Im folgenden ein Text zu der rassistischen Bürgerinitiative "Rettet die Bahlmannwiese" aus Münster. Der Text wurde auf der Homepage der Emanzipatorischen Antifa Münster veröffentlicht und als Flyer in dem Viertel verteilt.
Vorrede
Im September 2014 veröffentlichte die Stadt Münster ihre Pläne zum Neubau von mehreren Unterkünften für Geflüchtete. Darunter auch auf einem Teil einer rund 1000m² großen Grünfläche im Wienburgviertel an der Ecke
Bahlmannstraße/Falgerstraße, der sogenannten Bahlmannwiese. Ab 2016 soll hier für 50 Menschen eine Unterkunft gebaut werden.
Wie viele andere Kommunen auch, hat Münster es zu gegebener Zeit verpasst sich auf die seit einigen Jahren wieder ansteigende Anzahl von Geflüchteten vorzubereiten. Es war absehbar, dass weltweit immer mehr Menschen
auf der Flucht vor Krieg, Elend, Verfolgung und Armut sein werden. Um Menschen in solchen Situationen eine Unterbringung zu schaff en sucht die Stadt nun händeringend nach geeigneten Plätzen.
Als beschlossen wurde, dass die Bahlmannwiese bebaut werden soll, wurde im November 2014 eine Bürgerinitiative gegen die Unterbringung von Geflüchteten an diesem Ort gegründet.
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Hauptrede
Bei mehreren Treffen besprachen sich die Flüchtlingsgegner_innen* und stimmten ihr Vorgehen ab. Räumlichkeiten fanden sie dabei in dem Pascalgymnasium, aus dessen Kollegium sich ein Lehrer besonders engagiert hervortat und kurzfristig Unterschriftenlisten gegen die Unterbringung an Schulkopierern vervielfachte und austeilte. Im Wesentlichen charakterisiert sich die Initiative folgendermaßen:
Sie versuchte sich gerade in ihrer Entstehungs- und Konsolidierungsphase als klar nicht rassistisch darzustellen. Immer wieder wurde von den Wortführer_innen betont, dass sie für den Erhalt der Wiese kämpfen und nicht gegen die Geflüchteten. Ein Blick auf die Argumente für den Erhalt zeigt jedoch recht schnell, dass die Motivation eine andere ist. Mal wurde angeführt, dass der soziale Treffpunkt des Viertels wegfallen würde, mal war es die Frischluftschneise, die angeblich für dieses Viertel und ganz Münster wichtig sei, mal die heimelige Nähe der Wiese, mal der Naturschutz oder ein Dammbruchargument, dass nämlich demnächst alle freien Grünflächen in Münster verschwinden würden. Alle diese Argumente entpuppten sich als nicht im Ansatz haltbar und wirken in Teilen lächerlich. Außer kotenden Hunden findet an dieser Wiese nicht viel soziales Miteinander statt, Frischluft kommt zu genüge durch die an nahezu jedem Haus vorhandenen Gärten in die Gegend, besonders schützenswerte Flora und Fauna fand sich ebenfalls nicht und Grünflächen werden in Münster schon seit Jahren bebaut. Auf das letzte Argument, die Bebauung von Grünflächen scheint sich die Initiative nun zu fixieren. Bei ihrem letzten Auftritt im Juni 2015 wurde dann auch ein neues Argument eingebracht, als offenbar der Initiative Zugehörige bei einem Treff en mit Vertreter_innen der Stadt argumentierten, dass ihr Viertel durch die Geflüchteten abgewertet würde. Ein von
rassistischen Bürgerinitiativen altbekanntes Muster. Rassistische, zynische, menschenverachtende Scheiße, wenn man bedenkt, dass Menschen fliehen, weil es uns hier so gut geht. Globalisierung ist eben nicht nur Globalisierung der Waren- und Geldströme, sondern auch Globalisierung von Migration.
Die Initiative ist streng hierarchisch organisiert. Nach außen fordert sie als grundlegend basisdemokratisches Mittel Bürgerbeteiligung, nach innen jedoch herrscht immenser Druck, sich im Sinne der Initiative zu verhalten.
Der Emailverteiler wird durch den Vorstand geprüft und auf den Treffen werden diejenigen mundtot gemacht, die sich nicht voll auf Linie befinden.
Diesen strukturellen Umstände ist es dann auch zu verdanken, dass Aktive der Initiative sich nicht öffentlich klar rassistisch äußerten. Die Vorstandsmitglieder besitzen genug instrumentelle Vernunft zu wissen, dass die Initiative mit einem off en rassistischen Diskurs nur verlieren kann. Einzelnen, die sich im Rahmen der Treff en rassistisch äußerten wurde jedoch immer wieder zu verstehen gegeben, dass auch sie willkommen seien und ihr Anliegen aus
rein praktischen Gründen nicht in dieser Form öffentlich gemacht würde.
Zu einer vermeintlich nicht rassistischen Öffentlichkeitsarbeit gehört dann ebenso, dass alternative Bebauungsmöglichkeiten vorgeschlagen werden. Frei nach dem Motto: „Flüchtlinge ja – aber nicht hier!“ oder „Flüchtlinge ja – aber nein!“
Eine solche Initiative bietet zwangsläufig Raum dafür, sich in rassistischen Vorstellungen bekräftigt zu fühlen und gegenseitig zu bekräftigen. Im Zeitraum der öffentlichen und initiativeninternen Debatte letzten Herbst tauchten stadtweit Aufkleber auf, auf welchen ganz mit den Zielen der Initiative d’accord gefordert wurde: „Rettet die Bahlmannwiese!“. Über diesem Schriftzug prangt ein Bild von einer Familie, welche in diesem Kontext offenbar als Geflüchtete kategorisiert werden kann. Die Menschen haben Bündel bei sich und befinden sich anscheinend in einer Notsituation, ferner sind auch Soldaten auf dem Bild zu sehen. Hier wird offenbar die Ansicht vertreten, dass Kriegsflüchtlingen kein Asyl gewährt werden sollte. Solche zynischen und menschenverachtenden Aussagen sind noch deutlicher rassistisch, als die ekelhaften Diskurse um wirtschaftlich verwertbare und nicht-verwertbare Menschen, welche in Deutschland eine Existenzberechtigung haben sollten oder nicht. Zwar hat die Initiative sich sofort von den Aufklebern distanziert, zeigt aber kein kritisches Reflektionsbewusstsein darüber, dass die Aufkleber nur im Rahmen ihrer Hetze produziert werden konnten. Weil viele genau solches Gedankengut mit sich herum tragen und sich jemand einfach nur getraut hat dies explizit zu machen.
Die Initiative hat Rückhalt in dem Viertel. Bereits zu den Treffen im Herbst und Winter 2014 kamen zwischen 200 und 250 Interessierte. Dabei war ein Lehrer des Pascal-Gymnasiums, Anwält_innen und Doktor_innen. Ebenso schien der ansässige Einzelhandel integriert. Hier sollten Unterschriftenlisten für die Wiese im Sinne von gegen Geflüchtete ausgelegt werden. Auch scheinen die Aktiven durchaus solvent zu sein. Der Erwägung gegen die Bebauung der Wiese juristisch vorzugehen, was einige „zehntausende Euro“ kosten könne, wurde von Seiten des Vorstands angemerkt, dass dies schon machbar sei.
Mit ihrer letzten öffentlichen Wortmeldung bei der Informationsversammlung der Stadt Mitte Juni 2015 hat die Initiative gezeigt, dass es sie noch gibt und sie noch aktiv ist. Hierbei versammelten sich mehrere Dutzend Aktive der Initiative und machten ihrem Unmut in typisch deutschem Rumgepeste und erbärmlichem Gemoser Luft . Auch wurde ein Transparent entrollt, auf welchem das Argument der nicht zu bebauenden Grünfläche aufgewärmt wurde.
Was jetzt von der Initiative kommt, bleibt abzuwarten. Es ist durchaus möglich, dass eine Klage auch noch kurz vor Baubeginn eingeht. Dies könnte den Bau verzögern. Sobald Geflüchtete in dem Viertel wohnen ist jedoch damit zu rechnen, dass der rassistische Unmut, welcher sich momentan gegenüber der Stadt äußert sich gegen die Geflüchteten direkt richtet.
Aufruf
Dem gilt es etwas entgegenzusetzen. Diese Initiative ist rassistisch. Sie verliert sich in Verklausulierungen und dabei immer mehr ihren Schein.
Schaut öfter mal an der Wiese vorbei, seid kreativ, achtet auf Ankündigungen Anderer, schließt euch anderen an und ruft selber auf.
Zu erwähnen ist, dass sich auch solidarische Menschen vor Ort vernetzt haben. Unter www.muenster.org/oig-falger findet ihr eine Homepage, auf welcher sich Menschen solidarisch mit Geflüchteten erklären und ein öffentliches
Statement gegen Rassismus abgeben. Im medialen Diskurs wird diese leider viel zu wenig beachtet, eine Vernetzung in diese Richtung ist mit Sicherheit, vor allem sobald die Unterkunft gebaut wurde, ein guter bis wichtiger Schritt. In der letzten Woche erschienen in Lokalzeitungen zahlreiche Leser_innenbriefe pro Unterkunft. Eine Entwicklung die hoffnungsvoll stimmt.
Menschen kommen hierher, weil wir ihnen die Lebensgrundlage zerstören – sorgen wir dafür, dass sie hier wohnen können –
Emanzipatorische Antifa Münster [EAM]
* Wir benutzen den Unterstrich als Gender Gap, um darauf aufmerksam zu machen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. So ist Raum dafür, dass alle, die sich nicht als Mann oder Frau defi nieren, sich angesprochen fühlen. Gerne könnt ihr beim Lesen darüber stolpern, man gewöhnt sich schnell dran.