Halbach nun sähe was dabei heraus kommt wenn man die Verteidigung nicht
zu Wort kommen lässt. Nun könne er dies nicht mehr richtig machen. Die
Verteidigung wollte lediglich sicherstellen, dass das Verfahren ohne
Rechtsfehler vonstatten geht.
Eine Verteidigerin beantragt eine Unterbrechung um eine Kopie des umfangreichen Antrags zu erhalten um zu prüfen, ob sie sich dem Antrag anschließt. Der Richter verweigert dies. Andere Verteidiger_innen schließen sich dem Antrag auf Unterbrechung an und verlangen zeitnahe Kopien. Es wird angemerkt, dass es in anderen Verfahren üblich ist, dass ein Kopierer im Sitzungssaal zur Verfügung steht.
Die Kammer zieht sich auf Antrag der Verteidigung erneut zurück um über den Antrag zu entscheiden. Richter Halbach verkündet den Beschluss die Verhandlung fortzusetzen – ohne Kopien. Die Frage der Verteidigung ob er die (recht lange) Pause denn genutzt habe um Kopien zu fertigen oder in Auftrag zu geben verneint er, er habe „gearbeitet“.
Trotz fehlender Kopien stellt sich die Verteidigung geschlossen hinter den umfangreichen Befangenheitsantrag, so dass sich das Gericht zurückziehen muss um über diesen zu entscheiden. Vor Beginn der daraus resultierenden Unterbrechung bekommt ein Angestellter des Gerichts den Auftrag Kopien zu fertigen.
Auch diesmal verkündet Halbach als Ergebnis, dass weiter verhandelt wird.
Nun geht der Richter auf weitere offene Fragen ein. Den Antrag auf Aussetzung der Meldeauflagen für einige der Beschuldigten lehnt der Richter mit Verweis auf den Schwebezustand ab. Da die Befangenheitsfrage nicht geklärt sei könne er derartige Entscheidungen nicht treffen.
Der Richter fragt dann die Verteidigung ob eine beantragte Dienstanweisung über den Einsatz eines bestimmten Richters auf Probe, mittlerweile angekommen sei. Er verliest dazu einige Mails. Der Akte der Verteidigung war offenbar nicht zu entnehmen ob dieser korrekt eingesetzt wurde.
Mittlerweile ist dieses Dokument bei der Verteidigung eingegangen.
Zur Frage der Öffentlichkeit verliest der Richter sodann eine Mail, in der es um den Ablauf der Einlasskontrollen am ersten Tag geht. In dieser heißt es, die Seitentür wurde um 8:50 geöffnet. Zunächst sei nur Presse dort gewesen. Die meisten anderen kamen um 9 Uhr und auch nach Beginn wollten noch Leute rein. Weil die Kontrollaufgabe so komplex sei (Der Eingang sei eine „Vereinzelungsanlage“) könne man nicht sagen wie lange die Wartezeit war. Es gab jedenfalls keine Verzögerung durch die einzelnen Besucher_innen.
Dann geht der Richter auf die Ferienregelung im kommenden Jahr ein. Auch in 2016 will er die Sitzungstage Montag und Mittwoch beibehalten.
Ferien seitens des Gerichts sind vom 25.1. bis 29.1.2016 sowie 7.3. – 18.3.2016 und 17.5.-20.5.2016.
Weitere Urlaubswünsche sollen möglichst früh vorgebracht werden.
Die Verteidigung weist noch einmal auf den Antrag auf Verlegung in einen anderen Saal hin und will wie in großen Verfahren üblich ein Opening Statement verlesen.
Der Richter sagt der Antrag über den Saal wird später entschieden und will ein Opening Statement nicht zulassen weil es in der Strafprozessordnung (STPO) nicht vorgesehen sei. Die Verteidigung stellt klar, dass es lediglich keine Regelung darüber gebe, dies aber nicht heiße, dass es nicht vorgesehen sei und beantragt einen Kammerbeschluss hierzu.
Nach der Unterbrechung für den Kammerbeschluss wiederholt Halbach seine Ablehnung.
Der Richter ist mit seinem Programm durch und will den Tag gerne beenden. Die Verteidigung merkt an noch eine Besetzungsrüge stellen zu müssen, dies ginge auch später. Halbach entscheidet, dass der Antrag noch in der laufenden Sitzung gestellt werden soll.
Die Verteidigung stellt eine umfangreiche Besetzungsrüge und äußert ihre Bedenken hinsichtlich der Schöffen. Die zwei Hauptjugendschöffen sind nicht entbunden worden aber nehmen trotzdem nicht an der Hauptverhandlung teil. Auch nachvollziehbare Abwesenheitsgründe liegen nicht vor. Es gibt keinerlei Dokumentation darüber. Statt dessen ordnete Halbach weitere Ergänzungsschöffen bei. Einzig in internen Tabellen finden sich Notizen. Es gibt weder einen Antrag der Schöffen auf Entbindung noch einen Beschluss des Vorsitzenden Halbach über eine solche. Somit ist die Besetzung der derzeitigen Schöffen fehlerhaft. Das Gericht ist also falsch zusammengesetzt.
Dies wird die Kammer laut Halbach inhaltlich prüfen, zumal die Verhandlung unterbrochen werden muss, wenn diese Rüge zutrifft.
Der Richter beendet die Sitzung um 11:40 Uhr.
Während der Verhandlung wurde im übrigen im Nebenraum Mehmet D. zu drei Jahren Knast verurteilt. Er sei „Kader der PKK“. Der auf das Urteil folgende Protest aus dem Nebenraum war deutlich zu hören.
Näheres zu diesem Verfahren findet sich unter: http://freemehmet.blogsport.eu/
Weitere Infos zum Breite Straße Verfahren (incl. regelmäßiger Updates über den Prozessverlauf) findet ihr hier: https://breitesoli.noblogs.org