Die einen haben Ängste, die anderen bieten Hilfe an: 200 Menschen haben in Freiburg über die neue Notaufnahmestelle für Flüchtlinge diskutiert – teils emotional, zum großen Teil aber sachlich.
Ende des Monats sollen die ersten 300 Flüchtlinge in zwei Zelthallen auf
den ehemaligen Sportplatz der Polizeiakademie an der Lörracher Straße
ziehen. Mit kürzester Vorlaufzeit muss das Regierungspräsidium
beheizbare Leichtbauhallen mit Zeltdach errichten. Am Ende sollen 500
Flüchtlinge in dieser provisorischen Erstaufnahmeeinrichtung
unterkommen. Die Arbeiten laufen bereits.
Kurzfristig anberaumt wurde eine Informationsveranstaltung für
Bürgerinnen und Bürger, in der die Pläne für das Notaufnahmelager
vorgestellt wurden. Mehr als 200 Interessierte kamen, so dass noch
zusätzliche Stühle aufgestellt werden mussten. Es blieb weitgehend
sachlich, auch wenn mitunter die Meinungen von besorgten Nachbarn auf
die Ansichten von anwesenden Aktivisten prallten. "Kein Mensch flieht
ohne Grund" hatten diese als Transparent ausgerollt.
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Regierungsvizepräsident Klemens Ficht nannte aktuelle Zahlen: 10.000
Flüchtlinge sind im Juli nach Baden-Württemberg gekommen, 4500 allein in
den ersten elf Augusttagen. "Täglich sind es im Moment 500 bis 600
Menschen", so Ficht. Weil alle Erstaufnahmeeinrichtungen im Land heillos
überfüllt sind, werden nun im Schnellstverfahren die zwei
Leichtbauhallen auf dem Polizeiakademie-Sportplatz errichtet. "Es sind
Menschen, versetzen Sie sich in ihre Lage", appellierte Ficht an die
Anwesenden.
Wie die Notaufnahmestelle aussehen soll, darüber berichteten Manfred
Weiss vom Regierungspräsidium und Michael Borrmann, Leiter des Amtes für
Vermögen und Bau in Freiburg. Neben den Leichtbauhallen als Unterkünfte
gibt es ein weiteres Zelt als Aufenthaltsraum. Es gibt
Sanitärcontainer, obwohl diese aktuell kaum noch zu bekommen seien, ähnlich wie auch Leichtbauhallen.
Eine Catering-Firma sorgt für drei Mahlzeiten am Tag, ein
Sicherheitsdienst kontrolliert den Zugang zum umzäunten Gelände und soll
verhindern, dass Unbefugte in die Unterkunft kommen. Die Pforte samt
Zufahrt für Busse und Liefer-Lkw soll an der Ecke
Lörracher-/Schildackerstraße liegen, neben dem E-Center. Das
Regierungspräsidium verhandelt mit der Firma European Home Care (EHC),
welche die Notunterkunft betreiben soll. "Wir haben mit EHC in
Villingen-Schwenningen sehr gute Erfahrungen gemacht", so
Regierungsvizepräsident Ficht. Unter den Zuhörern gab es jedoch auch
andere kritische Stimmen.
"Es geht um die größte Herausforderung der letzten Jahrzehnte, die können wir nur zusammen meistern", sagte Freiburgs Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach, der leidenschaftlich um Unterstützung warb. Das Land habe für die provisorische Erstaufnahmeeinrichtung BEA in Freiburg einen für die Sozialbetreuung einen Schlüssel von 1 zu 100 zugesagt – ein Sozialarbeiter auf 100 Flüchtlinge. "Das ist besser als andernorts", entgegnete der Bürgermeister dem Raunen im Publikum. Von Kirchbach sprach von Behörden, die im Krisenmodus arbeiten, und sah Stadt und Regierungspräsidium in einer Verantwortungsgemeinschaft.
Fragen gab es viele. "Wir haben einfach Ängste", sagten mehrere
Anwohner. Kritik gab es an der Position der Zufahrt, auch am Standort
insgesamt. Das sei "städtebauliche Barbarei", meinte jemand. Haslach
werde über Gebühr belastet, sagte ein anderer Zuhörer. Nein, entgegnete
Bürgermeister von Kirchbach. Die Flüchtlinge seien ziemlich gleichmäßig
über die Stadt verteilt. Wie steht es um Lärm, wie mit der Sicherheit?
"Die Polizei wird sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten kümmern", versprach
Alfred Oschwald vom Polizeipräsidium Freiburg. Die Polizei habe sich
bereits in anderen Städten mit Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA)
informiert.
Eine andere Frage war: Wird es der Freiburger Erstaufnahmeeinrichtung so
gehen wie der in Ellwangen, die für 500 Menschen konzipiert war und die
nun völlig überbelegt ist? Das Land wolle nicht die jetzigen Zelthallen
zur späteren offiziellen LEA in den Gebäuden der Akademie betreiben.
"Aber natürlich kann man im Moment nichts sicher sagen", antwortete der
Regierungsvizepräsident.
Viele Fragen blieben am Dienstagabend offen. Etwa die nach dem
eigentlich nicht vorhandenen Außenbereich um die Zelte herum. "Der
Standort ist nicht optimal, es ist eben ein Provisorium", entgegnete
Amtsleiter Borrmann.
Es gab viele Stimmen, die dafür warben, den Flüchtlingen zu helfen.
Ehrenamtliche Unterstützung wurde angeboten und ist auch willkommen, wie
die Behördenvertreter betonten. Es gelte besonders auf die Situation
von Frauen und Kindern zu achten, mahnte mehrere Zuhörerinnen. "Suchen
Sie die Nähe zu diesen Menschen, wie Sie die Nähe zu anderen Nachbarn
auch suchen", riet eine Zuhörerin den Bewohnern der ECA-Siedlung, die
dem Sportplatz gegenüber liegt.
"Es geht um Menschen, und es ist unsere Verpflichtung ihnen zu helfen,
weil es uns besser geht", appellierte der Unternehmer Horst Zahner. Ein
Bewohner aus der Nachbarschaft sagte, in seinem Haus seien bereits
Kleiderspenden für die Flüchtlinge gesammelt worden. "Wir können das gut
gebrauchen, die Kleiderkammern sind leer", antwortete Ansgar
Fehrenbacher, Leiter des Referats Ausländerrecht beim
Regierungspräsidium.
Und: Am Ende gab es noch ein Angebot von Regierungsvizepräsident Klemens
Ficht an die Nachbarn: Diese könnten, wenn die Zelthallen fertig
aufgebaut sind, das Notaufnahmelager vor Bezug besuchen, um sich selbst
ein Bild vor Ort zu verschaffen.