»Globalisierungsproteste sind nicht tot«

Erstveröffentlicht: 
29.07.2015

»Benni« Ruß, Sprecher von »StopG7«-Elmau, über seine Bilanz der Gipfelproteste in Deutschland

 

Schon vor den diesjährigen Protesten gegen den G7-Gipfel in Elmau war klar, dass sie sich nicht mit Heiligendamm messen lassen können. Worin bestand eigentlich der Unterschied zur Situation vor sieben Jahren?

Die Proteste von Heiligendamm hatten eine andere Ausgangslage und Vorgeschichte, ein größeres Zeitfenster zum Organisieren. Oft wird ja gesagt, Globalisierungsproteste sind tot. Wenn man sich jedoch die globale Austeritätspolitik, betrieben durch IWF, die EU und die G7 anschaut, sind wir vom Bündnis da ganz anderer Meinung.

 

Wie fällt Ihre Gesamtbilanz der Aktionen, die Sie mit vorbereitet haben, aus?

Die Bilanz fällt unterschiedlich aus. Unsere Aktionen bewerten wir positiv: das Camp, die Demos und die Erfolge vor Gericht. Natürlich waren es insgesamt zu wenige Menschen, wir haben aber immer gesagt, dass wir realistisch 5000 bis 10 000 Demonstrierende in Garmisch erwarten. Negativ aufgefallen ist natürlich, in welcher Massivität eine regelrechte Generalmobilisierung der Sicherheitskräfte zu beobachten war, die komplett den süddeutschen Raum umfasste.

 

Die größte Demo gegen den Gipfel mit 40 000 Teilnehmern fand allerdings in München statt. Das waren etwa zehn Mal so viel wie in Garmisch. War die Verteilung der Protestszene auf zwei Zentren positiv oder hat sie eher geschadet?

Der Protest war wichtig, sowohl in München als auch in Garmisch. Ob diese Aufteilung politisch richtig war, ist die andere Frage. Dem Bündnis war es wichtig, am Ort des Geschehens zu sein und nicht eine x-beliebige Demo irgendwo in Deutschland zu organisieren, an deren Ende man dann einen Pokal überreicht bekommt, wie in München geschehen. Wir hatten und haben keinen Grund uns zu verstecken oder abschrecken zu lassen. Wir haben klare, inhaltlich legitime und emanzipatorische Forderungen gestellt. Das muss möglich sein in einer demokratischen Gesellschaft.

 

Im Vorfeld des Gipfels hatten Politiker vor »3000 gewaltbereiten Chaoten« gewarnt, 20 000 Beamte waren im Einsatz. Wie beurteilen Sie den Polizeieinsatz?

Aus unserer Sicht war er völlig überzogen. Durchgängig laufende Motoren, Polizeikolonnen von bis zu 50 Wägen - während die Kanzlerin die Gäste in Elmau »klimaneutral« in Elektro-Wägen fahren ließ. Den Polizeieinsatz darf man aber nicht getrennt von der Ortswahl für den Gipfel sehen. Die Bedingungen im Werdenfelser Land waren und sind für die demokratische Auseinandersetzung mit dieser Art von Politereignis einfach nicht geschaffen. Da das auch den Planungsbehörden bewusst gewesen sein muss, ist davon auszugehen, dass hier ganz aktiv versucht wurde, Demonstrationen durch die Unzugänglichkeit des Gebietes zu ver- oder mindestens zu behindern.

 

Sie haben lange für ein Protestcamp gestritten. Wie wichtig war es letztlich für die Aktionen?

Das Camp war von äußerster Wichtigkeit. Es hat die Leute zusammengebracht und eine Organisation der Proteste vor Ort erst ermöglicht. Am dringendsten hätten wir es natürlich am Samstag nach der großen Demo gebraucht, da hat uns allerdings das Wetter mit dem Platzregen einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. Interessant auch: Das Verwaltungsgericht in München hat seine Entscheidung für die Erlaubnis des Camps auch damit begründet, dass es als infrastrukturelle Maßnahme zentral für die Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit ist.

 

Wie wichtig war die Zusammenarbeit mit den Medien?

Um eine größere und breitere Wirkung zu erzielen, sind die Medien wichtig. Man merkt aber auch ziemlich schnell, dass die Journalisten auf der Straße und der Bericht in der Zeitung oder im Fernsehen oftmals sehr weit voneinander entfernt sind. Man wird auch immer wieder zu bestimmten Aussagen verleitet, da muss man gerade auch als Nicht-Profi ganz genau aufpassen, was man sagt, und das nach außen tragen, was das Bündnis oder die Bewegung ausmacht.

 

Waren Sie zufrieden mit der bundesweiten Mobilisierung?

Die bundesweite Mobilisierung war nicht so erfolgreich, wie wir uns das erwünscht haben. Der Protest wäre allein mit bayerischen Strukturen aber nicht möglich gewesen. Gerade im aktiven Teil des Bündnisses waren viele überregionale Strukturen eingebunden. Wir sind uns sicher: Falls es einen weiteren Gipfel in Deutschland geben sollte, wird es auch dort wieder Proteste geben.