Warum hält sich Syriens Regime? Asad als Lehrmeister von Asad

Erstveröffentlicht: 
30.07.2015

Trotz dem Verlust weiter Landesteile hält sich Syriens Machthaber Bashar al-Asad an der Macht. Daniel Gerlach zeigt die Logik von Gewalt und Manipulation auf, die das Überleben des Regimes sichert.

Nach vier Jahren des blutigen Bürgerkriegs in Syrien glauben manche Analysten, dass der Anfang vom Ende des Herrschers und seiner Clique nahe. An einen Rückzug dürfte Asad dennoch keinen Gedanken verschwenden. Das jedenfalls legt die Lektüre des Buches des Journalisten Daniel Gerlach nahe, der in dem Band «Herrschaft über Syrien» das Regime in Damaskus auf fast 400 Seiten seziert. Im Umgang mit der Opposition kennt die politische Elite in Syrien nur eine Methode: Sie geht mit brutaler Gewalt gegen jeden vor, der sich ihr nicht unterordnet. Verhandlungen zur Konsensfindung gehören nicht zum Repertoire.

 

Die Methoden von Hama

 

Bashar al-Asad, eigentlich ausgebildeter Augenarzt, hatte dabei einen teuflisch-perfekten Lehrmeister: seinen Vater Hafez al-Asad, der das Land bis zu seinem Tod vor 15 Jahren mit harter Hand regierte. «Es gibt nicht nur eine dynastische, sondern auch eine machtpolitische Kontinuität zwischen Hafez und Bashar al-Asad», schreibt Gerlach. «Die Parallelen zu den Methoden seines Vaters sind offensichtlich.» Beispiel Hama: Als sich 1982 in der syrischen Stadt die islamistischen Muslimbrüder gegen das Regime erhoben, liess Asad senior den Aufstand brutal niederschlagen. Tausende, wenn nicht gar Zehntausende starben. Das von der religiösen Minderheit der Alawiten getragene Regime wollte ein Exempel statuieren und nicht nur die Muslimbrüder bestrafen, sondern kollektiv die gesamte sunnitische Bevölkerung. Als 2011 in Syrien der Aufstand gegen Asad junior begann, reagierte das Regime wieder mit rücksichtsloser Gewalt. Fast täglich schickt es seine Kampfjets los, damit sie Fassbomben abwerfen, die vor allem Zivilisten treffen – wie damals eine Kollektivstrafe. Und auch heute tut Asad alles, um den Bürgerkrieg als Konflikt der Konfessionen zu verkaufen.

 

Das Regime in Damaskus konnte sich an der Macht halten, weil es treue Helfer oder heimliche Verbündete hat. So nutze Asad die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), um sich internationale Unterstützung zu sichern, schreibt Gerlach. Das Regime und der IS koexistierten nicht nur, sondern seien in gewisser Weise sogar abhängig voneinander: Nur mit den Extremisten kann Asad der Welt weismachen, der Aufstand gegen ihn sei in Wirklichkeit ein Komplott von Terroristen. Wichtigster Alliierter von Asad ist aber der schiitische Iran, der nicht nur Geld und Waffen, sondern auch Kämpfer nach Syrien schickt. Ohne Teheran wäre das Regime schon längst gestürzt. Manche Gegner Asads sehen in Iran seit langem eine Besatzungsmacht. Das aber hält Gerlach für eine «deutliche Überschätzung» der Rolle Teherans und für einen Vorwurf, der zu den gängigen Propagandamitteln gehöre. Ein berechtigter Einwand.

 

Nicht reformierbar

 

Gerlach, Chefredaktor des auf den Nahen Osten spezialisierten Magazins «Zenith», argumentiert an einigen Stellen allzu ausschweifend. Trotzdem gelingen ihm interessante Einsichten in das Regime und seine Herrschaftstechniken. Die politische Elite versucht, das Land vor allem mit einem permanenten unterschwelligen Terror zu beherrschen. Jeder solle bei seinen Handlungen immer an ein «drohendes, empfindliches Übel» denken. Diese syrische Form der «DDR-Staatssicherheit» sei letztlich «zur überlebenswichtigen Substanz des Regimes und seiner Schergen» geworden, schreibt Gerlach: «Angst und alltägliche Erpressung mögen auf eine Gesellschaft wie ein Spaltpilz wirken, innerhalb des Systems der Macht haben sie offenbar den gegenteiligen Effekt: Sie halten es zusammen.»

 

Lässt sich dieses Regime reformieren? Gerlachs Antwort ist deutlich: nein. Das, meint er warnend, sollte auch jedem bewusst sein, der mit dem Regime nach einer internationalen Lösung suche. Es «kann und will die Logik der Gewaltherrschaft nicht durchbrechen, denn damit würde es sich selbst abschaffen». Keine guten Aussichten für ein Land, in dem bereits mehr als 220 000 Menschen im Bürgerkrieg ihr Leben verloren haben.

 

Daniel Gerlach: Herrschaft über Syrien. Macht und Manipulation unter Asad. Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2015. 388 S., Fr. 24.90.