Westafrika: Meeresplünderern das Handwerk legen. Internationaler Seegerichtshof nimmt Flaggenstaaten in die Pflicht

Fischmarkt in Bakau: Das Urteil des Internationalen Seegerichtshofs gibt Hoffnung, dass der Überfischung vor Westafrika Einhalt geboten werden kann (Bild: Ralfszn, lizensiert unter GNU/GFDL via Wikimedia Commons).
Erstveröffentlicht: 
29.04.2015

Banjul. Zwölf Stunden war der Fischer Buba Badjie auf dem Meer. Als er mit seinem Boot wieder an der Küste von Bakau, zwölf Kilometer westlich der gambischen Hauptstadt Banjul, anlegt, wird er von Frauen umringt, die seinen Fisch kaufen wollen. "Ich habe nur Bongas und Welse an Bord", sagt er verdrossen. Für Fischer wie Badijie wird es immer schwieriger, die lokale Nachfrage zu bedienen.

 

Badjie war ein Teenager gewesen, als ihn die Suche nach Arbeit ins Nachbarland Senegal verschlug. Seit 20 Jahren lebt er inzwischen vom Fischfang, doch mit dem Geschäft geht es bergab. "Der Fang reicht gerade aus, um meine Kosten zu decken", beklagt er und erzählt, dass ihn die Fahrt 2.500 gambische Dalasi (60 US-Dollar) gekostet hat. "Ich bin sogar mehr als 20 Kilometer hinaus gefahren, doch stieß ich nur auf diese Bongas", sagt er und zeigt auf den silbrig glänzenden Fisch.

Auf die Frage, warum sich seine Arbeit zu einem Minusgeschäft entwickelt hat, antwortet er: "Da ist das Problem des Klimawandels. Und dann treffen wir auf diese riesigen kommerziellen Fangboote. Wenn wir unsere Netze auswerfen, bedrohen sie uns und zerreißen unsere Netze."

Doch für Badjie und tausende andere kleine Fischer der Region zeigt sich endlich Licht am Ende des Tunnels. In einem historischen Urteil hat der Internationale Seegerichtshof entschieden, dass die Länder, unter deren Flagge die Trawler unterwegs sind, dafür Sorge zu tragen haben, dass sich die Schiffe an die Fischereigesetze und -bestimmungen der Länder halten, in deren Küstengewässern sie unterwegs sind.

Die Flaggenstaaten, so das Tribunal, müssen die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass diese Schiffe nicht in illegale, ungemeldete und unregulierte Fischereiaktivitäten in den Gewässern der Mitgliedstaaten der Subregionalen Fischereikommission (SFRC) verstrickt sind. Sollten sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, können sie haftbar gemacht werden. In dem Richterspruch heißt es weiter, dass für die Europäische Union das Gleiche gilt.


Raubbau im großen Stil

Nirgendwo sonst auf der Welt wird so viel Fisch geplündert wie in den westafrikanischen Küstengewässern. Der Anteil der illegalen an den regionalen Gesamtfängen wird auf 37 Prozent geschätzt. "Das Urteil ist willkommen und könnte einen Wandel bewirken", meint John Tanzer von der Umweltorganisation WWF.

Der SRFC gehören die westafrikanischen Länder Kapverden, Gambia, Guinea-Bissau, Mauretanien, Senegal und Sierra Leone an. Der Bedarf an einer Intervention des Tribunals wurde 1993 deutlich, als die SRFC die übermäßige Ausbeutung der Meeresressourcen und exzessive illegale, ungemeldete und unregulierte Fischereiaktivitäten anprangerte. Fast die Hälfte der damaligen Fänge war illegal. Die dadurch verursachten finanziellen Einbußen der westafrikanischen Länder beliefen sich den Schätzungen zufolge auf jährlich 500 Millionen Dollar.

Gegen den offensichtlichen Raubbau an den westafrikanischen Fischbeständen ziehen seit Jahrzehnten Umweltgruppen zu Felde. 'Greenpeace International' protestierte gegen die illegalen Fangpraktiken der sogenannten 'Monsterboote', wie die überdimensionierten Fischfang-Flotten bezeichnet werden, die aus Europa oder anderen Teilen der Welt kommen.

Seit Jahrzehnten billigten die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten die Gefräßigkeit ihrer industriellen Fangflotten, kritisiert Greenpeace und weist darauf hin, dass die Europäische Kommission bereits 2008 darauf hingewiesen habe, dass einige dieser Riesenboote solche Unmengen Fisch an Bord holten, dass die Bestände sich nicht regenerieren könnten. Das Problem sei globaler Natur, und die Folgen alarmierend.


Überfischung durch ausländische Fangboote

Aus inoffiziellen Kreisen ist zu hören, dass sich derzeit 47 Industrieschiffe in den gambischen Küstengewässern aufhalten. 35 von ihnen fischen unter ausländischer Flagge. Angesichts einer solchen Konkurrenz wird es für die kleinen Fischer immer schwerer, die lokale Nachfrage zu decken. Die Preise für den knapper werdenden Eiweißlieferanten sind drastisch in die Höhe geschnellt und es kommt vor, dass die Fänge die Nachfrage nicht bedienen können. "Unsere Gewässer sind ganz einfach überfischt", sagt der 80-jährige gambische Fischer Ousman Bojang.

Bojang hatte das Fischereihandwerk von seinem Vater gelernt. Doch später sattelte er um und ging zur Polizei. Doch 20 Jahre später zog es ihn wieder aufs Meer hinaus. Nach dem Bau seines ersten eigenen Bootes 1978 wurde er Vorsitzender des ersten gambischen Fischerverbands.

"Die Fischerei hat mein Leben bereichert", meint er heute. "Als ich noch im Polizeidienst war, konnte ich mir kein eigenes Haus bauen. Das habe ich inzwischen nachgeholt. Alle meine Kinder können einen Schulabschluss vorweisen." Eine enorme Leistung, erst recht, wenn man bedenkt, dass Bojang zehn Söhne und 15 Töchter hat. "Alle Jungs sind Fischer geworden", sagt er. "Und auch die Mädchen können angeln und Netze reparieren."

Dem Urteil des Internationalen Seegerichts sind einige andere vielversprechende Initiativen zur Verbesserung der Lage der kleinen Fischer vorausgegangen. So hat das Afrikanische Panel für den Fortschritt unter dem Vorsitz des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan den illegalen Fischfang zu einem Problem erklärt, das der Kontinent endlich prioritär angehen müsse.

Einen weiteren Vorstoß hat die UN-Landwirtschaftsorganisation (FAO) mit der Herausgabe von Leitlinien unternommen, mit deren Hilfe die sozialen und arbeitsrechtlichen Bedingungen der im Sektor Beschäftigten verbessert werden sollen. Auch zielen sie auf Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, zur Prävention von Naturkatastrophen und zu vielen anderen Fragen. Doch wird sich die Lage der kleinen Fischer nach Ansicht von Nicole Franz, einer Fischereiexpertin in der FAO-Abteilung für Fischerei und Aquakultur, nur mit einem Menschenrechtsansatz nachhaltig verbessern. (afr/IPS)