Strafrichter schickt Leipziger NPD-Stadtrat Enrico Böhm für acht Monate in Haft

Erstveröffentlicht: 
08.05.2015

Leipzig. Der gewalttätige Übergriff auf eine Frau in Altlindenau bringt ihn womöglich hinter Gitter. Enrico Böhm, seit Ende 2014 für die rechtsextreme NPD im Leipziger Stadtrat, ist am Donnerstag am Leipziger Amtsgericht wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu acht Monaten Haft verurteilt worden - ohne Bewährung. Die Entscheidung gegen den 32-jährigen Mediengestalter ist aber noch nicht rechtskräftig.

 

Die Staatsanwaltschaft hatte elf Monate Freiheitsentzug ohne Bewährung beantragt, die Verteidigung hingegen Freispruch. Ob sie Berufung einlegt, war gestern noch unklar.

"Der Angeklagte hat eine unbeteiligte und unbescholtene Person angegriffen. Es gibt nichts Schlimmeres als das und bedarf eines harten Urteils", begründete Strafrichter Mathias Winderlich seine Entscheidung. Er war zweifelsfrei davon überzeugt, dass Böhm am 25. April 2014 einer "nichts ahnenden und unbedarft durchs Stadtgebiet" fahrenden Radlerin einen Fußtritt gegen den Oberkörper versetzt, die Frau verletzt und als "Zeckenschlampe" beschimpft hat. Die Auszubildende befand sich auf dem Weg zum Einkauf in den Supermarkt. Dabei kam sie in der Gemeindeamtsstraße rein zufällig an einer Gruppe vorbei, die wegen einer eingeschlagenen Audi-TT-Scheibe aufgebracht war. "Ich habe selten eine Zeugin erlebt, die so relativ unbefangen, ruhig und bildhaft schilderte, was passiert war. Ich hätte selbst auf dem Fahrrad sitzen können", meinte der Richter. Die 29-Jährige war geschockt: "Ich konnte nicht glauben, dass man auf offener Straße angegriffen wird." Noch etwa ein halbes Jahr lang beschäftigte sie dieser Vorfall. "Sie haben sich nicht in der Gewalt und können sich nicht zurücknehmen. Sie haben in laufender Bewährungszeit weitere Straftaten begangen", so der Richter zum Angeklagten, wobei er auf dessen 13 Vorstrafen verwies. 2009 war der NPD-Mann wegen Körperverletzung zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Am Amtsgericht ist zudem noch ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung anhängig.

Oberstaatsanwalt Ralf-Uwe Korth sprach von "cholerischen Auswürfen" des Angeklagten, der sich als "Rächer der Nation" gegenüber einer unschuldigen und unbeteiligten Person aufgeführt und Selbstjustiz geübt habe. Ein Mitglied des Stadtrats, gleich welcher Partei oder Fraktion, "kann nicht so entgleisen", meinte Korth. Das Opfer sowie auch eine Augenzeugin hatten Böhm auf Fotos, die ihnen die Polizei vorgelegt hatte, sowie auch im Gerichtssaal als Angreifer identifiziert. Dennoch meinte Verteidiger Mario Thomas: "Der Tatnachweis ist nicht geführt." Er begründete das mit einer verfahrenswidrigen Vorlage der Lichtbilder durch die Polizei. Auch die Wiedererkennung im Gerichtssaal habe wegen Suggestion wenig Beweiswert, weil Zeugen glaubten, wer auf der Anklagebank sitze, sei auch der Täter. Böhm hatte zu dem Fall geschwiegen.

Vom Vorwurf der versuchten Nötigung einer Jobcenter-Mitarbeiterin sprach das Gericht den Angeklagten - wie vom Verteidiger gefordert - frei. Seine Bemerkung "Sie werde den Kopf unter dem Arm tragen" erfülle nicht den Tatbestand, sei eine Redewendung. Oberstaatsanwalt Korth hatte indes auf schuldig plädiert. Das Verfahren um Missbrauch der Polizei-Notrufnummer war auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt worden.