Wie bekannt sein sollte sitzen unsere zwei Freunde I. und P. nun schon
seit dem 14. November 2009 in Untersuchungshaft. Mit diesem Text
möchten wir ein wenig Klarheit schaffen über deren Situation, da u.A.
durch die Medienberichterstattung – die in diesem Fall mehr einer
Medienhetze gleicht – falsche oder verwirrende Informationen verbreitet
wurden. Ausserdem wurden wohl auch andersweitig Informationen teilweise
nicht korrekt von Mund zu Mund weiter zu geben. Nun versuchen wir eine
kleine Übersicht zu schaffen. Wir halten uns aber vor, uns bekannte
Informationen nicht weiter zugeben, wenn wir finden, dass diese aus
taktischen oder auch persönlichen Gründen, besser nicht veröffentlicht
werden.
Seit längerer Zeit sind in Aarau relativ viele politische Sprayereien verübt worden. Aufkleber sind schon längst an vielen Hauswänden ersichtlich. Ende Oktober letzten Jahres wurden zwei Personen auch beim sprayen von Schablonen erwischt und verzeigt. Nichtsdestotrotz hielten die Sprayereien an bzw. häuften sich sogar noch. Am 23. Mai begann dann laut der Kantonspolizei eine Serie von Brandstiftung gegen Luxus-Autos. In regelmässigen Abständen (jeweils Freitag- oder Samstagnacht) wurden Autos im/ums Aarauer Zelgli-Quartier angezündet. Das Zelgli-Quartier ist ein eher wohlhabendes Quartier mit vielen Einfamilienhäuser im Süden der Stadt Aarau. Im August veröffentlichte die Kantonspolizei dann erstmals eine Mitteilung, dass es einen Brandanschlag auf ein Auto gab – vorher wurde nicht darüber informiert. Es ist auch davon auszugehen, dass ab August das Quartier systematisch überwacht wurde.
In der Nacht vom 14. November waren I. und P. zusammen im Zelgli-Quartier unterwegs. Auch an diesem Abend wurde anscheinend die Gegend von der Polizei u.A. mit zivilen Einsatzkräften überwacht. Als erneut versucht wurde zwei Personenwagen in Brand zu setzen, wurden die Beiden um ca. 5 Uhr Morgens zu Hause verhaftet. Seit diesem Zeitpunkt sitzen unsere Freunde und Genossen in Aarau in Untersuchungshaft. Wie dann die Kantonspolizei Aargau verlauten liess, wird ihnen vorgeworfen für die insgesamt acht Brandstiftungen an Personenwagen, vornehmlich an Fahrzeugen der gehobenen Klasse, verantwortlich zu sein. Des weiteren: «Bei zwei Bränden bestand die Gefahr für Leib und Leben von Personen, indem das Feuer auf Gebäude überzugreifen drohte. Die Brandstiftungen waren mehrfach begleitet von teilweise massiven Sprayereien an öffentlichen Gebäuden.»
Zur Situation der beiden Inhaftierten
Die zwei Inhaftierten sind seit Inhaftierung in Einzelhaft untergebracht. I. ist im Gefängnis des KAPO-Posten an der Tellistrasse und P. Beim Amtsgericht an der Laurenzenvorstadt untergebracht. Besuch dürfen sie einmal in der Woche für eine halbe Stunde von maximal zwei besuchsberechtigten Personen empfangen. Einmal am Tag dürfen sie für 30 Minuten nach draussen. Zu Verfügung steht ihnen in der Zelle lediglich einen Fernseher und Bücher aus der dortigen Bibliothek. Zeitungen erhalten sie nicht. Beide Gefangenen essen kein Fleisch – einer der Genosse lebt vegan – trotzdem erhalten sie immer wieder Fleisch und/oder Käse oder das Stück Fleisch wird einfach weggelassen und ihnen bleiben dann nur die Beilagen. Natürlich ist es auch nicht erlaubt Essen vorbei zu bringen und das Angebot des Knast-Kioskes kann Mensch sich wohl selber ausmalen. Durch diese Isolation und dem Druck dem Beide ausgesetzt sind, geht es ihnen zur Zeit sehr schlecht. Wer sie unterstützen möchten kann ihnen zum Beispiel Briefe schreiben (Infoladen Reitschule, Vermerk: Aarau, Postfach 5053, 3001 Bern – Einen Absender nicht vergessen [Der Absender kann auch der Infoladen Reitschule sein]). Jedoch werden Briefe zum Teil extrem lang zurückgehalten, bis sie dann schlussendlich weiter geleiten werden. I. und P. freuen sich vor allem über Informationen über Geschehnisse ausserhalb des Knastes, was auf der Welt so passiert und alles was sie irgendwie aufheitert, wie Fotos, Bilder, etc. (Hier noch der Vermerk das davon abzuraten ist, Geld direkt mit zu schicken. Es kann so nicht garantiert werden, dass es auch ankommt. Gebt eure Spende lieber der Antirep-Gruppe ab – Augen und Ohren offen halten für Soli-Bars, -Konzis etc.) Ausserdem wurde uns auch von den teilweise katastrophalen hygienischen Zustände der Zellen berichtet berichtet (voll uriniert/geschissen).
Unverständlich ist sicherlich, wieso dass I. und P. breits schon eineinhalb Monate in U-Haft sitzen müssen. Der zuständige Aarauer Bezirksamtmann Gautschi sagte zur Aargauer Zeitung: «Sie sind nicht geständig.» Die Untersuchungshaft sei - aufgrund der Kollusionsgefahr - nicht unbegründet. Dies war Anfang Dezember, nun war am 21. Dezember in der AZ zu lesen: Gegen die zwei jungen Schweizer läuft ein Verfahren wegen mehrfacher qualifizierter Brandstiftung und Sachbeschädigung. Sie sind nicht geständig. Wie der für den Fall zuständige Bezirksamtmann Dieter Gautschi erklärte, sei gestern für einen der beiden Inhaftierten ein abgelehntes Haftentlassungsgesuch beim Bezirksamt eingetroffen. Wie lange die beiden mutmasslichen Brandstifter noch in Haft bleiben, ist unklar. «Die U-Haft dauert an», hält sich Untersuchungsrichter Dieter Gautschi kurz. Es ist also davon auszugehen dass die beiden Anarchisten noch längere Zeit weiter im Untersuchungshaft sein werden. Wie die Untersuchungsbehörden erklärten, wird es erst im Januar neue Informationen zu den Ermittlungen in der Brandserie geben.
Mögliche Hintergründe und Medienhetze
In der letzten Zeit wurde vor allem in den bürgerlichen Medien viel darüber diskutiert, warum nun überhaupt diese Autos angezündet wurden. Das Regionalfernsehen Tele M1 berichtet aus dem Zelgli-Quartier und sprach mit Anwohner_innen, die völlig ratlos und verständnislos waren. Ein sehr cleverer Journalist fand dann wohl heraus, dass das ein oder andere Auto, welches abbrannte, einem SVP-Politiker gehörte. In den nächsten Tagen war dann überall von gezielten Anschlägen auf teure Autos von SVP-Politikern die Rede. Von wo dieses Wissen bzw. diese Überzeugung kommt ist für uns unklar. Es gab in den letzten Monaten kein eineinziges Bekennerschreiben zu diesen Brandanschlägen. Und auch wenn diese einen politischen Hintergrund haben, kann es auch einfach ein Zufall sein, dass es einige SVP-Politiker getroffen hat.
Für die Medien war hierbei sofort klar, dass dies von I. und P. verübt wurde und diese gezielt vorgegangen sind. Von wo der Blick sein Wissen hat, ist dann eine weitere Frage. Anzunehmen durch eine Lücke auf Seiten der Polizei – veröffentlichte der Blick am 10. Dezember dann einen Artikel mit dem Titel: «Richter überzeugt: Dieser Juso fackelte die Luxus-Autos ab». Dort wurden die Namen unserer Genosse veröffentlicht. Ausserdem wurde von I. ein Foto abgebildet, u.A. da er mal bei der JUSO war. Natürlich distanzierte sich die JUSO sofort von I. falls er was mit den Brandanschlägen zu tun habe. Natürlich meldete sich dort auch wieder Herr Gautschi zu Wort: «Spuren müssen noch ausgewertet werden», sagt Bezirksamtmann Dieter Gautschi (61), der Untersuchungsrichter. Er ist sicher: «Wir werden den beiden Mitgliedern der Linksautonomen-Szene alle Taten beweisen, obwohl sie alles abstreiten.» Den Blick-Artikel nutzte dann wohl auch das dubiose konservative Infoportal «Winkerlried» und trieb dort nun die Hetze gegen die zwei Inhaftierten auf die Spitze. Von «Attentäter» ist dort die Rede und es wurden die Namen der Beiden und sogar der einen Mutter und deren Firmenadresse veröffentlicht.
Es muss weiter gehen…
Einschüchtern lassen wir uns aber nicht. Auch wenn die Presse- und Medienlandschaft über unsere Freunde uns her ziehen, die Polizei die beiden Inhaftierten psychisch und physisch foltert, sie uns die staatliche Repression spüren lässt, uns fest nimmt, uns weg weist und uns versucht zu kriminalisieren, wir geben nicht auf bis unsere Freunde wieder auf freiem Fuss sind.
Es ist schön, dass es schon zu einigen Soli-Aktionen in verschiedenen Schweizer Städten gekommen ist. Aber vergessen wir I. und P. nicht – machen wir weiter! Die Möglichkeiten sind vielseitig: Spendet euren Geld von der Vokü, von eurer Bar oder vom letzten Konzert dem Antirep-Team für ihre Arbeit (und natürlich auch direkt für I. und P.), schreibt Blog-Artikel und Leserbriefe, macht Soli-Aktionen auch in eurer Stadt, besucht die Beiden vor den Knästen oder schreibt ihnen Briefe.
Die Antrirep Gruppe Aarau versucht in Zukunft regelmässiger Informationen geordnet weiter zu leiten und selbstverständlich werden wir uns auch in Zukunft mittels Aktionen mit I. und P. Solidarisieren.
Wir fordern …
– die sofortige Freilassung von I. und P. aus der Untersuchungshaft
– die Absetzung des Bezirksamtmann Gautschi
– die Absetzung des Staatsschutz (Erismann, Urech und Roth)
– und die Beendigung der Kriminalisierung der Solidaritätsbewegung von I. und P.!
28. Dezember 2009, Antirep Aarau
Solidarität für I. und P. – Freiheit für alle Gefangenen!
Feuer und Flamme der Repression – Aarau bleibt Paris!