Mehrfach war hier zu fragwürdigen Speicherungen in der beim Bundeskriminalamt (BKA) zentral geführten Datensammlung „PMK-Links“ lesen. Das Kürzel steht für „Politisch motivierte Kriminalität“, gespeichert werden linke AktivistInnen. Die Bundesbeauftragte für Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) hatte das BKA in einem Kontrollbericht mehrfach für die Führung der Datei gerügt. Ausreichend ist allein der Verdacht, der Speicherung muss keine Verurteilung zugrundeliegen.
Die Rüge bezog sich vor allem auf die Sammlung als „Sonstige Personen“. Es handelt sich dabei um eine von fünf möglichen Betroffenenkategorien. Als „Sonstige Personen“ können alle anderen Personen, die im Rahmen der Ermittlungen auftauchen, gespeichert werden. Weitere Datenfelder sind „Beschuldigte“, „Verdächtige“, „Kontakt-/Begleitpersonen“ und „Prüffälle“. Der BfDI hatte nach einer Prüfung in 2012 von einem „gravierenden Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften“ gesprochen. Das BKA musste reagieren und kündigte eine Überprüfung an. danach wurden fast alle „Sonstige Personen“ aus der Datei gelöscht.
Datei 2011 „noch im Aufbau begriffen“
Die Kritik des BfDI bezog sich aber auch auf Speicherungen in der Kategorie „Prüffälle“. Dabei handelt es sich um Personen, bei denen noch ermittelt wird bevor eine endgültige Zuordnung vergeben wird. Sämtliche „Prüffälle“ mussten nach dem Kontrollbesuch abgearbeitet werden und wurden dabei offenbar komplett gelöscht.
Nun hat das Bundesinnenministerium noch einmal Stellung genommen. Demnach ist die Datei nach der Überarbeitung insgesamt um rund 90% geschrumpft. So seien in „PMK-links“ derzeit (Mai 2015) 331 Personendatensätze erfasst. 2012 betrug deren Zahl noch 3.819.
2010 startete die zwei Jahre vorher per Errichtungsanordnung neu geschaffenen Datensammlung noch mit 1.398 Personen. Der rasche Anstieg von 2010 auf 2011 wurde damit erklärt, „dass es sich um eine relativ junge Datei handelt, die noch im Aufbau begriffen ist“. Ihr Bestand speiste sich damals auch aus der 2011 aufgelösten Datei „International agierende gewaltbereite Störer“ (IgaSt).
Kategorie „Prüffälle“ wird weiter benutzt
Unklar ist, wieso auch die Zahl Beschuldigter und Verdächtiger rapide sank. An der Anzeigebereitschaft der Polizei kann es nicht liegen, denn laut den aktuellen Fallzahlen für die „Politisch Motivierte Kriminalität“ (PMK) im Bereich „links“ ist die Zahl der zur Anzeige gebrachten Straftaten nur um 6,5% gesunken. Allerdings sind die Zahlen mit Vorsicht zu genießen, denn sie geben keinen Aufschluss über die schließliche Verurteilung.
Das BKA gibt den Grund für die Reduzierung mit einer „zwischenzeitlich erfolgte[n] Löschung von Altdatensätzen“ an. Diese sei „aufgrund verkürzter Aussonderungsprüffristen“ notwendig geworden. Wer diese Fristen verkürzte, schreibt das Bundesinnenministerium nicht. Das BKA musste jedoch nach der Nachhilfestunde durch die Datenschutzbeauftragten einige Konsequenzen ziehen. So hat das Amt beispielsweise die Fortbildung für seine MitarbeiterInenn entsprechend „intensiviert“ und neue Broschüren gedruckt. Informiert wurden die zuvor gespeicherten Personen nicht. Laut dem Bundesinnenministerium sehen weder das Bundeskriminalamtgesetz noch das Bundesdatenschutzgesetz eine solche Verpflichtung zur Benachrichtigung über die Löschung fälschlicherweise gespeicherter Daten vor.
Auch der jüngst veröffentlichte Tätigkeitsbericht der Datenschutzbeauftragten für 2013/ 2014 geht noch einmal auf die Datei „PMK-Links“ ein. Demnach habe das BKA gemeldet, die Kategorie „Prüffälle“ werde weiterhin benutzt, bis der jeweilige Sachverhalt, etwa aufgrund der Informationen anderer Polizeibehörden, abschließend beurteilt werden könne. Zu jedem einzelnen Fall nehme das BKA laut der amtierenden Datenschutzbeauftragten nunmehr eine „differenzierte Tatsachenbetrachtung“ vor.
Auch der Inlandsgeheimdienst speichert rechtswidrig
Seit 2006 dürfen Geheimdienste mit Polizeibehörden für bestimmte Themenfelder gemeinsame Dateien führen. Auch hierfür fehlt mitunter jede rechtliche Grundlage. So betreiben das BKA und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eine Projektdatei über „gewaltbereite extremistische Personen“. Auch dort hat die BfDI „schwerwiegende Rechtsverstöße“ festgestellt. Demnach habe der Inlandsgeheimdienst „eine Vielzahl von Personen“ gespeichert, die an einer Anti-Atomkraft-Demonstration teilnahmen.
Dies sei laut dem Tätigkeitsbericht rechtswidrig, denn die Betroffenen hätten von ihrem Grundrecht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit Gebrauch gemacht. Aus der Teilnahme an einer solchen Demonstration habe das BfV gefolgert, die Nutzung der Kernkraft werde als „Ausdruck des menschenverachtenden kapitalistischen Systems“ kritisiert, dementsprechend wollten die DemonstrantInnen dieses kapitalistische System überwinden. Zu Recht weist die BfDI das BfV darauf hin, dass eine Kritik an potentiellen Risiken der Atom-Technologie oder der ungeklärten Endlagerung nicht gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstößt. Selbst Personen, die sich an Schienen oder Werkstore oder mit Sitzblockaden den Verkehr behindern dürfen nicht per se in Datenbanken erfasst werden.
Dies habe das BfV laut dem Bericht mittlerweile auch „ausdrücklich eingeräumt“. Die Daten wurden deshalb zunächst gesperrt. Weil die Speicherwut auch andere Projektdateien betraf, bleibt mindestens eine weitere zentrale Bund/ Länder-Datei der Geheimdienste gesperrt. Um welche es sich handelt, ist unklar. Auch seien die enthaltenen Daten noch nicht gelöscht. Dies geschehe erst nach Abschluss eines Prüfungsverfahrens.