Islam-Hasser auf der Neugasse in Meißen

Erstveröffentlicht: 
06.08.2015

Asyl-Gegner und -Befürworter sind am Mittwochabend in Meißen auf die Straße gegangen.

 

06.08.2015 Von Peter Anderson

 

Drei Japaner mit Sonnenhüten eilen dem Meißner Bahnhof zu. Kurzbesuch in der Porzellanstadt beendet. Der Parkplatz vor der Stadtbibliothek ist voll mit Touristenautos belegt. Die Kennzeichen zeigen Besucher aus Italien, Österreich und Lettland an. Vom Turm der Frauenkirche schlägt es Sechs. Ein sommerlicher Mittwochabend mitten in der Urlaubszeit steht bevor. Alles scheint normal. Doch der Schein trügt.

 

Rund um den Heinrichsbrunnen sitzt und steht ein buntes Völkchen. Viele bekannte Gesichter sind zu erkennen. Afra-Pfarrer Bernd Oehler hält eine Gitarre in der Hand. Theater-Chefin Renate Fiedler kommt von nebenan herbeigeeilt. Vom Berg steigen Burgchef Uwe Michel und Kulturvereinschef Walter Hannot herab. Das Bündnis für ein buntes Meißen hat für diesen Abend zum gemeinsamen Singen eingeladen, zum Ansingen gegen Fremdenhass, gegen Rassismus und Menschenverachtung. Die Stimmung ist fröhlich, gelöst und friedlich, wie bei einem Sommerfest. Kinder toben zwischen den Beinen der Erwachsenen herum. Ein Gedicht wird rezitiert. „Dona nobis pacem“ ertönt. Das Lied „Gib uns Frieden“ lieferte einen der Leitsprüche der Friedlichen Revolution von 1989.

 

Getrennt durch auf mehrere Mannschaftswagen verteilte, rund 80 Polizisten beginnt nur wenige Meter entfernt auf der Neugasse ein zweites Treffen. Vom Eingang zur Sparkasse bis zum Anfang des Drogeriemarktes wird die Menge gegen Sieben reichen. Die Polizei schätzt sie auf 200 Personen. Ob das reicht?

 

Die rechtsextreme, sogenannte Initiative Heimatschutz hat zu einer Kundgebung mit anschließendem Spaziergang gegen „Asylbetrug“ eingeladen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer liegt unter dem der fröhlichen Sänger am Heinrichsbrunnen. Die warmen Temperaturen lassen zahlreiche Tätowierungen sichtbar werden. „SGD – mein Verein“, ist auf einem muskulösen Herrennacken zu lesen. Die Haare sind an den Seiten ordentlich rasiert. Über der Masse schwebt eine Wolke aus Zigarettenrauch. Eine NPD-Delegation mit den Kreisräten Jürgen Gansel und Peter Schreiber trifft mit schwarz-rot-goldener Fahne ein. Leutselig begrüßt Gansel einen der Heimatschutz-Ordner. Die Alternative für Deutschland verteilt Flugblätter. Eines ihrer Mitglieder ist ebenfalls als Redner angekündigt. Verspätet stoßen die in Schwarz gekleideten Mitglieder der Freitaler Kameradschaft „Sachsen wach auf!“ hinzu. Auf den Rücken ihrer T-Shirts flattert das Schwarz-Weiß-Rot des Kaiserreichs.

 

Der bayrische Rechtspopulist Michael Stürzenberger erklimmt als Hauptredner die niedrige Bühne. Die Kritik am Islam ist seit Jahren sein Thema. Routiniert spult er einen Katalog an Stereotypen ab. Hunderttausende triebhafte Muslime lässt er vor seinen Zuhörern nach Deutschland marschieren – mit dem Auftrag, das christliche Abendland zu vernichten und die hübschen Meißnerinnen zu schänden. „Wollt Ihr das“, brüllt Stürzenberger in die Menge. „Nein“ und „Buh“, kommt es zurück. Jeder Muslim sei ein Terrorist. In diesem Satz fasst Stürzenbergers seinen halbstündlichen Monolog zusammen. Beifall und Nicken aus dem Publikum. Auf die Kundgebung folgt der Spaziergang. Von der Polizei begleitet machen sich die Demonstranten auf den Weg. In den Gesprächen wird der weitere Abend verplant. Vielleicht noch ein Bierchen in der Stammkneipe oder sogar Grillen? Eine sommerliche Nacht mitten in der Urlaubszeit steht bevor. Alles scheint normal. Doch der Schein trügt.