Flüchtlingsproblematik: Tiefe Gräben in Escheburg

Karsten Fries von der Kreisverwaltung
Erstveröffentlicht: 
24.02.2015

200 Bürger kamen zur Info-Versammlung. Viele möchten die Neuen willkommen heißen, manche haben Angst vor den Fremden.

 

Die Gräben zwischen den Escheburgern, die die Flüchtlingsunterkunft in der Siedlung Am Golfplatz massiv ablehnen, und denen, die die Asylbewerber ausdrücklich willkommen heißen wollen, sind nach wie vor tief. Das wurde in der Versammlung im Gemeindezentrum deutlich, zu der die Escheburger Fraktionen und Bürgermeister Rainer Bork unter dem Motto „Auch in Escheburg sind Flüchtlinge willkommen“ eingeladen hatten. So brachte ein direkter Nachbar seine Angst um Frau und Kinder auf den Punkt. Er fürchtete sexuelle Übergriffe durch die „allein gelassenen“ Männer. „Ich habe Angst, was mit meinen Kindern passiert“, sagte der Schotte, der in Escheburg eine Heimat gefunden hat. „Die passen nicht in das soziale Umfeld“, sagte er.

 

Doch der Schotte — wie auch die anderen, die versuchten, Stimmung gegen die Flüchtlinge und deren Unterbringung in der Gemeinde zu machen — bekamen durch die überwiegende Mehrheit der mehr als 200 Bürger, die zu der Versammlung gekommen waren, deutlichen Gegenwind. „Das ist ja abartig“, sagte eine Frau. Und Olof Masch, ehemaliger Strafrichter und heute im Dassendorfer Helferkreis engagiert, machte klar, dass die Formel „Flüchtlinge gleich Straftäter“ absoluter „Blödsinn“ sei. „Ich habe in der Zeitung gelesen, dass auch Escheburger Straftaten begehen“, spielte Masch auf den fremdenfeindlichen Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim, den ein Nachbar (38) gestanden hatte, an. „Wir müssen den ersten Schritt machen, die können das nicht“, riet er den Escheburgern im Umgang mit den Flüchtlingen. Das sei „so einfach, das ist kaum zu glauben“, so Masch.

 

Und dass Escheburg in den kommenden Wochen und Monaten die angedachten 40 Asylbewerber aufnehmen muss, daran besteht kein Zweifel. Möglicherweise wird die Zahl sogar noch deutlich steigen. Karsten Fries von der Kreisverwaltung, die sich um die Verteilung der Flüchtlinge kümmert, berichtete, dass man beinahe kapitulieren müsse, so groß sei der Ansturm der Flüchtlinge. „Das Land ist dem Ansturm nicht gewachsen“, sagte Fries. Folge: Statt der eigentlich erwarteten zehn Asylbewerber pro Woche kommen aktuell 25 ins Kreisgebiet. Die Menschen zu verteilen, stelle die Verwaltungen vor große Probleme. Das berichtete auch Brigitte Mirow, die Leitende Verwaltungsbeamte des Amtes Hohe Elbgeest. „Wir haben keine freien Betten mehr“, sagte sie. Daher werden, sobald das Holzhaus, auf das der Brandanschlag verübt wurde, renoviert ist, auch Flüchtlinge dort einziehen. Es bietet zwölf Plätze. Nachbar Kay M. beklagte, dass er nicht über den Hausverkauf und die geplante Unterbringung von Flüchtlingen vorab informiert wurde. „Werden Sie über alle Hausverkäufe in Ihrer Nachbarschaft informiert“, fragte ihn Brigitte Mirow. Die Nachbarn fürchteten sich vor der geplanten Unterbringung von sechs aus dem Irak geflüchteten Männern. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, meinte Lorenz D., der forderte, die Bürger in die Planungen einzubeziehen. Auch ihm widersprach Brigitte Mirow, zum Schutz der Flüchtlinge würde man deren Unterkünfte nicht preisgeben. Angst vor den neuen Nachbarn sprach auch Martin B. aus. „Es kann nicht Aufgabe des Helferkreises sein, die Nachbarn zu schützen“, sagte er. Wovor er geschützt werden müsste, vermochte er nicht zu sagen. Michael Treiber von der Awo kündigte ein Projekt im südlichen Kreisgebiet an, das die Awo am 2. März starten werde. Ziel soll es sein, die ehrenamtlichen Helferkreise zu unterstützen.