Was passierte mit den in Mexiko verschleppten Studenten? SPD-Politiker Christoph Strässer fürchtet, dass bei der Tat deutsche Waffen zum Einsatz kamen. Heckler & Koch hatte Tausende Gewehre in das Krisenland exportiert.
Der SPD-Politiker Christoph Strässer kann nicht ausschließen, dass bei der mutmaßlichen Ermordung der 43 Studenten in Mexikos Unruheprovinz Guerrero vor fünf Monaten auch deutsche Waffen eingesetzt wurden. "In Guerrero gibt es deutsche Waffen, die es dort nicht geben dürfte", sagte der deutsche Menschenrechtsbeauftragte in Mexiko-Stadt.
Bei anschließenden Ermittlungen wurden rund drei Dutzend deutsche Sturmgewehre des Typs G-36 der Firma Heckler & Koch bei der örtlichen Polizei in Iguala gefunden. Für diesen Waffentypus hatte die Bundesregierung zwischen 2005 und 2007 Ausfuhrgenehmigungen erteilt, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Gewehre nicht in Bundesstaaten mit Konflikten geliefert werden.
Dabei handelte es sich neben dem südwestlichen Staat Guerrero, in dem die Studenten verschleppt wurden, um die Staaten Jalisco, Chihuahua und Chiapas. Insgesamt schickte die baden-württembergische Rüstungsschmiede rund 10.100 Sturmgewehre nach Mexiko. Es gilt als gesichert, dass trotz des Exportverbots knapp 2000 dieser Waffen nach Guerrero gelangt sind.
Ermittlungsverfahren gegen Heckler & Koch
Der Bundesregierung sei bekannt, dass es diese Waffen in Guerrero gebe, sagte Strässer. Daher würden gegenwärtig keine Ausfuhrgenehmigungen für Kleinwaffen nach Mexiko ausgestellt. Gegen Heckler & Koch läuft derzeit bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz und möglicherweise auch gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Besonders pikant ist, dass die mexikanische Regierung angibt, von dem Lieferverbot in die vier betroffenen Staaten nichts gewusst zu haben.
"Wenn es sich bewahrheiten sollte, dass bei dem Vorfall in Iguala deutsche Waffen zum Einsatz kamen, entschuldige ich mich dafür", sagte Strässer. Der Menschenrechtsbeauftragte hatte im Laufe seiner Reise mehrere Stunden mit den Eltern der 43 verschwundenen Studenten verbracht. Des Weiteren traf er sowohl Vertreter der Zivilgesellschaft und von Menschrechtsorganisationen sowie Regierungsvertreter aller Ebenen.
Bei der Menschenrechtslage in Mexiko liege "viel im Argen", resümierte Strässer zum Ende seines Besuchs. Zwar sei auf Gesetzesebene und bei der Unterzeichnung internationaler Abkommen viel richtig gemacht worden, aber es hapere massiv bei der Umsetzung. Im Kern sei Mexikos Problem, dass überall rechtsstaatliche Strukturen fehlten. Dies betreffe vor allem den Zugang zur Justiz, Folter in den Gefängnissen, Korruption und das Verschleppen von Menschen.
Schätzungsweise 25.000 verschwundene Menschen
Es gibt in Mexiko weder ein offizielles Register noch staatliche Schätzungen dazu, wie viele Menschen in den vergangenen Jahren verschwunden sind, weil sie entweder von Polizei und Militär oder dem organisierten Verbrechen gekidnappt und getötet wurden. Menschenrechtler gehen von mindestens 25.000 Opfern aus.
Sollte das nicht gegeben sein, sei von einem solchen Abkommen eher abzuraten, so Strässer. Insgesamt hält der Menschenrechtsbeauftragte eine solche Zusammenarbeit aber für den richtigen Schritt, um Länder wie Mexiko bei der Ausbildung rechtstaatlicher Prinzipien zu helfen.
Linksgerichtete Politiker in Deutschland wie der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele und mexikanische Menschenrechtler halten das geplante Sicherheitsabkommen hingegen für den falschen Weg. Sie fürchten, dass bei der angestrebten Polizeiausbildung auch Schergen der Kartelle von deutschem Know-how profitieren könnten, da viele Sicherheitskräfte mit der Mafia gemeinsame Sache machen.