Das Karlsruher Verwaltungsgericht entscheidet nach fast fünf Jahren im Fall „Simon Brenner“. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg hatte einen verdeckten Ermittler in die linksalternative Szene der Stadt eingeschleust.
Von Hanning Voigts
Seit der Heidelberger Polizeiskandal bundesweites Aufsehen erregt hat, ist viel Wasser den Neckar hinuntergeflossen. Im Dezember 2010 war durch einen FR-Bericht bekannt geworden, dass das Landeskriminalamt Baden-Württemberg einen verdeckten Ermittler in die linksalternative Szene der Stadt eingeschleust hatte.
Unter der Tarnidentität des Studenten „Simon Brenner“ hatte sich der junge Polizist an Castorprotesten beteiligt, in Lesekreisen mitgemacht, Freundschaften geschlossen. Ende 2010 war er aufgeflogen, als ihn eine Urlaubsbekanntschaft wiedererkannte: Ihr hatte er sich noch als „der Simon von der Polizei“ vorgestellt.
Am heutigen Mittwoch, fast fünf Jahre später, entscheidet das Verwaltungsgericht Karlsruhe in erster Instanz über die Rechtmäßigkeit des umstrittenen Spitzeleinsatzes. Im Sommer 2011 hatten sieben Betroffene eine „Fortsetzungsfeststellungsklage“ eingereicht, weil sie sich zu Unrecht vom LKA ausspioniert fühlten.
Das zuständige Innenministerium, das den Einsatz von „Simon Brenner“ erst nach wochenlangem Schweigen eingeräumt hatte, hatte im Januar 2011 verkündet, der Einsatz habe sich „gegen konkrete Zielpersonen der antifaschistischen / anarchistischen Szene und einzelne Kontaktpersonen“ gerichtet und sei zur „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung“ notwendig gewesen. Der verdeckte Ermittler selbst soll seinen Mitstreitern dagegen gestanden haben, dass sich sein Einsatz gegen die linke Kleingruppe „Antifaschistische Initiative Heidelberg“ (AIHD) richtete.
Michael Dandl versteht bis heute nicht, was ihn eigentlich so gefährlich macht. Auf den Betreiber eines Copyshops, Mitglied der AIHD, war „Simon Brenner“ unter anderem angesetzt. Dandl ist davon überzeugt, dass nun „der komplette Einsatz für unrechtmäßig erklärt wird“. So wie Dandl die Prozessakten versteht, ist er nur deshalb ins Visier des LKA geraten, weil er sich im September 2009 auf einer Demonstration mit einem Mann unterhalten hatte, in dessen Keller Flaschen mit einer brennbaren Flüssigkeit gefunden worden waren.
Dandl und die anderen Kläger glauben, dass die Polizei nur einen Vorwand gesucht habe, um einen Ermittler in die unliebsame Heidelberger Szene einzuschleusen. Das wäre in der Tat rechtswidrig: Verdeckte Ermittler dürfen nur zur Aufklärung schwerer Straftaten eingesetzt werden.
Dass der Prozess jetzt erst beginnt, ist derweil eine Geschichte für sich. Das Innenministerium hatte die Akten geschwärzt, um Interna über die Arbeitsweise der Polizei zu schützen. Die Kläger mussten bis zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ziehen, um die entsprechende Sperrerklärung anzufechten – danach ließ das Ministerium sich ein Jahr Zeit, um eine abgeschwächte Erklärung zu schreiben.
Nicht nur wegen des bundesweiten Interesses könnte das Urteil des Verwaltungsgerichts weit über Heidelberg hinaus Bedeutung erlangen. Im November vergangenen Jahres wurde in Hamburg eine verdeckte Ermittlerin enttarnt, die sogar illegalerweise Beziehungen in der linken Szene geführt haben soll. Auch hier wird gegen den Einsatz geklagt. Bis zu einem Urteil wird vermutlich auch dort viel Wasser fließen. Wenn auch durch die Elbe.