Viele von der Ausspähung durch Polizeispitzel Betroffene suchten den Rechtsweg und bekommen auch Recht. Doch ob damit das Spitzelwesen eingedämmt werden kann, ist noch offen
Von Peter Nowak
Der Einsatz eines verdeckten Ermittlers im Jahr 2010 gegen die linke Szene in Heidelberg war nachweislich umfassend rechtswidrig: Das entschied das Verwaltungsgericht Karlsruhe am Mittwoch. Damit setzten sich die sieben von der Bespitzelung Betroffenen durch, die die Klage ins Rollen brachten. So fand ein Spitzeleinsatz gegen linke Strukturen noch eine juristische Bewertung, der 2010 für Aufsehen sorgte.
Simon Bromma war in die linke Szene Heidelbergs eingeschleust worden und sollte eine antifaschistische Gruppe ausspähen. Doch Simon Brenner, wie der Alias-Namen von Bromma lautete, suchte auch Kontakt zu linken studentischen Initiativen und beteiligte sich auch an bundesweiten Bündnistreffen. Nach knapp 9 Monaten endete die verdeckte Arbeit von Bromma, als er durch Zufall enttarnt wurde.
Eine Urlaubsbekanntschaft erkannte den vermeintlichen Germanistikstudenten als Polizisten und informierte seine neuen Bekannten und vermeintlichen Freunde. Die stellten den vermeintlichen Genossen zur Rede, der innerhalb kurzer Zeit seine Spitzeltätigkeit einräumte und aus Heidelberg verschwand.
2014 hat dann die Frankfurter Rundschau den enttarnten Spitzel wieder entdeckt. In Zeitungsanzeigen versprach er als alternativer Reiseveranstalter Mountainbikegruppen „Spannung, Spaß und Schokolade“ bei Touren durch die Alpen.
Die von der Ausspähung Betroffenen gründete den Arbeitskreis Spitzelklage, die am gestrigen Mittwoch erfolgreich war. Die Vorsitzende Richterin des Karlsruher Verwaltungsgericht Anna Mayer konnte keine konkrete Gefahr bei einem der beiden Zielpersonen der Ausspähung sehen. Die konkrete Gefahr einer Straftat mit erheblicher Bedeutung ist aber die Voraussetzung für den Einsatz eines verdeckten Ermittlers der Polizei.
Michael Dandl, der eine der Zielpersonen war, auf die Bromma angesetzt werden sollte, erklärte gegenüber Telepolis der AK Spitzelklage werde nun beratschlagen, ob die Betroffenen Klagen auf Schadenersatz wegen der unrechtmäßigen Überwachung einreichen. Der AK sieht im juristischen Weg vor allem einen Teil des politischen Kampfes gegen die Überwachung linken Zusammenhänge.
Etwas Sand in das Getriebe des Überwachungsapparates streuen
„Wir können den Repressionsorganen damit etwas Sand ins Getriebe streuen“, hofft Dandl. Doch mit der außerparlamentarischen Widerständigkeit hapert es etwas. Die AG Spitzeleinsatz hatte am vergangenen Samstag in Heidelberg eine Demonstration organisiert, hätte sich aber eine größere Beteiligung gewünscht. Neben den Semesterferien, die in der Universitätsstadt Heidelberg die politische Arbeit erschweren, könnte auch die Häufung von Spitzeleinsätzen gegen linke Zusammenhänge zu einer Abstumpfung beigetragen haben.
Sehr bekannt geworden ist der europaweit agierende Polizeispitzel Mark Kennedy, der in Großbritannien weiterhin die Gerichte beschäftigt. Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko hatte in einem Brief an die britische Justiz darauf hingewiesen, dass Kennedy auch in Deutschland linke Zusammenhänge ausspioniert hat. Zudem hat er freundschaftliche Beziehungen zu Frauen aus den außerparlamentarischen Bewegung geknüpft.
Mehrere der Betroffenen haben Klagen eingereicht. Auch in diesem Fall ist das öffentliche Interesse in Deutschland zurückgegangen. Dabei böten doch gerade die juristischen Schritte in Großbritannien eine gute Gelegenheit, auch hierzulande den Druck zu erhöhen. Man würde sich wünschen, dass ein Teil der medialen Empörung, die die NSA-Überwachung in Deutschland auslöste, auch auf Bespitzelungen verwendet würde, bei dem keine US-Stellen involviert sind.
Es muss sich noch zeigen, ob die optimistische Einschätzung des AK Spitzelklage Bestand hat, die das gestrige Urteil so kommentierten:
Das Urteil ist eine schallende Ohrfeige für einen Repressionsapparat, der sich für allmächtig hält und seine Befugnisse im Verborgenen immer weiter ausbaut.
Undercover-Polizeibeamtin in Hamburg aufgedeckt
Es stimmt schon, dass juristisch schon mehrere Spitzeleinsätze nachträglich für rechtswidrig erklärt wurde. Ähnlich wie es auch häufig mit harten Polizeieinsätzen geschah. Doch genau so wenig wie damit für die Zukunft ausgeschlossen werden kann, dass die Polizeieinsätze weiter repressiv bleiben, so kann auch eine Zurückweisung von Bespitzelungen nicht verhindern, dass in anderen Fällen weiter linke Zusammenhänge ausgeforscht werden.
So wurde von einer linken Recherchegruppe in Hamburg erst vor wenigen Tagen die verdeckte Polizeibeamtin Maria Böhmichen enttarnt, die unter dem Namen Maria Block zwischen 2010 und 2012 in linken Zusammenhängen Hamburgs aktiv war und auch internationale Bündnistreffen besuchte.
Erst vor knapp einen Jahr war in Hamburg die verdeckte Ermittlerin Iris Schneider enttarnt worden. Sie hat unter Anderem lange beim Freien Sendekombinat aktiv mitgearbeitet. Die Betroffenen haben ebenfalls Klage gegen die Bespitzelung eingeleitet.