Sozialversicherung und Mindestlohn für inhaftierte Beschäftigte - volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern! - Veranstaltung zur GG/BO in Köln am 19. Juni 2015
Liebe Kolleg_innen, arbeitende Gefangene und beschäftigte Inhaftierte unterliegen einem massiven Sozial- und Lohndumping. Sie werden weder umfassend in die Sozialversicherungspflicht einbezogen, noch erhalten sie eine Vergütung, die sich oberhalb des Billiglohns bewegt.
Das 1978 in Kraft getretene Strafvollzugsgesetz (StVollzG) sah eine Rentenversicherung für Gefangene unter dem Vorbehalt eines zu verabschiedenden Bundesgesetzes vor. Seitdem wurden entsprechende parlamentarische Initiativen immer wieder blockiert. Seit nunmehr 38 Jahren ignorieren Legislative und Exekutive die faktische Selbstbindung, die sie in den späten 1970er Jahren eingegangen sind. Ein unhaltbarer Zustand, zumal insbesondere Langzeitgefangene nach einer Haftentlassung direkt vor der Situation der Altersarmut stehen.
Die bisherige Praxis, dass Landesbehörden und vor allem externe Unternehmen sozialabgabenfrei und zum faktischen Nulltarif die menschliche Arbeitskraft Inhaftierter verausgaben können, muss aus Sicht der im Mai 2014 gegründeten Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) gleichfalls endlich der Vergangenheit angehören. Haftanstalten sind in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zu Produktionsstätten und Werkshallen geworden. Dieser Trend der Ökonomisierung der JVA-Betriebslandschaft wird durch die Teilprivatisierung von Gefängnissen sogar noch beschleunigt. JVA-Betriebe fungieren als "verlängerte Werkbank" für Gewerbe und Industrie vor den Anstaltstoren. Das so genannte vollzugliche Arbeitswesen wirbt ganz ungeniert damit, dass in der "Sonderwirtschaftszone Knast" für die Landesbehörden und externe Unternehmen "Kosteneinsparpotentiale" und eine Verminderung des "Ressourceneinsatzes" erzielt werden können.
Mit unseren Kernforderungen nach einer Sozialversicherung und eines Mindestlohns für Inhaftierte in Beschäftigungsverhältnissen streben wir als GG/BO in Etappen die volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern an. Inhaftierte Kolleg_innen sind wie ihre nicht inhaftierten Kolleg_innen unter das Betriebsverfassungsgesetz zu stellen, damit die sozial- und arbeitsrechtliche Diskriminierung ein Ende finden kann.
Wir sind als GG/BO zunehmend einem systematischen Union Busting ausgesetzt. Die Vollzugsbehörden versuchen u.a. durch eine verstärkte Postzensur, Leibesvisitationen und Zellenrazzien bei engagierten inhaftierten Mitgliedern der GG/BO unseren gewerkschaftlichen Strukturaufbau einzugrenzen und letztlich zu verhindern. „Dieses Kalkül“, so unser GG/BO-Sprecher, Oliver Rast, „geht indes nicht auf. Die GG/BO hat sich mit über 700 Mitgliedern in mehr als 50 Haftanstalten in der Bundesrepublik stabilisiert.“
Die GG/BO wird künftig verstärkt den Austausch und die Zusammenarbeit mit Einzelgewerkschaften des DGB und Basisgewerkschaften (FAU, IWW) sowie mit Menschenrechtsorganisationen (Komitee für Grundrechte und Demokratie, Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe - BAG-S) suchen, damit der Koalitionsfreiheit und den Grundrechten hinter Gittern zum Durchbruch verholfen wird.
Nach einem Jahr Existenz der GG/BO konstatiert Rast, dass ein zentraler Punkt Realität ist: "Gefängnisse sind seitens der Gefangenen keine gewerkschaftsfreie Zone mehr!"
Veranstaltungshinweis:
Der Solidaritätskreis Köln der GG/BO lädt zur Veranstaltung unter dem Motto
„Ein Jahr Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation ( GG/ BO) –
eine Zwischenbilanz“ ein.
SSK-Salierring, 19h, Salierring 37, 50677 Köln
Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO)
Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO)
c/o Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4
10405 Berlin
www.gefangenengewerkschaft.de
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