Bei dem NS-Massaker von Sant’Anna di Stazzema wurden im Jahr 1944 560 Menschen ermordet. Nun wurde das letzte Verfahren gegen einen der mutmaßlichen Täter eingestellt. Der 93-Jährige sei dement.
Stuttgart/Hamburg - Rund 70 Jahre nach einem NS-Massaker in einem italienischen Bergdorf hat die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg das letzte Ermittlungsverfahren gegen einen der mutmaßlich beteiligten Kriegsverbrecher eingestellt. Der heute 93 Jahre alte Beschuldigte sei demenzkrank und dauerhaft verhandlungsunfähig, teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Ursprünglich hatte in dem Fall aus dem Jahr 1944 die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen 17 Beschuldigte ermittelt - mehrere davon lebten oder leben in Baden-Württemberg.Die grün-rote Landesregierung stellt deswegen als Zeichen der Wiedergutmachung 30.000 Euro für die Gestaltung eines zentralen Erinnerungsortes in dem Ort Sant’Anna di Stazzema bereit.
"Thema aus der juristischen Debatte herausholen"
Kultusminister Andreas Stoch (SPD) übergibt den Betrag am Dienstag Vertretern der Gemeinde. Er vertritt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Stochs Sprecher sagte: „Uns ist es wichtig, das Thema aus der juristischen Debatte stärker herauszuholen und als ein Thema der Erinnerungskultur und der Mahnung zu platzieren.“
In dem toskanischen Bergdorf hatten am 12. August 1944 Angehörige der 16. SS-Panzergrenadierdivision 560 Menschen umgebracht, darunter vor allem Frauen, etwa 130 Kinder und Alte. Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg war den mutmaßlichen Tätern auf die Spur gekommen.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte die Ermittlungen in dem Fall 2012 eingestellt. Den mutmaßlichen Kriegsverbrechern seien die Taten nicht nachzuweisen gewesen. Noch während der Ermittlungen starben acht der Beschuldigten.
Die Überlebenden des Massakers erhoben gegen die Einstellung Beschwerde, die aber von der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart 2013 verworfen wurde. Dagegen hatten eine Angehörigen-Anwältin und ihr Mandant, der das Massaker im Versteck überlebte, aber seine ganze Familie verloren hatte, eine Erzwingung der Anklage beim Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) beantragt. Dieses urteilte 2014, dass zumindest gegen den damaligen Kompanieführer Anklage erhoben werden kann. Der 93-Jährige, der in Hamburg lebt, soll als Kompaniechef an der Tötung mitgewirkt haben.
In Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt
Die Auswertung des Aktenmaterials habe zu dem Ergebnis geführt, dass der Beschuldigte - wäre er verhandlungsfähig gewesen - mit hoher Wahrscheinlichkeit „wegen grausamen und aus niedrigen Beweggründen begangenen Mordes in 342 Fällen anzuklagen wäre“, heißt es in der Erklärung der Hamburger Staatsanwaltschaft. In Italien war der Mann bereits in Abwesenheit zu lebenslanger Haft wegen vielfachen Mordes verurteilt worden.
Der stellvertretende Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung der NS-Verbrechen, Thomas Will, sagte über die Entscheidung des Gerichts: „Wir wollen ja nicht auf Biegen und Brechen Verbrecher vor Gericht bringen, sondern nur solche, die ein Verfahren durchstehen können.“
Auch in Baden-Württemberg waren bereits Verfahren gegen mutmaßliche NS-Verbrecher aus gesundheitlichen Gründen eingestellt worden. So war beispielsweise ein ehemaliger SS-Wachmann des Konzentrationslagers Auschwitz wegen seiner beginnenden Demenz im Dezember 2013 aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Der Mann hatte zuletzt in Aalen (Ostalbkreis) gelebt.