Jean-Luc Mélenchon gegen Deutschland

Jean-Luc Mélenchon ist sehr bekannt in Frankreich als linker Politiker; er hat gerade ein Buch veröffentlicht: „Le hareng de Bismarck - Le poison allemand“ - „Bismarcks Hering - Deutsches Gift“. Hier eine Kritik aus kommunistischer Sicht, aus Frankreich.

 

Jean-Luc Mélenchon ist sehr bekannt in Frankreich als linker Politiker; ehemaliger Sozialist, hat er die Linkspartei gegründet und es gehört zu seiner Tradition, unhöflich und provokativ zu sein. Sein Stil hat aber einen Sinn: voller Populismus.

 

Vor ein paar Tagen, eigentlich gerade siebzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, hat er so ein Buch veröffentlicht: „Le hareng de Bismarck - Le poison allemand“ - „Bismarcks Hering - Deutsches Gift“. Um das Ganze noch so zu sagen spannender zu machen, hatte er bevor ein Video auf seine Homepage gepost, mit Harald Schumachers Foulspiel an Battiston, bei der Fußball-WM 1982 !

 

Was im Buch steht, ist leicht zu ahnen. Es würde ein « deutsche Modell » geben, und alle Probleme in Frankreich würden davon kommen. Nicht nur, dass die Herrschenden denken, dass dieses Modell zum folgen wäre: Deutschland wäre auch eine Expansionsmacht. „Widerstand soll also geleistet werden“; schon im Dezember 2014 hatte Mélenchon so eine Provokation aufgebaut: „Maul zu, Frau #Merkel. Frankreich ist frei", twitterte er.

 

Wir haben hier eine klassische national-sozialistiche Rhetorik: die Gemeinschaft wäre von ausserhalb angegriffen, von einem Gift, das man stoppen muss, durch eine nationale Mobilisierung von den gesunden Kräften.

 

Mélenchon erklärt, Deutschland hat eine immer kleinere Bevölkerung, braucht die Euro für ihre Hegemonie, erfordert ultra-liberalismus in allen Ländern… und Frankreich wäre ein Opfer.

 

Natürlich ist der Feind, Mélenchon nach, der Finanzkapitalismus, und nicht der Kapitalismus als solche: Deutschland wäre in sich Finanzkapitalismus, eine volle liberale Wirtschaft, ein Volksstammstaat auf Expansion strebend.

 

Natürlich auch geht der Kampf gegen Deutschland durch eine Allianz mit Russland gegen die Nato und die Europäische Union: es ist eine klassische national-revolutionäre Ideologie von „Links“ die hier von Mélenchon vorgestellt wird.

 

Eigentlich sagt Marine Le Pen dasselbe: Frankreich will eine Allianz mit Deutschland und Russland, aber will nicht untergeordnet sein, und der Hauptfeind sind die USA. Es gibt als Alternative entweder Faschismus, oder nationaler „links“-populismus als Vorstufe zum Faschismus.

 

In diesem Rahmen will Mélenchon zeigen, er hat die Möglichkeit, die Massen zu mobilisieren, gegen das „schlechte“ Kapitalismus, ohne das gut anzugreifen.

Wenn Mélenchon es schafft, ein Konsens aufzubauen, wo erklärt wird, dass eine wirtschaftliche liberale Politik von Deutschland aus diktiert wird, kann er „national“ und „sozial“ kombinieren, also den französischen Kapitalismus schützen.

 

Seine Stellung aber ist nicht nur völlig reaktionär: es stimmt überhaupt nicht, indem es falsch ist zu sagen, dass die heutige BRD mit den USA vernetzt sind. Das hat vorher gestimmt, eindeutig. In ihrer „Erklärung zu Sache“, erklären richtigerweise die Gefangenen aus der RAF Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe am 13. Januar 1976:

 

„Der US-Außenpolitik und ihrem hauptsächlichen Instrument – dem US-Militär, gründeten die USA nach ’45 drei Staaten als Operationsbasen amerikanischer Außenpolitik außerhalb der USA: die Bundesrepublik, Südkorea und Südvietnam.

 

Die Funktion dieser Staaten für den US-Imperialismus ging von Anfang an in zwei Richtungen: sie waren Operationsbasen des US-Militärs zur Einkreisung und zum schließlichen Roll-back der Sowjetunion bzw. des sowjetischen Militärs, und sie waren Operationsbasen des amerikanischen Kapitals zur Organisierung der Region Süd-Ost und Ostasien dort, Westeuropa hier unter das Interesse des US-Kapitals (…).

 

Insgesamt ist die politische Kolonisierung des westdeutschen Proletariats gekennzeichnet durch die antikommunistische Offensive des US-Imperialismus und des deutschen Monopolkapitals an seiner Seite – Antikommunismus nach außen vermittelt durch die psychologische Kriegsführung im Rahmen der Rollback-Strategie; nach innen vermittelt durch die Psychologisierung der Politik als Grundlage der »Reeducation«, der Gehirnwäsche gegen die Massen.

 

Indem die Besatzungsmacht die Ursachen des Faschismus nicht nur in die Person seiner Führer, sondern mit der rassistischen Behauptung der »Kollektivschuld« in den Charakter des ganzen Volkes verlagerte, verhinderte sie, daß die Niederlage der Arbeiterbewegung von 1933 als Konsequenz einer falschen Politik diskutiert wurde, und sie tabuisierte damit die tatsächliche Ursache des Faschismus: die herrschende Klasse des Monopolkapitalismus, das kapitalistische Produktionsverhältnis – und damit seine Kontinuität.“

Es hat damals gestimmt, dass „der US-Imperialismus als hegemoniale Macht, die gesamte westdeutsche Innenpolitik beherrscht“.

 

Die BRD, seit der Vereinigung erlaubt durch den Zerfall des sozial-imperialistischen Sowjetunion, folgt aber eine unabhängige Linie. Die politische Souveränität ist nicht mehr formal – die Ironie der Geschichte ist auch hier, dass die falsche Linie der RAF – die die UdSSR als Sozial-imperialismus nie verstanden hat – eigentlich den Aufbau dieser unabhängigen Linie geholfen hat.

 

Indem der anti-imperialistischen Kampf nur gegen die NATO und die USA geführt wurde, haben Teilen der deutschen Bourgeoisie davon profitieren können. Es passierte dasselbe mit den antinazi Kämpfen von den 90er: sie haben teilweise auch geholfen, Deutschland zu modernisieren. Dasselbe passierte in Österreich.

In diesem Prozess haben die „Grünen“ eine Hauptrolle gespielt. Die Resten des feudalischen Überbau wurden liquidiert; hier müssen wir an Alfred Klahr's hervorragende Analyse über den Nationalsozialismus in Deutschland („Auschwitz Text“) denken.

 

Wie Alfred Klahr, der Österreicher war, bemerkte, um Deutschland zu verstehen war es notwendig, die Rolle des preußischen Junkertums und des sogenannten Preußentums in der nationalen Entwicklung Deutschland zu analysieren.

 

Alfred Klahr sagt hier:

 

„Mit der weiteren Entwicklung der Bourgeoisie, mit der Bildung des deutschen Finanzkapitals und dem Übergang zur Epoche des Imperialismus, rückte auch das Finanzkapital zur Teilnahme an der Macht auf.

 

Aber in dieser Koalition zwischen Junkertum und Finanzkapital spielte das erstere die führende Rolle, nicht zuletzt dank des Einflusses der Dynastie und des Hofes. Heer, Außenpolitik, die wichtigsten Positionen der inneren Verwaltung, die Justiz waren Domänen des Junkertums.

 

Auch nach der bürgerlichen Revolution von 1918 hat das Finanzkapital, wenn man absieht von einigen stürmischen Zwischenperioden, bis zirka 1923 an dieser Koalition mit dem Junkertum festgehalten (die Hindenburgrepublik). Nur daß innerhalb dieser Koalition die Führung auf das Finanzkapital übergegangen war. Das trifft trotz mancher Reibungen und Differenzen auch auf den Klassencharakter des deutschen Faschismus zu (…).

 

Marx und Engels sprechen von der deutschen Misere vor 1866 und meinen die kleinstaatliche Zersplitterung Deutschlands; weil diese Zersplitterung nicht demokratisch-revolutionär, sondern preußisch, militärisch, reaktionär aufgehoben wurde, bestand und besteht eine andere deutsche Misere bzw. die deutsche Misere in anderer Form weiter:

 

Die weitgehende Verpreußung Deutschlands, die politische und ideelle Macht der preußisch reaktionären Kräfte über die deutsche Nation, die über verschiedene historische Ereignisse hinweg dank der Schwäche der demokratisch-revolutionären Gegenkräfte dann in den deutschen Faschismus mündeten.“

 

Mit der Wiedervereinigung, als der Kapitalismus in der BRD schon ganz stark war, ging es zur vollen Unabhängigkeit.

 

Und in dieser Stabilität konnte der Linksradikalismus als nützliche „soziale“ anti-soziale Revolte benützt sein, mit einem Inhalt als Mischung von „ACAB“, „Gesellschaftskritik “, „antikapitalistische Alternative“, usw. : je mehr die radikale Linke „sozial“ war, je mehr sie hat eigentlich nur die Modernisierung begleitet.

Die „antinationale“ Bewegung war hier der Höhepunkt der Kapitulation: indem Deutschland einfach negiert war, was die Notwendigkeit einer Studie der Geschichte einfach negiert worden. Klassenkampf gab es nicht mehr, nur mehr Postmoderne und „Gesellschaftskritik“.

 

Das ist ein Beweis, dass Jean-Luch Mélenchon sich irrt. Deutschland ist kapitalistisch, wie Frankreich, wie England, wie die USA. Deutschland ist nicht mehr eine Vorstosstruppe der USA, wie in den 70er Jahren.

 

Und es ist nicht so, dass die BRD die EU kontrollieren wurde, dass es ein Modell wäre. Es geht einfach um inter-imperialistischen Widersprüchen, die machen, dass der imperialistische Krieg unvermeidlich ist, wenn es keine sozialistische Revolution gibt, um es zu verhindern.

 

Quelle

http://lesmaterialistes.com/deutsch/