Chemnitz - Asyl-Alarm in Sachsen! Die Lage spitzt sich bei der Bereitschaftspolizei in Chemnitz dramatisch zu. Neben der voll belegten Turnhalle in der Max-Saupe-Straße baute die Landesdirektion Sachsen (LDS) eine Zeltstadt für 150 Flüchtlinge in der Polizeikaserne. Beamte fürchten um die Sicherheit ihrer Anlage.
Die Lage eskaliert. Derzeit sind rund 3000 Asylbewerber zur Erstaufnahme in Sachsen. „Täglich kommen 200 neue hinzu“, rechnete der Sprecher des Innenministeriums, Martin Strunden (44), vor.
„Alle müssen vernünftig untergebracht werden. Es sind schließlich Menschen.“ Da die Weiterverteilung der Flüchtlinge „nicht wie gewünscht“ funktioniere, „fahren wir auf Knirsch“.
Doch die „vernünftige Unterbringung“ wird aufgeweicht. Nach der Zeltstadt im Erstaufnahmeheim Adalbert-Stifter-Weg (150 Plätze) entstand auch bei der Bereitschaftspolizei ein Campingplatz. Makaber: Die Zelte stehen hinter einem Schießstand.
Der Chef des Präsidiums der Bereitschaftspolizei, Horst Kretzschmar
(55), sowie die Pressestellen der Polizei und der Landesdirektion waren
am Sonntag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Ein Beamter
(38) der Bereitschaftspolizei klagt: „Die Außentüren unserer Gebäude auf
dem Gelände sind nicht abschließbar. Außerdem stehen unsere
Polizeifahrzeuge offen unter Carports.
Die meisten Asylbewerber sind ordentliche Leute, aber so offen ist unsere Sicherheit nicht mehr gewährleistet.“
Immerhin: Die Polizei plant nun Streifen. Um die Zelte zog die LDS einen zwei Meter hohen Bauzaun.
Wenn Asylbewerber dort drüber steigen, stehen sie auf dem Trainingszentrum der Polizei - und das ist nicht kameraüberwacht.
Ein Polizist: „Nachts schieben zwei Kollegen Wache. Die kriegen gar nicht mit, wenn jemand über den Zaun steigt und hinter den Türen guckt, was wir so haben.“
Ministeriumssprecher Strunden: „Nicht jede Unterbringungsform ist optimal, sondern der Situation geschuldet.“
Das Land Sachsen weitet seine Kapazitäten für die Erstaufnahme von Asylbewerbern ständig aus. Dennoch sind alle verfügbaren Kapazitäten derzeit ausgeschöpft. Aktuell gibt es folgende Einrichtungen.
- Chemnitz: Adalbert-Stifter-Weg (800 Plätze plus 150 in Zelten)
- Chemnitz: Bereitschaftspolizei (100 plus 150)
- Chemnitz: Hotels (390)
- Chemnitz: Altendorfer Straße (120)
- Schneeberg (840)
- Böhlen (180)
- Görlitz (135)
- Meißen (160)
- Tharandt (80)
Konfuse Behörden
Kommentar von Bernd Rippert
Die Lage in Sachen Asylbewerber wird
konfus. Und die Behörden gleich mit. Ganze Zeltstädte für die
Flüchtlinge in Chemnitz oder anderswo können nicht der richtige Weg
sein. Schon gar nicht auf Polizeigelände.
Es
ist richtig, dass sich immer mehr Menschen aus ihren Heimatländern ins
sichere Deutschland retten. Und es ist richtig, dass dieser Zustrom
langsam zu einer Herkulesaufgabe für die Behörden wird. Aber mit
Campingplätzen für Asylbewerber wird das Problem nicht gelöst.
Im
Gegenteil. Ein Leben in Zelten ist für Urlauber vielleicht mal ganz
spannend, aber nicht die passende Unterbringung für flüchtende Menschen.
Schon gar nicht in einer Polizeikaserne, direkt neben einem
Schießstand.
Angesichts des
großen Zulaufs aus dem Süden brauchen wir auch große Lösungen. Allein
in Chemnitz stehen so viele Wohnblöcke leer. Hier lassen sich ganze
Hundertschaften menschenwürdig versorgen.
Sachsen
braucht keine Flüchtlings-Campingplätze, kein Klein-Klein, sondern den
großen Wurf. Also auf, Innenminister Ulbig. Seien Sie Herkules. Um der
Menschen Willen.