Die Bundeswehr kommt – Balingen wird hysterisch.

Krieg dem Krieg!

Am kommenden Wochenende wird die Bundeswehr in der kleinen schwäbischen Stadt Balingen einen Orchester-Wettbewerb, das so genannte BW-Musix, veranstalten (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30992/1.html). Dabei geht es zunächst um die Selbstdarstellung der Bundeswehr als „größtem Arbeitgeber für Berufsmusiker“ wie immer gerne betont wird. Angesichts von Massakern, an welchen die Bundeswehr offensichtlich zugleich in Afghanistan beteiligt ist, spielt eine solche Selbstdarstellung natürlich eine wichtige Rolle (http://www.imi-online.de/download/MSG-BW-Marketing.pdf). Natürlich – das verleugnet die Stadtverwaltung zwar, wird aber von den Verantwortlichen der Bundeswehr ganz offen eingeräumt – geht es dabei auch um Nachwuchsgewinnung. Grund genug, das BW-Musix zu kritisieren und auch dagegen zu demonstrieren. Mitglieder der Partei „die Linke“ und auch eine Grüne im Stadtrat haben solche Kritik geäußert und sahen sich daraufhin heftiger Kritik in den Regionalzeitungen (und offiziellen „Medienpartnern“ des BW-Musix) ausgesetzt. Nun sind sie in der Defensive und distanzieren sie sich von einer am Samstag stattfindenden „Freiraumdemo“ linker Jugendlicher. Schlimmer noch: zumidest die Vertreter der Partei „die Linke“ beteiligen sich am Aufbau eines völlig absurden Szenarios, nach dem Horden autonomer Krawallmacher Balingen in Schutt und Asche legen würden.

 

So ziert den online-Artikel des Schwarzwälder Boten gleich mal ein „Symbolbild“, das zwei behelmte und vermummte Bereitschaftspolizisten bei einer rüden Verhaftung zeigt. Untertitel: „Die Polizei ist gewappnet für die Demonstranten“. Der Polizeisprecher rechne „mit einem gewissen Personenaufkommen“, man werde ausreichend Polizeikräfte vor Ort haben. Der Bürgermeister lässt verlauten, vor einigen Wochen habe es „eine Art Probelauf der Autonomen“ gegeben, „wohl mit dem Zweck, die örtlichen Gegebenheiten zu sichten.“ (http://www.schwarzwaelder-bote.de/wm?catId=7833411&artId=14451858&offset=3)

Tatsächlich ging es bei der Demo vor wenigen Wochen praktisch ausschließlich um die Forderung nach mehr Freiräumen für Jugendlichen und um den repressiven Umgang der Polizei (und privater Sicherheitskräfte, die in Balingen Polizeibefugnisse haben) mit diesen. Erst wenige Tage vor der Demo bekamen die Veranstalter überhaupt etwas vom BW-Musix mit und luden kurzfristig die Informationsstelle Militarisierung zu einem Redebeitrag ein.

An der Demo beteiligten sich etwas über einhundert Menschen, begleitet wurde sie von maximal sechs Streifenbeamten. Sie lief dort, wo das Auflage war, auf dem Bürgersteig und ging nicht gegen Neo-Nazis vor, welche die Demonstranten aus einer Gaststätte heraus fotografierten. Redebeiträge wurden über Schulkritik, Linke Freiräume, das Nazi-Problem in Balingen und eben das BW-Musix gehalten. Zu Rangeleien kam es nur ganz kurz, nachdem die Demo links- statt rechtsherum um einen abgesperrten Kreisverkehr ging. Ein autoritärer Dorfpolizist stürmte danach in die Demo hinein, schupste Leute beiseite und entriss einem Demonstranten eine Tröte, von der er sich gestört fühlte. Das wars. Mehr wäre auch von der morgigen Demo nicht zu erwarten, würde nicht Balingen seinem Ruf als Provinznest alle Ehre machen.

 

„Tübinger Antifaschisten verabreden sich, versteckt in der Anonymität des Internets, zur 'Freiraumdemo' am kommenden Samstag“ titelt der Zollernalbkurier, offizieller Medienpartner des BW-Musix (http://www.zak.de/scripts/kommunales.asp?ID=78604). Und Tübinger Antifaschisten, sowie Jugendliche ganz generell, werden von den örtlichen Medien und dem kreisverantwortlichen der Patei „die Linke“ ganz generell mit einem gewalttätigen Mob gleichgesetzt, als wäre Tübingen sowas wie das Schanzenviertel und alles was man sich über dessen „Autonome“ in Balingen so herbeifantasiert wahr. Schnell distanziert man sich vorsorglich von jeder Gewalt: „Ihre Aktion wollen die linken Kreisverantwortlichen 'gewaltfrei und ohne Konflikte, nämlich im Rahmen der Ausübung der freiheitlichen Grundrechte auf Meinungsäußerung' durchführen. Keines ihrer Mitglieder, dafür möchte beide garantieren, werde sich mit Wissen der Partei an gewaltsamen Aktionen beteiligen. 'Ganz im Gegenteil: Wir werden, wo immer es uns möglich ist, auf Verzicht von Gewalt hinwirken'.“ Von den primären Forderungen der Jugendlichen nach mehr Freiräumen ist gar keine Rede mehr, nur noch von Gewalt und Stadt und Bundeswehr fragen sich gegenseitig, warum es in Balingen dermaßen heftige Widerstände gäbe (http://www.schwarzwaelder-bote.de/wm?catId=11738079&artId=14455360&offset=2). Vielleicht weil Balingen zum dauerhaften Austragungsort des BW-Musix gemacht werden soll? Oder vielleicht nur, weil sich Bundeswehr, Polizei, Stadtverwaltung und die Partei „die Linke“ diesen Widerstand selbst herbeireden?

 

Man wird sehen, was morgen tatsächlich passiert. Eines ist jetzt schon klar: mit ihrem hysterischen Geschwätz bestätigen die Balinger Verantwortlichen ihr völliges Unverständnis für die Forderungen der Jugendlichen und deren Vorwurf, gegen Linke würde nur repressiv vorgegangen, während rechte Umtriebe ignoriert würden (http://www.jpberlin.de/tueinfo/cms/node/18975). Die Stadt und insbesondere der Weihnachtsmarkt (nach Angaben der Balinger Extremismusexperten ein beliebtes Ziel für Autonome) wird voll von Polizei sein und wenn diese schon kommt, wird sie auch ein paar Jugendliche verprügeln und festnehmen, wie das der Schwarzwälder Bote erwartet. Die Jugendlichen – mehr als hundert werden es wohl kaum sein – werden kaum ein Möglichkeit haben, ihre Forderungen zu formulieren. Und Schuld ist – neben der Stadtverwaltung, der Partei „die Linke“ und den Lokalblättern – die Bundeswehr. Alle beteiligten Akteure drohen sich mit ihrem hysterischen Geschwätz, das BW-Musix selbst zu vermießen, denn wenn es schon nicht die Autonomen Horden sein werden, dann doch vielleicht das Polizeiaufgebot, das „negative Auswirkungen auf die Besucherresonanz haben“ könnte.

 

Einer der Gründe für die Hysterie besteht darin, dass die Freiraumdemo am Samstag im Rahmen der Tübinger „Aktionswochen für Solidarität und Vernetzung“ stattfindet. Das klingt natürlich gefährlich. Im Rahmen dieser Aktionswoche fanden Veranstaltungen im Tübinger Gemeindehaus Lamm zu Abschiebehaft, zum Mietshäusersyndikat, zu „Menschenrechte und Militär und zu kooperativem Wirtschaften statt. Eine gefährliche Mischung braut sich da zusammen, wobei die Friedensbewegung und große Teile der Antimilitaristischen Bewegung wohl eher nach Stuttgart fahren werden, um gegen den Afghanistankrieg zu demonstrieren. http://linksunten.indymedia.org/de/node/13153

 

Vielleicht fahren je einige danach auf einen Glühwein nach Balingen?