Brandanschläge auf Ticketautomaten in Leipzig

Die jüngsten Tatorte der Anschlagserie auf Automaten der LVB: Offenbar haben die Täter politische Motive.
Erstveröffentlicht: 
06.08.2015

Der Protest gegen steigende Fahrpreise im Öffentlichen Personennahverkehr schlägt offenbar in gewaltsame Aktionen um. Unbekannte drohen jetzt im Internet: "Wir haben uns zur Sabotage und Zerstörung von Fahrkartenautomaten im gesamten Stadtgebiet entschlossen."

 

Leipzig. Der Protest gegen steigende Fahrpreise im Öffentlichen Personennahverkehr schlägt offenbar in gewaltsame Aktionen um. Unbekannte drohen jetzt im Internet: „Wir haben uns zur Sabotage und Zerstörung von Fahrkartenautomaten im gesamten Stadtgebiet entschlossen.“ Am Mittwoch voriger Woche gingen in Reudnitz-Thonberg und Schönefeld fünf Ticketautomaten in Flammen auf. Und zwar jedes Mal auf die gleiche Art und Weise: Die Täter sprühten Bauschaum in den Ausgabeschacht und zündeten ihn mit Brandbeschleuniger an.

 Auf der von der linken Szene genutzten Internetplattform Indymedia bekennen sich die mutmaßlichen Brandstifter unter dem Namen "service champion" zu ihren Motiven: "Wie jedes Jahr am 1. August erhöhen die LVB ihre Ticketpreise, trotz steigender Umsätze und immer höheren Einnahmen aus dem Ticketverkauf. Da bisher weder Petitionen noch Diskussionen im Stadtrat etwas daran geändert haben und wir auch nicht davon ausgehen, dass es in den kommenden Jahren einen kostenlosen Nahverkehr geben wird", schreite man zu militanten Aktionen. "Wir wollen damit zum einen den Fahrkartenverkauf für eine gewisse Zeit erschweren und zum anderen eine Berichterstattung und Diskussion anregen, die sich mit der jährlichen Preiserhöhung sowie alternativen Finanzierungsmodellen beschäftigt."

Wie berichtet, hatten Anfang des Jahres 8046 Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs aus Leipzig, Halle und den fünf Landkreisen des Mitteldeutschen Verkehrsverbunds (MDV) aus Protest gegen den Beschluss, die MDV-Fahrpreise zum 1. August 2015 erneut anzuheben, eine Petition unterzeichnet. Allein 4941 Unterschriften kamen in der Stadt Leipzig zusammen. Gleichwohl wurden die Tarife auch in der Messestadt zum 1. August erhöht. So stieg der Preis für eine Einzelfahrkarte auf 2,50 Euro. Die Kurzstrecke mit bis zu vier Haltestellen auf städtischen Straßenbahn- und Buslinien kostet 1,80 Euro. Im Durchschnitt liegt die Preiserhöhung in Leipzig nach MDV-Angaben bei 3,9 Prozent und sei notwendig, um das Angebot mit jährlich 80 Millionen Fahrplankilometern auch weiterhin erhalten und ausbauen zu können.

Die militanten Gegner dieser Tarifpolitik verweisen darauf, dass es "in Leipzig einen großen Niedriglohnsektor, viele Studenten, Familien und eine immer noch hohe Anzahl an Arbeitslosen" gebe. "Viele dieser Menschen sind auf den Nahverkehr angewiesen und müssen eine Preiserhöhung schmerzlich hinnehmen, sofern sie nicht ohne Ticket fahren wollen." Deshalb rufen die Militanten zum Widerstand und ganz offen zu Sabotageakten auf.

 Bei den ersten Anschlägen sind die Automaten nach Angaben der Polizei stark beschädigt worden und waren tagelang außer Betrieb. "Wir versuchen, die Automaten so schnell wie möglich wieder instand zu setzen", sagte gestern LVB-Sprecher Marc Backhaus auf LVZ-Anfrage. "Aber letztlich werden durch solche Anschläge alle Fahrgäste bestraft." Seit Jahren müssen sich die Verkehrsbetriebe mit Zerstörungen von Fahrkartenautomaten herumschlagen. Die jüngsten Fälle stellen aber womöglich eine ganz neue Qualität dar. Ging es Tätern bisher darum, die Automaten zu sprengen, um an Geldkassetten heranzukommen, deutet aus Sicht der Polizei angesichts des Bekennerschreibens nun einiges auf einen politischen Hintergrund hin. Deshalb ist nach LVZ-Informationen mittlerweile auch der Staatsschutz in die Ermittlungen involviert.

Aus der Leipziger Volkszeitung vom 06.08.2015
Frank Döring