Übersicht der Aktivitäten von Ärzte ohne Grenzen im Einsatz gegen Ebola

Paynesville, Liberia, 05.10.2014: Mitarbeiter mit Schutzanzug im MSF Ebola-Behandlungszentrum in Liberia trägt ein Kind, das möglicher Weise mit Ebola infiziert ist. © John Moore/Getty Images
Erstveröffentlicht: 
09.05.2015

Nach einem Jahr im Kampf gegen Ebola zogen die Ärzt_innen ohne Grenzen eine Zwischenbilanz. Zwar wurde Liberia am 9. Mai 2015 als Ebola-frei erklärt, doch der Kampf gegen diese Krankheit und ihre Folgen ist lange nicht vorbei. In Guinea und Sierra Leone kommt es nach wie vor zu Neuinfektionen und in allen der drei hauptbetroffenen Länder in Westafrika haben die Menschen mit den Folgen zu kämpfen, wie Stigmatisierung von Überlebenden, der weiterhin angespannten wirtschaftlichen Lage oder dem erforderlichem Aufbau des Gesundheitssystems - mehr als 500 medizinische Fachkräfte sind in Folge der Epedemie verstorben. Der folgende Bericht gibt einen Überblick der Aktivitäten der Ärzt_innen ohne Grenzen und der Situation in Guinea, Liberia und Sierra Leone (Stand 9. Mai 2015).


Im Anhang findet ihr den englisch-sprachigen Bericht: Pushed to the Limit and Beyond. A year into the largest ever Ebola outbreak.

 

Guinea, 09.05.2015 - Ärzte ohne Grenzen hilft seit März 2014 bei der Bekämpfung der Ebola-Epidemie in Westafrika. Es handelt sich um den größten bekannten Ebola-Ausbruch. Mehr als 10.800 Menschen sind bisher in Westafrika an Ebola gestorben, mehr als 26.100 Menschen haben sich mit dem Virus infiziert (Stand: 25. April 2015). In den vergangenen Wochen war ein starker Rückgang an Ebola-Neuinfektionen zu beobachten. Liberia wurde am 9. Mai 2015 von der Weltgesundheitsorganisation WHO als Ebola-frei erklärt. Guinea und Sierra Leone arbeiten derzeit noch an der Eindämmung der Epidemie. Dennoch ist der Ausbruch nicht vorbei: Erst wenn in allen drei betroffenen Ländern innerhalb von 42 Tagen keine neuen Fälle mehr auftreten, sind sie wirklich als Ebola-frei zu bezeichnen. Daher ruft Ärzte ohne Grenzen weiterhin zu Wachsamkeit auf.

Seit Beginn des Ausbruchs hat Ärzte ohne Grenzen mehr als 9.400 Menschen in Ebola-Behandlungszentren aufgenommen, von denen rund 5.100 an Ebola erkrankt waren. 2.449 Patienten und Patientinnen konnten gesund entlassen werden (Stand: 5. Mai 2015). In den drei am stärksten von Ebola betroffenen Ländern sind derzeit über 1.300 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Ärzte ohne Grenzen im Einsatz (Stand: 21. April 2015). Außerdem ist Ärzte ohne Grenzen momentan in drei verschiedenen Studien in Guinea involviert, die sich auf verschiedene Aspekte der medizinischen Hilfe konzentrieren – die Diagnose, Vorbeugung und Behandlung von Ebola.


Die ohnehin schwachen Gesundheitssysteme der betroffenen Länder wurden durch die Epidemie empfindlich getroffen. Die lange Unterbrechung der regulären Gesundheitsleistungen hat zu schweren Mängeln bei präventiven Aktivitäten geführt, u.a. bei der Impfung von Kindern und der Langzeit-Behandlung von HIV-Betroffenen oder chronisch Kranken.

 

Viele Ebola-Überlebende sind weiterhin mit sozialer Ausgrenzung und Stigmatisierung in ihren Gemeinden konfrontiert. Ihre Hilfe ist im Kampf gegen das Virus jedoch essentiell – bei der Betreuung von PatientInnen in Ebola-Behandlungszentren, durch Blutspenden für Plasma-Transfusionen und durch ihre Aufklärungsaktivitäten in Gemeinden. Weiterhin ist mehr Kommunikation nötig, um die Rolle dieser außergewöhnlichen Menschen verständlich zu  machen, die das Virus besiegt haben und nun anderen helfen.

 

Ärzte ohne Grenzen hat überdies immer wieder auf die unzureichende internationale Reaktion auf die Krise hingewiesen – zuletzt mit dem Bericht "Pushed to the limit and beyond" (PDF), den die Organisation anlässlich des ersten Jahrestages der Ebola-Bekämpfung veröffentlicht hat. 

 

Guinea: Zahl der Neuerkrankungen schwankend

 

Die Zahl der Neuerkrankungen ist in Guinea weiterhin schwankend, auch wenn sie sich deutlich verringert hat. Die Situation bleibt in einigen anderen Präfekturen weiterhin besorgniserregend, besonders in Forecariah. Dort herrscht aktuell die höchste Anzahl an bestätigten Ebola-Fällen. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen konzentrieren sich daher hauptsächlich auf Aufklärungsarbeit, die Unterstützung des lokalen Gesundheitssystems und so genannte „Outreach“-Aktivitäten. Auch die starke Stigmatisierung vor Überlebenden ist weiterhin ein Problem.

 

Im Donka-Behandlungszentrum in Conakry wurden seit 20. April 2015 keine neuen Ebola-Fälle mehr aufgenommen. Der letzte bestätigte Ebola-Patient konnte das Zentrum am 28. April gesund verlassen; am 4. Mai wurden zwei Verdachtsfälle aufgenommen. In Nongo wird momentan ein neues Ebola-Behandlungszentrum errichtet, das im Juni fertiggestellt sein sollte.

 

Das Zentrum in Gueckedou wurde am 31. März geschlossen, nachdem seit Jänner keine neuen Fälle mehr aufgenommen worden waren. Der Standort wurde komplett dekontaminiert, sämtliches Material entfernt und das Gebiet an die lokalen Behörden übergeben. Das Behandlungszentrum in Kankan wurde von Ärzte ohne Grenzen am 18. April offiziell an die lokalen Behörden übergeben. Ein neues Zentrum mit einer Kapazität von 40 Betten wurde ebenfalls übergeben.

 

Liberia: Am 9. Mai als Ebola-frei erklärt

 

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Liberia am 9. Mai als Ebola-frei erklärt. Ärzte ohne Grenzen ist darüber erfreut, dass innerhalb von 42 Tagen keine neuen Fälle mehr festgestellt wurden und gratuliert der liberianischen Bevölkerung für ihre Anstrengungen im Kampf gegen die Epidemie. Doch solange der Ausbruch weiterhin in den benachbarten Ländern Guinea und Sierra Leone herrscht, kann noch von keinem Ende der Epidemie gesprochen werden. Wachsamkeit und eine genaue Überwachung sind der Schlüssel gegen einen möglichen Neuausbruch.

 

Das Ebola-Behandlungszentrum ELWA-3 in Monrovia wurde am 17. April offiziell an die Regierung übergeben. Ein neueröffnetes Kinderkrankenhaus mit 41 stationären Betten und 10 Notfallbetten ist voll belegt. Es wurde am 23. März eröffnet und nahm in den ersten fünf Wochen bereits 384 Kinder in der Notambulanz auf. Die häufigsten Ursachen waren Blutarmut, Mangelernährung, Atemwegsinfektionen und Komplikationen bei Neugeborenen, viele davon nach Hausgeburten.

 

Ärzte ohne Grenzen betreibt auch eine Klinik für Überlebende, wo rund 20 Menschen pro Woche medizinisch betreut werden.

 

Von 8. bis 14. Mai 2015 wird eine landesweite Masern-Impfkampagne in Liberia stattfinden. Die Aktion wird von UNICEF, der WHO, dem Gesundheitsministerium von Liberia und dem Roten Kreuz durchgeführt. 383 Teams wurden bisher rekrutiert und 215 Impfstationen aufgebaut. Ärzte ohne Grenzen wird die Impfaktivitäten im Bezirk Montserrado unterstützen.

 

Sierra Leone: Zahl der neuen Fälle stabilisiert

 

Die Anzahl der Neuerkrankungen hat sich in Sierra Leone auf durchschnittlich 10 Menschen pro Woche stabilisiert. Der Großteil der Fälle tritt im „Western Area“ und der Region Kambia an der Grenze zu Guinea auf. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen konzentrieren sich u.a. auf „Outreach“-Aktivitäten, Überwachung und Gesundheitsaufklärung. Gemeinsam mit den nationalen Behörden wird auch derzeit anderweitiger medizinischer Bedarf im Land erhoben.

 

Nachdem im Süden des Landes einige Behandlungszentrum geschlossen wurden, ist das Zentrum in Bo mit 24 Betten die Hauptanlaufstelle für neuauftretende Fälle in der Region. Nach der Entlassung des letzten Patienten in Magburaka wird das Zentrum in den kommenden Wochen geschlossen werden, so keine Neuinfektionen auftreten. Unsere Teams untersuchen gerade Masern-Fälle in der Region.

 

In Freetown wurde das Behandlungszentrum für mit Ebola infizierte Schwangere von Kissy nach Hastings verlegt, um die Wiedereröffnung der Schule in Kissy zu ermöglichen. Die Behandlungseinrichtung wird bis zum Ende der Epidemie geöffnet bleiben. Die Teams untersuchen auch den Bedarf an medizinischer Hilfe von Schwangeren in Häusern, die unter Quarantäne stehen.

 

Das Ebola-Behandlungszentrum in der „Prince of Wales“-Schule wurde am 23. Februar geschlossen; die Schule ist nun wieder für SchülerInnen geöffnet. Unsere Teams konzentrieren sich auf „Outreach“-Aktivitäten wie die Desinfektion von Häusern und Gesundheitsaufklärung. Auch auftretende Masernfälle werden untersucht. Ärzte ohne Grenzen betreibt auch eine Klinik Überlebende, wo täglich rund 20 Menschen medizinisch betreut werden. Teams für Gesundheitsaufklärung und psychosoziale Hilfe unterstützen weiters Überlebende und die Familien von Ebola-Opfern direkt in ihren Gemeinden.

 

Ärzte ohne Grenzen unterstützt außerdem lokal den Kampf gegen Ebola in neun Stadtteilen von Freetown mit Überwachungsaktivitäten und der Nachverfolgung von Kontakten. Auch wird sichergestellt, dass Häuser, die unter Quarantäne stehen, von den betreffenden Akteuren eine angemessene Nachbetreuung erhalten.