Manche Beobachter kamen zu dem Schluss, dass der Redner geradezu pfundweise Kreide gefressen haben musste. Wie sonst, bitteschön, käme denn ausgerechnet Oberbürgermeister Bernhard Ilg dazu, ein Hohelied auf Heidenheims Kommunisten zu singen?
Jedenfalls ließ sich Ilg äußerlich nichts anmerken, als er am Mittwoch im Foyer des Rathauses eine Ausstellung eröffnete, die das dokumentiert, was nicht nur dem amtierenden Oberbürgermeister, sondern auch schon manchem seiner Vorgänger Verdruss bereitet hat: „40 Jahre DKP im Heidenheimer Gemeinderat“.
Inhaltlich verantwortet wird die Ausstellung von DKP-Stadtrat Reinhard Püschel und von Altstadtrat Ulrich Huber, jenem Mensch gewordenen Bollwerk gegen die Bourgeoisie, gegen das bereits ein Oberbürgermeister namens Martin Hornung angerannt war. Huber und Hornung: Insider sprachen damals von Don Martino und Peppone, wenn auch mit vertauschten Rollen. Denn: Ein kommunistischer Bürgermeister in Heidenheim? Das möge verhindern, wer will, zur Not auch das Kapital.
Dessen Vertreter waren am Mittwoch weniger anwesend. Dafür die Protagonisten des Proletariats, darunter eben auch Püschel und noch ältere Haudegen wie etwa Günther Bauder. Uli Huber weilt in Kur, hätte sicher viel zu erzählen gehabt, zum Beispiel davon, dass er auch schon mal den Rücktritt des OB gefordert hat – von dem er nun zusammen mit anderen Genossen auf den hohen Sockel der Demokratie gehoben wurde. Der Chef des Gemeinderats attestierte der Heidenheimer DKP unisono, sich seit 40 Jahren einem kommunalpolitischen Prozess zu stellen, „der ein ständiges Suchen, Prüfen, Verändern, Überzeugen und Zustimmung sammeln beinhaltet“.
Um zu verdeutlichen, was die hiesigen Kommunisten ausmacht und was diese gut verstanden haben, bemühte Bernhard Ilg keinen geringeren als den Philosophen Jürgen Habermas: „Durch Demonstrationen erzwingen wir Aufmerksamkeit für unsere Argumente, die wir für die besseren halten.“ Woraus Ilg ableitete: „Der stetige Drang in die öffentliche Wahrnehmung ist sicherlich eine der Stärken der Arbeit der DKP in Heidenheim“.
Ins Hohelied mischten sich aber auch fein komponierte Zwischentöne. So wies Ilg dezent darauf hin, dass der auf der Regierungsbank wenig gelittene Stadtrat Püschel bei der zurückliegenden Gemeinderatswahl zwar erneut ein Mandat für den Gemeinderat erhalten, dabei aber im Vergleich zum Jahre 2009 rund 4000 Stimmen verlor. Fügte aber – ohne ein Bedauern erkennen zu lassen – auch eine andere Wahrheit an: „Weniger hörbar sind Sie in Heidenheim deshalb nicht geworden.“ Dann noch ein an alle, vielleicht auch an sich selbst gerichtetes Wort zur Demokratie. Deren Wachstumschancen sieht Ilg in der Pluralität der Meinungen begründet – allerdings auch nur dort, wo subjektive politische Überzeugungen fair, transparent und in der ehrlichen Absicht ausgetauscht würden, die objektiv beste Lösung für die Bürger zu erstreiten. „Suchen wir also alle gemeinsam der Stadt Bestes.“ Wird schwer, zumindest im kommunalpolitischen Alltag. Auch weil sich die Kommunisten selbst so gar nicht leicht tun mit der Überwindung dessen, was Klaus Mausner, der Sprecher der Landes-DKP, am Mittwoch als „kapitalistische Profitlogik“ bezeichnete. Aber weil sie nach Aussage des Kreisvorsitzenden Wilhelm Benz hartnäckig sind, werden sie weiter um eine Vermehrung des Gebrauchswerts der DKP im Gemeinderat bemüht sein, als dessen Profiteure sie die arbeitende Bevölkerung ausgemacht haben. „Kommunistische Kommunalpolitik ist revolutionäre Kleinarbeit“.
Die Revolution, sie ist bereits im Gang, denn der Feind im eigenen Haus, er war schon da. Irgendwo stand er mitten unter den Gästen der Vernissage, denn einer aus den Reihen der DKP wird auf jeden Fall bei der OB-Wahl gegen Ilg antreten, bevor dem Amtsinhaber allein das Feld überlassen wird. „Wenn nicht ich, dann ein anderer,“ so sagte es Friedhelm Bühner als noch unentschiedener Gegenkandidat am Mittwoch am Rande des Geschehens, das am Ende seinen gutbürgerlichen Gang nahm: mit Sekt und Häppchen – auffallend rot dekoriert.