Besinnliche Wagenburg

Eine Mischung aus Wohnzimmer und Skihütte: Weihnachten auf dem besetzten M-1-Grundstück im Stadtteil Vauban.
Erstveröffentlicht: 
28.12.2009

Besinnliche Wagenburg

Gemeinsam essen, zusammensitzen, reden, spielen. Obwohl die Besetzer des M1-Grundstücks im Stadtteil Vauban deutlich anders leben als die Mehrheit der Bevölkerung: Weihnachten verläuft bei ihnen ähnlich. Einen geschmückten Tannenbaum gibt es zwar nicht, dafür aber viel Zeit für Besinnlichkeit - und zum Nachdenken. Denn gänzlich ungetrübt ist die Stimmung bei den Wagenburglern nicht. Da das Grundstück verkauft werden soll, wird die Stadtverwaltung das Gelände wohl bald räumen lassen.


Heiligabend, 17 Uhr. Draußen regnet es in Strömen, doch in der selbst gezimmerten Baracke ist es gemütlich warm. Der Ofen bollert, eine Kerze sorgt für heimeliges Licht. Von der Decke hängen rote Vorhänge, unten stehen Sofas vom Sperrmüll, ein großer Tisch – und in der Ecke ein Kicker und sogar ein altes Klavier. Es ist eine Mischung aus Wohnzimmer, Partykeller und Hüttenatmosphäre, die sich die Wagenburgler inzwischen als allgemeinen Aufenthaltsraum auf dem Grundstück im Eingangsbereich des Vauban geschaffen haben. Betonpoller erinnern daran, was ein Teil der Baracke früher einmal war: das große Schild, auf dem angekündigt wurde, dass auf dem Grundstück ein "Green Business Center" entstehen soll. Gegen diese Pläne gab es seit langem Protest aus dem Stadtteil, im Mai dieses Jahres besetzten Aktivisten schließlich das Grundstück.

Am 15. Dezember hat nun aber der Gemeinderat beschlossen, dass die städtische Wohnungsgesellschaft Freiburger Stadtbau die Fläche bebauen soll. Zuvor wird das Gelände für die Expo 2010 hergerichtet. Und das bedeutet für die Stadtverwaltung: Die Wagenburgler müssen weg. Diese haben sich seit Juni zu den ursprünglichen Besetzern gesellt – und die Situation dafür genutzt, sich nicht nur für eine andere Nutzung des M1-Geländes einzusetzen, sondern auch weitere Plätze für alternative Wohnformen in Freiburg zu fordern. Rund 15 Wagenburgler leben derzeit auf dem Grundstück. Sie nennen sich "Kommando Rhino" – in Anlehnung an einen Schweizer Investor, der das "Green Business Center" entwickeln wollte, dann aber wieder absprang. Ansonsten haben die Aktivisten mit der Schweiz nichts zu tun. Gerüchte, dass eine schweizerische Gruppe nun in Freiburg einen neuen Wagenplatz fordere, seien absolut falsch, sagen sie. Vielmehr hätten sie alle auch schon zuvor im Raum Freiburg gelebt.

Knapp zehn junge Männer sitzen am Heiligen Abend um den großen Tisch, der Rest ist ausgeflogen und verbringt Weihnachten lieber unter dem elterlichen Tannenbaum. Auf der gemusterten Tischdecke liegen Kartenspiele, es gibt noch einen Rest Käsenudeln. "Auch wenn wir lieber im Wagen wohnen wollen: Wir sind auch ein Teil von Freiburg", sagt ein Wagenburgler. Aus Angst vor "Repressionen" möchte niemand seinen Namen in der Zeitung lesen oder auf dem Foto erkannt werden. Denn die Wagenburgler stellen sich auf eine harte Zeit ein. Sie gehen davon aus, dass die Räumung durch die Stadtverwaltung kurz bevor steht. Sie wollen sich bis zum letzten dafür einsetzen, dass es in der Stadt mehr Raum für alternative Wohnformen gibt – für den, und das betonen sie ausdrücklich, sie auch gerne bereit seien, Miete zu bezahlen.