"Die Immigranten sonnen sich!"

Erstveröffentlicht: 
15.04.2015

Verwirrung um Asylregelungen in Athen

 

"Alle Syrer, die nach Griechenland kommen, erhalten ab sofort Reisepapiere von uns, damit sie weiter in die Staaten, in die sie wollen, reisen können", verkündete der Regierungssprecher Gavriil Sakelaridis mit feierlichen Worten vor der Presse.

 

Vorangegangen war eine vierstündige Konferenz sämtlicher mit der Immigration in Berührung kommenden Minister. Wenig später relativierte die Regierung mit einem "Non Paper" die Aussage. In der schriftlichen Version ist nur noch von "allen notwendigen Papieren" die Rede. Über die Weiterreise wird zunächst kein Wort mehr verloren.

 

Die Regierung hat erkennen müssen, dass die von ihr beabsichtigte Regelung nicht mit EU-Recht und nicht mit der Schengener Vereinbarung vereinbar ist. Weiterhin wird jedoch betont, dass die Immigrationsproblematik ein europäisches und kein rein griechisches Problem ist. "Das Flüchtlingsproblem ist international und nicht griechisch. Es erfordert Ernsthaftigkeit, Besonnenheit und vor allem Menschlichkeit. In dieser Zeit darf es keine politischen Spielchen geben und keinen billigen Populismus mit Menschenleben ", resümierte Sakelaridis.

 

Unter Premierminister Alexis Tsipras hatten Innenminister Nikos Voutsis und seine Vizeminister über mögliche Lösungen des Problems debattiert. Beteiligt waren unter anderen der Vizeminister im Inneren, Handelsmarineminister Thodoris Dritsas, die Vizeministerin im Inneren, Immigrationsministerin Tasia Christodoulopoulou, der Vizeminister im Inneren, Bürgerschutzminister Giannis Panousis und ein Vertreter vom für Immigrationsfragen zuständigen EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos. Die Ergebnisse der Krisensitzung der Minister des Inneren im Einzelnen in der aktuellen Version, ohne Reisepapiere für die Syrer beschreiben als Pläne der Regierung:

 

  • Die Beförderung von Neuankömmlingen von den Inseln in Aufnahmezentren auf dem griechischen Festland und schnelle Trennung von Flüchtlingen und wirtschaftlichen Einwanderern.
  • Die syrischen Flüchtlinge haben das Recht, als Flüchtlinge direkt alle notwendigen Dokumente zu erhalten.
  • Ein Plan wurde genehmigt, welcher die Schaffung geschlossener Bereiche und Lager sowie die Nutzung vorhandener Infrastruktur vorsieht. Dort werden alle notwendigen medizinischen Untersuchungen vorgenommen werden. Die Einhaltung aller Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften kann dann gewährleistet werden.
  • Im Hinblick auf den EU-Gipfel und die Ministertreffen wird die Regierung alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um im Rahmen der europäischen Solidarität die Migration und Flüchtlingsströme nach Europa zu meistern und eine verhältnismäßige Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Länder zu erreichen.

Für eine linke Regierung ungewöhnlich ist, dass die gerade erst geleerten und faktisch geschlossenen Auffanglager für Immigranten nun wieder genutzt werden sollen. Die im Wahlkampf seitens SYRIZA als "Konzentrationslager" bezeichneten Einrichtungen sollen offenbar sogar ausgebaut werden.

 

Diesbezüglich bestehen innerhalb der Ministerriege eklatante Differenzen. "Es gibt keine Immigranten am Omonia Platz. Und wenn man dort welche sieht, dann sonnen sich die Menschen", hatte Immigrationsministerin Tasia Christodoulopoulou am Vormittag in einem Radiointerview erklärt. Diese Aussage brachte ihr auch innerhalb der Regierung Ärger ein. Christodoulopoulou begründete ihre Aussage damit, dass sie bei nächtlichen Inspektionen vor Ort an den Plätzen in Athen keine Immigranten antreffen konnte. Bissig betonte die PASOK in einer offiziellen Stellungnahme, dass die Immigranten mitnichten ein Sonnenbad nehmen würden, sie hätten Angst, würden frieren und hungern, meinte die Oppositionspartei.

 

Christodoulopoulou hingegen bestand darauf, dass Griechenland kein sehr großes Problem habe. Die 800 Flüchtlinge, welche in den letzen beiden Tagen aufgegriffen wurden, seien kein Vergleich zu den 5.500 Asylsuchenden, welche Italien im gleichen Zeitraum erreichten, meinte die Ministerin. Ihr zur Seite stellte sich auch der als rechtskonservativ eingestufte Koalitionspartner Tsipras, Panos Kammenos. Der Verteidigungsminister erklärte im Fernsehen, dass das Immigrationsproblem für Griechenland eine Nummer zu groß sei und dass "es nicht Griechenlands, sondern Europas Problem ist. Europa [gemeint ist die EU] muss die Türkei zur Umsetzung des Dublin-II-Abkommens bewegen."

 

Kammenos befand weiterhin: "Die Wellen des Krieges im mittleren Osten werden zu Wellen tausender Immigranten führen." Für den ansonsten gern patriotische Töne schwingenden Minister ist es "etwas anderes zu sagen, dass ich die Tür zumache, und etwas anderes, das Meer voll mit Kindern zu sehen. Die EU muss einsehen, dass es Flüchtlinge sind, die allein schon aus gesundheitlichen Gründen nicht auf den Inseln festgehalten werden können."