Gewerkschaft: An der Grenze können keine Fingerabdrücke mehr erfasst werden
Von Uta Winkhaus
Berlin. Der starke Andrang von Flüchtlingen stellt die Bundespolizei vor
beispiellose Probleme. Wie die Gewerkschaft der Polizei (GdP)
berichtet, schafft es die Bundespolizei seit Monaten nicht mehr,
Fingerabdrücke von allen Personen zu speichern, die an der
österreichisch-bayerischen Grenze aufgegriffen werden.
Der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Jörg Radek bestätigte einen
entsprechenden Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel": "Wir
schätzen, dass seit Jahresanfang rund 45000 unerlaubt eingereiste
Personen nicht mehr erkennungsdienstlich behandelt wurden, obwohl dies
im Asylverfahrensgesetz vorgeschrieben ist." Gründe seien die extreme
Überlastung der Beamten und die völlig veraltete Computertechnologie im
Bereich Freyung und Passau, wo die sogenannte Balkanroute
internationaler Schleuser endet.
Das Bundesinnenministerium wies die Vorwürfe zurück. Die Bundespolizei
nehme die erkennungsdienstliche Behandlung in einem Großteil der Fälle
immer noch selbst vor, nur bei "gewissen Belastungsspitzen" übernähmen
dies andere Behörden, sagte ein Sprecher am Sonntag im Berlin. Das sei
auch kein Problem: Das Gesetz schreibe zwar die Registrierung illegal
eingereister Personen vor, nicht aber, welche Behörde diese übernehme.
Die Gewerkschaft der Polizei geht jedoch davon aus, dass viele
Flüchtlinge einfach weiterreisen, ohne sich registrieren zu lassen.
Allein in Passau würden täglich 250 bis 300 Menschen aufgegriffen,
berichtete Radek. Sie würden in der Regel nur noch nach ihrem Namen
gefragt und durchsucht. In den polizeilichen Informationssystemen werde
dann mithilfe eines Fingerabdrucklesers - ohne Speicherung -
recherchiert, ob gegen sie etwas vorliege. Danach würden sie zur
Aufnahme zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geschickt. "Aber es
ist völlig offen, ob sie dort jemals eintreffen. Niemand weiß, wo sie
tatsächlich hingehen", sagte Radek. Die Praxis, auf die Speicherung von
Fingerabdrücken zu verzichten, gehe auf eine mündliche Weisung des
Bundespolizeipräsidiums Potsdam zurück.
Dieses wollte sich auf Anfrage nicht zu der Darstellung äußern. In einer
Erklärung hieß es lediglich, die steigenden Flüchtlingszahlen seien
auch für die Bundespolizei "eine Herausforderung". Man führe
"erkennungsdienstliche Maßnahmen nach den gesetzlichen Vorgaben durch,
erforderlichenfalls mit Unterstützung anderer Behörden".
In einem Brandbrief an Innenminister Thomas de Maizière warnt GdP-Vize
Radek vor Gefahren auch für die innere Sicherheit. "Niemand weiß bei
diesen Verfahren, welche Personen tatsächlich nach Deutschland gekommen
sind und zu welchem Zweck, ob es sich um Flüchtlinge oder Rückkehrer aus
Bürgerkriegsregionen handelt", heißt es in dem Schreiben. "Wenn schon
die Feststellung der wahren Identität ohnehin in vielen Fällen schwierig
ist, so ist das jetzige Verfahren eine Einladung zur
Identitätsverschleierung."