Göttingen ist "Brennpunkt" politisch-motivierter Kriminalität

Erstveröffentlicht: 
10.08.2015

Prügel, Schüsse, Brandanschlag – im Juli hat es laut Volker Warnecke eine Häufung von mutmaßlich politisch motivierter Kriminalität (PMK) in Göttingen gegeben. Ob ein Trend zur Eskalation vorliege, müsse noch untersucht werden, sagt der Leiter des Zentralen Kriminaldienstes der Polizeiinspektion Göttingen.


Göttingen. Bei einem der Fälle wurde in der Nacht zum 7. Juli auf das Parteihaus der Göttinger SPD ein Brandanschlag verübt.

Mit Pflastersteinen warfen Unbekannte ein Fenster eines im Erdgeschoss befindlichen Reisebüros ein und warfen Bengalos in den Raum. Die Täter hatten zudem Parolen zur Griechenlandkrise am Haus hinterlassen. Die Vermutung, dass es sich um PMK handle, liege nahe, sagt Warnecke, doch so einfach sei die Einteilung nicht.

Ob eine politisch motivierte Straftat vorliege, „wird in jedem Einzelfall auf Basis des polizeilichen Ermittlungsergebnisses beziehungsweise der rechtlichen Bewertung durch die Staatsanwaltschaft Göttingen geprüft“, erklärt die Polizei dazu. Dabei sei auch zwischen „links- und rechtsmotiviert“ zu unterscheiden.

Der Angriff von maskierten Männern, die das Opfer zuvor „Scheiß Nazi“ genannt haben sollen, die Schüsse aus einer Softair-Waffe vom Grundstück einer Burschenschaft auf eine studentische Wohngemeinschaft, die Verletzung des Sprechers einer Wohnrauminitiative, den Verbindungsstudenten angegriffen haben sollen, oder die Attacke eines Neonazis auf ein Paar – das alles sind Taten in Göttingen im Juli, bei denen noch nicht abschließend geklärt werden konnte, ob sie der politisch motivierten Kriminalität zuzuordnen sind. „Hier wird nichts verniedlicht“, sagt Warnecke. Allen Tatbeständen würde gleichermaßen nachgegangen.

2013 gab es laut Polizei in Göttingen 30 Gewalttaten, die dem „Phänomenbereich links-motiviert zugeordnet wurden“ (2014: 24). Im selben Zeitraum verzeichnete die Göttinger Polizei vier „rechts-motivierte“ Gewalttaten (2014: eine). „Für 2015 liegen noch keine statistischen Zahlen vor“, teilt die Polizei mit.

Ob aktuell ein deutlicher Trend zu einer Eskalation zu verzeichnen sei, müsse noch ausgewertet werden. Warnecke spricht von Wellenbewegungen, die seit vielen Jahren bei der Zahl der Fälle polizeilich registrierter PMK zu beobachten seien. In manchen Monaten gebe es beispielsweise vermehrt Straftaten, weil auch entsprechende Veranstaltungen wie Demonstrationen organisiert würden.

Allerdings liege zum Beispiel dem Brandanschlag auf das SPD-Parteibüro eine besondere kriminelle Energie zugrunde, so die Polizei.

„Die Studentenstadt Göttingen wird auch nach Einschätzung des Landeskriminalamtes Niedersachsen weiterhin als einer der Brennpunkte von PMK in Norddeutschland bewertet. Besonders herausragende Beispiele hierfür waren die mutmaßlich politisch motivierten Brandanschläge beziehungsweise das Ablegen sogenannter unbekannter Spreng- und Brandvorrichtigungen in der Innenstadt“, sagt Warnecke und geht unter anderem auch auf einen Brandanschlag in der Vergangenheit ein: Der Wagen eines Beamten der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit wurde 2014 in Geismar angezündet.

Von Friedrich Schmidt