Urenco-Chef Engelbrecht: "Politisch motivierte Bedenken"

Erstveröffentlicht: 
12.06.2015

Der Uran-Anreicherer Urenco soll privatisiert werden. Firmenchef Helmut Engelbrecht sieht darin kein Sicherheitsrisiko. Im Interview erklärt er zudem, warum er zu seiner Atomfabrik in Deutschland steht.

 

von Yvonne Esterházy

 

Urenco ist mit einem Marktanteil von 30 Prozent hinter dem russischen Konkurrenten Tenex das zweitgrößte Unternehmen der Welt, das Brennelemente für Atomkraftwerke herstellt. Der britische und der niederländische Staat, denen je ein Drittel der Anteile gehört, wollen aussteigen – ebenso die beiden deutschen Energiekonzerne E.On und RWE, die je ein Sechstel der Anteile besitzen. Kritiker befürchten, dass durch den Verkauf der staatlichen Anteile an private Investoren Terroristen oder Schurkenstaaten leichter an hoch angereichertes Uran und damit an den Schlüssel zum Bau der Atombombe erhalten könnten.

 

Das Unternehmen mit Sitz im britischen Stoke Poges betreibt vier Anlagen, die natürliches Uran so weit mit seinen eigenen radioaktiven Bestandteilen anreichern, dass daraus spaltbares Uran entsteht: im westfälischen Gronau, im britischen Capenhurst, im niederländischen Almelo und in Eunice im US-Bundesstaat New Mexico. Die beiden wichtigsten Konkurrenten neben Marktführer Tenex sind der französische Staatsriese Areva und der US-Konzern USEC.

 

Der Wert von Urenco wird auf zehn Milliarden Euro geschätzt. Dem Vernehmen nach wurden potenzielle Bieter aufgefordert, bis Ende 2014 ihr Interesse anzumelden. Über das Ergebnis sowie den Verkaufsprozess wahren alle Beteiligten größtes Stillschweigen.

 

BND prüft potenzielle Käufer

 

Die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage der Fraktion „Die Linke“ bestätigt, dass es einen „Markttest“ zum geplanten Verkauf der Uranfabriken von Urenco gegeben habe. Allerdings habe sie „keine unmittelbaren Kenntnisse zu dessen Details“. Zu Kaufinteressenten dürften der kanadische Minenbetreiber und Uranreicherer Vameco sowie private Investorengesellschaften gehören. Auch ein Börsengang gilt nach Angaben der Bundesregierung als möglich.

 

Nach Auskunft des Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium Rainer Baake sind Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz mit Blick auf möglicherweise vorliegende Erkenntnisse über potenzielle Anteilserwerber an den Sondierungen zum Verkauf beteiligt.

 

Urenco wurde 1970 von Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien gegründet. In dem Vertrag erklären die Staaten, dass Urenco kein hoch angereichertes atomwaffenfähiges Uran herstellen darf und dabei von einem Gemeinsamen Ausschuss der drei Regierungen überwacht wird. Die Bundesregierung will ihren Sitz in dem Gremium auch nach einem Verkauf behalten.

Wirtschaftlich ist das Unternehmen eine Goldgrube: Urenco steigerte 2014 den Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 6,4 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro und den Nettogewinn um 20 Prozent auf 404,5 Millionen Euro. Vor Abzug von Steuern, Abschreibungen und Zinsen (Ebitda) blieben sagenhafte 1,07 Milliarden Euro Gewinn übrig, fast elf Prozent mehr als 2013. Der Auftragsbestand beträgt 16 Milliarden Euro und reicht damit laut Urenco-Angaben über das Jahr 2025 hinaus. Derzeit beliefert Urenco 50 Kunden in 19 verschiedenen Ländern und hat einen Marktanteil von weltweit rund 30 Prozent.

 

Herr Engelbrecht, ursprünglich sollte Urenco vor den Wahlen in Großbritannien privatisiert werden. Wie groß sind die Chancen, dass es nach der Wiederwahl der Konservativen in diesem Jahr noch dazu kommt?

 

Der Verkaufsprozess wird nach wie vor von allen Eignern gewünscht, also von der britischen und der niederländischen Regierung sowie von den deutschen Energiekonzernen RWE und E.On. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

 

In Deutschland gibt es große Bedenken gegen den Verkauf von Urenco, weil dadurch Unbefugte an den Stoff kommen könnten, aus dem man Atombomben baut.

 

Ich halte die Bedenken der Gegner für politisch motiviert und aus unternehmerischer Sicht für nicht begründet.

 

Untergräbt der Ausstieg des Staates nicht die Aufsicht durch die internationale Atomenergiebehörde und das Verbot der Weiterverbreitung der Atomwaffentechnologie?

 

Der Vertrag von Almelo, den 1970 die deutsche, britische und niederländische Regierung unterschrieben haben, legt fest, dass alle drei sich im Hinblick auf die Sicherheit und die Non-Proliferation, also die Nicht-Weitergabe von Technologie, um das Geschäft von Urenco kümmern müssen. Das alles wird auch in Zukunft so bleiben.