Tumulte und Lügen-Vorwürfe in Freital-Forum

Erstveröffentlicht: 
07.07.2015

Versammlung zum Thema Asyl endet unversöhnlich

 

Von Christoph Springer


Freital. Hunderte sind gestern in Freital (Osterzgebirge-Sächsische Schweiz) zur zweiten Einwohnerversammlung zum Thema Asyl zusammengekommen - begleitet von heftigen Tumulten und lautstarken Auseinandersetzungen. Gut 300 Personen fanden im Kulturhaus Platz, viele Freitaler mussten jedoch draußen bleiben - was gleich zu Beginn der Veranstaltung für Proteste sorgte. Laut Freitals Erstem Bürgermeister Mirko Kretschmer-Schöppan (parteilos) sollten sich aber alle auf "Augenhöhe" begegnen. Deshalb saßen keine Einwohner auf den Rängen, keine Diskussionsteilnehmer auf der Bühne. Zu einer sachlichen Diskussion führte diese Konstellation dennoch nicht; die Teilnehmer, zu denen Innenminister Markus Ulbig (CDU), Finanzstaatssekretär Michael Wilhelm, Vize-Landrat Peter Darmstadt (CDU) und Dresdens Polizeipräsident Dieter Kroll gehörten, wurden ausgebuht, bei ihren Erklärungen unterbrochen und als Lügner bezeichnet.


Erst als zugesagt wurde, weitere Foren abzuhalten, beruhigte sich die Situation ein wenig. Ulbig sagte, Ziel der Versammlung sei, Sorgen und Themen der Bürger aufzunehmen. Er betonte zugleich, dass die Unterkunft in Freital bis Ende 2015 als Ausweichquartier für die Erstaufnahme von Flüchtlingen bestehen müsse und es entsprechende Verträge bis Ende Januar 2016 gebe. "Es kann durchaus sein, dass wir diesen Vertrag 2016 noch einmal verlängern", sagte er. Seit Monaten kommt es in Freital zu Protesten gegen die Unterkunft in einem früheren Hotel. Als dort vor zwei Wochen eine Erstaufnahmeeinrichtung mit weiteren 280 Plätzen eingerichtet wurde, eskalierte die Lage. Die Anwohner sprachen von einer "Nacht- und Nebelaktion" der Regierung. Ulbig räumte Fehler bei der Kommunikation ein.


Die Mehrheit im Saal bildeten gestern Freitaler, die Kritik loswerden wollten. Sie beschwerten sich über Lärm und Dreck. "Wir wohnen 25 Meter von dem Asylantenheim entfernt, da ist unser Schlafzimmer. Da sind fünf Leute in einem Zimmer, die unterhalten sich. In der Nacht dröhnt das ja sonst wie", so eine Nachbarin. "Die dürfen nicht in Zelten schlafen, das sehe ich ein", stellte sie mit Blick auf die überfüllte sächsische Erstaufnahmestelle in Chemnitz fest. "Ich sehe aber nicht ein, wieso ich da meine Nachtruhe einbüßen soll."


Eine Mitarbeiterin der Freitaler "Organisation für Weltoffenheit und Toleranz" wurde von den Besuchern ausgebuht und aus dem Saal verwiesen. Ein Freitaler stand schließlich auf und kappte die Mikrofonverbindung. Beim zweiten Redeversuch sagte die Frau, die Organisation habe zugesichert, keine Kundgebungen mehr abzuhalten. Künftig werde sie aber wieder "Gebrauch von ihrem Grundrecht machen". Daraufhin wurde sie erneut ausgebuht und kapitulierte vor den Protestrufen - unter dem Beifall der Versammelten.


"Bis jetzt wurde hier nur rumgebrüllt und rumgepöbelt", fasste eine Freitalerin die Stimmung zusammen. "Warum gelingt es in Freital nicht, ein Bündnis hinzubekommen, in dem ich mich vertreten fühle. Ich vermisse die Parteien, die Gewerkschaft, ich vermisse die Kirchen." In diesem Punkt war sie sich mit Frank Richter, dem Chef der Zentrale für politische Bildung, einig, der auch in Freital wohnt. "Was können wir tun, dass die offensichtlich werdende Spaltung in dieser Stadt behoben wird?", fragte er. "Wir werden einige nicht gewinnen, weil die sich nicht verständigen wollen, sondern sich durchsetzen wollen." Der Erste Bürgermeister Kretschmer-Schöppan sagte, die Gesellschaft in der Stadt müsse "wieder zusammenfinden".