Offener Brief nach jüngsten Krawallen richtet sich an Spitzen von Stadt und Polizei / Verfasser kündigen weitere Aktionen an
Von frank döring
Es ist eine Kampfansage: Nach den schweren Krawallen am 5. Juni haben
sich mutmaßliche Linksautonome mit einem offenen Brief erstmals direkt
an die Spitzen von Stadt und Polizei gewandt. Im Unterschied zu einem
Beitrag, der am vorigen Freitag veröffentlicht worden war (die LVZ
berichtete), kommt der aktuelle Text offenbar direkt aus der Gruppe der
Gewalttäter. "Vor etwas mehr als einer Woche zogen wir auf unsere
unverwechselbare und unversöhnliche Art und Weise vom Johannapark
Richtung Innenstadt, um dort dann Richtung Bundesverwaltungsgericht
abzubiegen", so die anonymen Verfasser auf dem linken Szeneportal
Indymedia, Ziel sei nicht das Stadtfest gewesen. "Unser Ziel wart ihr",
so die Autoren des offenen Briefes, der sich namentlich an
Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und Polizeipräsident Bernd Merbitz
sowie an den Stadtrat, die Polizei, den Verfassungsschutz, die
Staatsanwaltschaft, die Gerichte und "die Parteien von rechts bis links"
richtet.
Die Polizei wertet den Text als Bekennerschreiben. Dies legten der Stil
und die inhaltliche Ausrichtung nahe, sagte Polizeisprecher Andreas
Loepki auf LVZ-Anfrage. "Ein Zusammenhang besteht definitiv."
Nach Logik der Autonomen geht die Gewalt zuerst vom Staat und seiner
Politik aus: durch Hartz IV und Einkommen unterhalb des
Existenzminimums, durch die Abschiebepraxis, durch steigende Mieten und
Gentrifizierung, durch eine vermeintliche Nähe zu Rechtsextremen. "Die
Gewalt richtet sich gegen euch", heißt es in dem Brief. "Sie richtet
sich gegen die Bullen, gegen die, die abschieben, gegen die Ausbeuter
und Verdränger, gegen euch und eure Strukturen, gegen die Gerichte, die
Staatsanwaltschaft, die Behörden."
Das deckt sich mit jenem Gewaltaufruf, der im Dezember 2014 mit einer
Liste von 50 konkreten Angriffsobjekten in der Stadt, etwa Arbeitsamt,
Ausländerbehörde, Polizeidienststellen, Gerichte, Parteien
veröffentlicht worden war. Seither haben Linksextremisten zumindest
einen Teil davon abgearbeitet: Es gab Anschläge auf Polizeidienststellen
in Connewitz und Plagwitz, das Amtsgericht, das Gebäude der
Staatsanwaltschaft, die Ausländerbehörde der Stadt Leipzig im
Technischen Rathaus. Bei der bislang letzten Aktion am 5. Juni
schleuderten rund 100 Vermummte Steine und Brandsätze auf Fahrzeuge und
mehrere Gebäude am südlichen Innenstadtring, unter anderem das
Bundesverwaltungsgericht, mehrere Polizisten wurden verletzt. "Wir
hoffen, dass wir beim nächsten Mal mehr sein werden", so die Autonomen,
"dass jene, die den Weg noch nicht zu uns gefunden haben, ihn finden
werden und an unserer Seite stehen, wenn wir euch wieder einmal besuchen
kommen." Der Text schließt mit einer düsteren Drohung: "Haltet den
Blick immer auf die Dunkelheit gerichtet. Der Aufstand wird kommen."
Hinweise zur Identifizierung der Gewalttäter vom 5. Juni nimmt die Kripo unter 034196646666 entgegen.