Marktfrühschoppen: Vorstand zieht die Notbremse

Der Vorstand des Marktfrühschoppenvereins wollte die drei Marburger Burschenschaften von dem umstrittenen Volksfest fernhalten – und bekam dafür im Verein keine Mehrheit.

 

Marburg. Wohin steuert der Marktfrühschoppenverein, der das umstrittene Volksfest am ersten Sonntag im Juli ausrichtet? Fest steht, dass der Verein sich einen neuen Vorstand suchen muss. Vorsitzender Tilman Pfeiffer und Schriftführer Axel Koch erklärten am Freitag gegenüber der OP, dass der gesamte Vorstand auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in zehn Tagen zurücktreten wird.

 

Pfeiffer und Koch hatten bereits nach dem Marktfrühschoppen im Jahr 2014 erklärt, sie wollten Mitglieder der Burschenschaften, die Mitglied im als rechtsextrem geltenden Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) sind, vom Marktfrühschoppen fernhalten.

 

Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD) hatte in seiner Neujahrsansprache das Thema, welches seit vielen Jahren für heftige Debatten sorgt, angesprochen: „Wir werden es erreichen, rechten Burschenschaften der Deutschen Burschenschaft den Marktplatz als Festplatz zu entziehen. Ich appelliere von hier aus an die Veranstalter: Verzichten Sie auf Ihr rein juristisches Recht, um diesen Personen kein Forum auf dem Marktplatz zu bieten.“

 

Distanzierung von Deutscher Burschenschaft


Lange Zeit hatte der Marktfrühschoppenverein argumentiert, bei der Veranstaltung, zu der an jedem ersten Sonntag im Juli seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts Tausende Menschen kommen, handele es sich um ein unpolitisches Volksfest. Kritiker wandten sich gegen die Teilnahme von Verbindungsstudenten in Couleur. In den vergangenen zwei, drei Jahren habe sich, so Pfeiffer im OP-Gespräch, die Situation deutlich geändert:

 

Zum einen sei in der Deutschen Burschenschaft ein deutlicher Rechtsruck eingetreten, zum anderen sei ein vermehrtes Auftauchen von Mitgliedern extrem rechter Burschenschaften auf dem Marktfrühschoppen beobachtet worden – unter anderem auch solcher, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, wie die Danubia Leipzig.

 

„Die Tatsache, dass Mitglieder extremer Gruppen und Bünde zu erkennen waren, hat uns veranlasst, nicht mehr wegzuschauen“, heißt es in einer Erklärung des Vorstands des Marktfrühschoppenvereins. Auch in Marburg gibt es zudem personelle Verflechtungen zwischen den DB-Burschenschaften und rechtsextremen Gruppierungen. So sind einzelne Rheinfranken Mitglied der NPD oder üben dort ein Amt aus, Germanen haben zu Nazi-Aufmärschen aufgerufen.

 

Vorstand verbittet sich Teilnahme der DB


Dass die Germania Marburg in diesem Jahr den Vorsitz der Deutschen Burschenschaft übernommen hat, passt in dieses Bild. Dieser Dachverband vertritt nur noch ein knappes Viertel aller Burschenschaften in Deutschland – er radikalisiert sich zusehends. Grund genug für den Marktfrühschoppenverein, sich in einem Schreiben an die drei DB-Burschenschaften Germania, Rheinfranken und Normannia Leipzig deren Teilnahme am Marktfrühschoppen 2015 zu „verbitten“.

 

Die Antwort kam prompt: „Wir werden es uns nicht verbieten lassen, am Marktfrühschoppen teilzunehmen“, schrieb die Germania zurück, und die Burschenschaft Normannia Leipzig verwahrte sich dagegen, dass in die Köpfe ihrer Mitglieder geschaut werde.

 

Offenbar hat der Vorstand für seinen Vorstoß zudem keine Mehrheit. Auf der Hauptversammlung des Vereins stellte laut Protokoll der Vorsitzende der Rheinfranken, ein Vereinsmitglied, den Antrag, ein „Meinungsbild“ über die Teilnahme der drei DB-Burschenschaften zu erstellen – Ergebnis: Eine deutliche Mehrheit stimmte gegen den Ausschluss der genannten Bünde.

 

Neuanfang mit neuem Vorstand – aber wie?


Das war der Zeitpunkt, an dem der Vorstand die Reißleine zog. Pfeiffer und seine Vorstandskollegen beriefen eine außerordentliche Mitgliederversammlung ein, auf der ein offizieller Beschluss über die Haltung des Vereins zu den DB-Burschenschaften gefasst werden soll.

 

Egal, wie er ausgeht, der Vorstand wird anschließend zurücktreten. Neuwahlen sind auf der Tagesordnung vorgesehen. Für die Zukunft sind nun drei Szenarien denkbar:

  • Auf der Versammlung kann kein neuer Vorstand gewählt werden. Der alte Vorstand bliebe kommissarisch im Amt, „dann würden wir aber den Marktfrühschoppen nicht ausrichten“, stellt Pfeiffer klar.
  • Es findet sich eine Mehrheit für einen Vorstand, der aus Mitgliedern der DB-Burschenschaften besteht. Diese Option ist denkbar, da offensichtlich einzelne DB-Burschenschafter in den Verein eingetreten sind. „Wenn der Verein von Mitgliedern der Deutschen Burschenschaft dominiert wird, wäre der Marktfrühschoppen kein Volksfest mehr, sondern ein Fest für Mitglieder der Deutschen Burschenschaft“, sagt Koch.
  • Nach der klaren Distanzierung des bisherigen Vorstands von den DB-Burschenschaften treten Mitglieder der Stadtteilgemeinden wieder in den Verein ein und versuchen einen Vorstand zu bilden, der sich klar gegen Germania, Normannia-Leipzig und Rheinfranken abgrenzt. In einem solchen Fall, und nur dann, könnten sich Pfeiffer und Koch vorstellen, bei der Vorbereitung eines Marktfrühschoppens zu beraten.

von Till Conrad